von Herzogenberg, Elisabeth (geborene von Stockhausen) - Leipziger Frauenporträts
Elisabeth von Herzogenberg (1847-1892) © Universitätsbibliothek Leipzig, NL 252/6/2/2/71. Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Musik
- Salonkultur
geboren/ gestorben
13. April 1847 (Paris) - 7. Januar 1892 (San Remo)
Zitat
"Sie hatte den weichsten Anschlag, die geläufigste Technik, die rascheste Auffassung, das ungewöhnlichste Gedächtnis und den seelenvollsten Ausdruck im Spiel - mit einem Wort, sie war ein Genie!"
(Julius Epstein über Elisabeth von Herzogenberg, in: Johannes Brahms im Briefwechsel mit Heinrich und Elisabet[h] von Herzogenberg. Max Kalbeck (Herausgeber). Band 1 Berlin, 1907, Seite 10)
Kurzporträt
Elisabeth von Herzogenberg, auch Sängerin und Komponistin, wirkte mit ihren professionellen pianistischen Fähigkeiten im Bachverein Leipzig, pflegte einen hochrangigen musikalischen Freundeskreis und veranstaltete Musikaufführungen in ihrem Privathaus. Die enge Freundin von Clara Schumann, Mentorin und Förderin von Ethel Smyth sowie künstlerische Beraterin und Freundin von Johannes Brahms war das Zentrum des Leipziger Brahmskreises.
Herkunftsfamilie
- Vater: Bodo Albrecht Freiherr von Stockhausen (1810-1885), Diplomat und Musikliebhaber
- Mutter: Clothilde Annette, geborene von Baudissin (1818-1891)
- Geschwister:
- Ernst von Stockhausen (1838-1905)
- Julia von Stockhausen (1842-1896), Ehefrau von Henry "Harry" J. Brewster
Biografie
Elisabeth von Stockhausen erhielt als Diplomatentochter eine fundierte Musikausbildung in den Fächern Klavier, Gesang und Harmonielehre. Ihr ungewöhnliches musikalisches Talent wurde schnell deutlich und führte zu eigenen Kompositionen und herausragenden pianistischen Fähigkeiten. Besonders ihr musikalisches Gedächtnis und ihre Partitur-Spielfähigkeiten haben ihre Mitmenschen und Künstler wie Clara Schumann und Johannes Brahms tief beeindruckt. Sie selbst verzichtete jedoch auf eine professionelle Karriere als Künstlerin und wirkte vor allem in ihrem künstlerischen Freundschaftsnetzwerk durch fachliche Beratung, Privataufführungen und Vermittlung von Bekanntschaften.
1868 heiratet sie den Komponisten Heinrich von Herzogenberg (1843-1900) und lebte mit ihm 1872 bis 1885 in Leipzig, bevor sie sich in Berlin niederließen. 1875 gründete Heinrich von Herzogenberg gemeinsam mit Philipp Spitta, Alfred Volkland und Franz von Holstein den Bachverein in Leipzig, bei dessen Konzerten und Proben Elisabeth von Herzogenberg auch mehrfach am Klavier in Erscheinung trat. "Es ging gestern sehr gut im Bachverein. Sie [Elisabeth von Herzogenberg] half ihm mit dem Spielen, wenn er [Heinrich von Herzogenberg] gerade einmal eine schwierigere Stelle taktieren wollte, und zwar in der originellen reizenden Weise, die Sie an dem Ehepaar kennen, daß sie mitten durch seine Hände oder Finger greift, und die Töne anschlägt, die ihm fehlen, dann ließ er nach und nach beide Hände los und sie spielte allein, zum größten Verwundern der Singenden." (Brief von Hedwig von Holstein an Jutta Volkland, ohne Datum)
Max Kalbeck beschreibt das Einfinden des Ehepaars in die Leipziger Gesellschaftskreise, in deren Mittelpunkt sie bald selbst standen: "Aus ihrer anfänglich vorsichtigen Zurückgezogenheit traten die neu Angesiedelten [Herzogenbergs] immer froher und sicherer heraus und sahen ihre Erwartungen in jeder Hinsicht übertroffen. Die Häuser der [Emma] Engelmann, Frege, von Holstein, [Lili] Wach [...] taten sich ihnen auf, und das liebenswürdige, interessante und schöne Künstlerpaar, [...] stand bald im Mittelpunkt eines großen und bedeutenden Kreises." (Kalbeck: Briefwechsel Brahms-Herzogenberg, Band 1, 1912, Seite 16).
Besonders zum Komponisten Johannes Brahms (1833-1897), zu Clara Schumann (1819-1896), zu der Sängerin Marie Fillunger (1850-1930) und der englischen Musikstudentin Ethel Smyth (1858-1944) bestand enger Kontakt. Ihr Haus wird als Zentrum des Leipziger Brahmskreises beschrieben. In einer Zeit, in der Johannes Brahms durchaus noch als umstritten galt, veranstaltete Elisabeth von Herzogenberg in ihrem Haus ganze Brahmsabende: "Übermorgen ist großer Brahmsabend, Emma [Engelmann-Brandes] spielt A dur-Quartett, Julius Röntgen das Quintett, und darum gruppieren sich noch verschiedene Kleinigkeiten. Amanda, Julius' Frau, spielt das Violinkonzert auswendig, so als kleine Zugabe, wenn die Familie etwa schon drei Stunden vorher musiziert hat! Ja, wir haben alle große Mägen." (Brief von Elisabeth von Herzogenberg an Johannes Brahms vom 30. Dezember 1880). Johannes Bahms und Elisabeth von Herzogenberg verband eine tiefe Freundschaft und ein langjähriger künstlerischer Austausch. Fast alle seine Kompositionen schickte Johannes Brahms vor der Drucklegung an sie. Über 30 (teils mehrseitige) Rezensionen seiner Werke schickte sie ihm zurück und hatte nachweislich Einfluss auf die Fertigstellung etlicher Kompositionen. Beide Brahms- Rhapsodien für Klavier op. 79 sind ihr gewidmet.
Für die junge, in Leipzig lebende Musikstudentin Ethel Smyth wurde Elisabeth von Herzogenberg eine wichtige Bezugsperson, enge Freundin und Mentorin. Ethel Smyth war ein ständiger Gast im Hause der Herzogenbergs, nahm bei Heinrich von Herzogenberg Privatunterricht und kam durch die musikalischen Gesellschaften des Ehepaars mit wichtigen Künstlerpersönlichkeiten wie Anton Rubinstein, Edvard Grieg und Johannes Brahms in Kontakt. Die sehr enge, auch als Liebesbeziehung gedeutete Freundschaft zwischen Ethel Smyth und Elisabeth von Herzogenberg zerbrach jedoch 1885 im Streit.
Mit seinem dezidierten Eintreten für die Musik Johannes Brahms' und Johann Sebastian Bachs nahm das Ehepaar Herzogenberg während seiner Leipziger Jahre Einfluss auf das bürgerliche Musikleben der Stadt und seiner Repertoireausprägung. Als künstlerische Mentorin, Beraterin und Interpretin war Elisabeth von Herzogenberg eine wichtige Figur im Musikleben Leipzigs.
Werke
- "Acht Clavierstücke" von Elisabeth von Herzogenberg. Nach ihrem Tode herausgegeben von Heinrich von Herzogenberg. Leipzig, Rieter-Biedermann, 1892.
- 24 Volkskinderlieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte, veröffentlicht 1889 bei Rieter-Biedermann Leipzig.
Adressen in Leipzig
- 1872-1885: Inselstraße 11
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Ruhbaum, Antje: Elisabeth von Herzogenberg (1847-1892). Salon - Mäzenatentum - Musikförderung, Dissertation an der Universität Bremen, Kenzingen 2009.
- Ruhbaum, Antje: Ein Talent, "als Sängerin, Pianistin, vielleicht sogar als Komponistin in der Öffentlichkeit zu glänzen..." Elisabeth von Herzogenberg (1847-1892) als Musikförderin, in: Rebecca Grotjahn und Freia Hoffmann (Herausgeberinnen): Geschlechterpolarisierung in der Musikgeschichte des 18. - 20. Jahrhunderts, Herbolzheim 2002 (Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Musik, Band 3), Seiten 197-207.
- Johannes Brahms im Briefwechsel mit Heinrich und Elisabet[h] von Herzogenberg. Max Kalbeck (Herausgeber). 2 Bände. Berlin, 1907. (Reproduziert Tutzing, 1974). Siehe auch die übrigen Bde. Johannes Brahms Briefwechsel. Deutsche Brahms-Gesellschaft (Herausgeber). Berlin, 1907 (Reproduziert Tutzing 1974).
- Rieger, Eva: Ethel Smyth. Ein stürmischer Winter. Erinnerungen einer streitbaren englischen Komponistin. Kassel/ Basel, 1988.
Autorin: Mirjam Gerber, 2015