Wehnert-Beckmann, Bertha Ernestine Henriette (geborene Beckmann) - Leipziger Frauenporträts
Bertha Wehnert-Beckmann mit Hund Pluto, um 1870 (Fofografie aus dem Atelier Wehnert-Beckmann © Stadtgeschichtliches Museum Leipzig Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Fotografie
- Kunst
- Wirtschaft
geboren/ gestorben
25. Januar 1815 (Cottbus) - 6. Dezember 1901 (Leipzig)
Zitat
"In Kottbus geboren, habe ich sofort nach Erfindung des Daguerreotypierens meine Bemühungen dahin gerichtet, durch Erlernen dieser Kunst mir meine Zukunft zu sichern und für mich einen Erwerbszweig zu gewinnen [...]"
(Brief vom 4. November 1844)
Kurzporträt
Bertha Wehnert-Beckmann arbeitete seit 1842 als Daguerreotypistin mit eigenem Fotoatelier und gilt als die erste Berufsfotografin Europas.
Herkunftsfamilie
- Vater: Johann Dietrich Beckmann, Schneidermeister in Cottbus (-)
- Mutter: Johanne Christiane, geborene Rietschel (-)
- Brüder: Robert (-) und Rudolph Julius Arnold (1830-?)
Biografie
Bertha Wehnert-Beckmann ging als erste Berufsfotografin Europas in die Geschichte der Fotografie ein. Zunächst aber verdiente die 1815 in Cottbus Geborene mit weiblicher Handarbeit als Haarklöpplerin ihr Geld. Kunstvoll aus Menschenhaar geklöppelte Schmuckstücke waren im 19. Jahrhundert begehrt und teuer. Aber "sofort nach Erfindung des Daguerrotypierens", so Bertha Beckmann in einem Brief von 1844, erlernte sie diese neue Kunst, um künftig damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ein ungewöhnlicher Schritt für eine Frau, die zudem schon einen einträglichen, sicheren Erwerbszweig für sich gefunden hatte. In den Anfangsjahren war die Daguerreotypie ein fahrendes Gewerbe, da die neue Kunst des Porträtierens den Kunden erst nahe gebracht werden musste. Kenntnisse chemischer Prozesse waren notwendig, die nicht zur Schulbildung der Mädchen dieser Zeit gehörten. Die Verdienstmöglichkeit hing zudem von Wetter und Jahreszeit ab, da wegen des notwendigen Lichtes anfangs nur im Freien fotografiert werden konnte. Auch die fotografische Ausrüstung musste finanziert werden.
1839 hatte der Franzose Louis Jacques Mandé Daguerre (1787-1851) sein fotografisches Verfahren vorgestellt, mit dem es möglich war, detailgetreue Abbildungen auf Silber- oder Kupferplatten zu fixieren. Der Band "Der gefrorene Augenblick" von 2004 und die Monografie "A German Lady" von 2014 von Jochen Voigt dokumentieren den Stand der Biografie-Forschung zu Bertha Wehnert-Beckmann. Dort wird nachgewiesen, dass sie um 1841 vom Porträtmaler Wilhelm Horn (1809-1891) in das Daguerreotypieren eingeführt wurde, der in diesem Jahr ein Atelier für Daguerreotypie in Prag eröffnet hatte. Als 1842 in Leipzig eine "Practische Anweisung zum Daguerreotypieren. Nebst Beschreibung und Abbildungen der dazu gehörigen Apparate" erschien, bereitete Bertha Beckmann schon ihre Geschäftseröffnung in Dresden vor.
Im Dezember 1842 machte sie mit einer Zeitungsanzeige auf sich aufmerksam, in der sie nicht nur Daguerreotypien für Porträts anbot, sondern als erste auch Aufnahmen von Ölgemälden, Kupferstichen und anderen Bildkunstwerken. In Dresden lernte sie auch den Mechaniker Eduard Wehnert (1811-1847) kennen, der gemeinsam mit seinem Bruder seit 1842 das erste Atelier für Daguerreotypie in Leipzig führte und wegen seiner Fachkenntnisse von Kunden wie Berufskollegen sehr geschätzt wurde. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine intensive Beziehung. Um genügend Kunden zu finden, mussten die ersten Daguerreotypisten reisen. In den Jahren 1843/1844 war Bertha Beckmann in Thüringen unterwegs. Auch in ihrer Geburtsstadt Cottbus bot sie ihre Leistungen an. Sie hat sich dabei wahrscheinlich durch einen Onkel oder Bruder begleiten lassen, um ihren guten Ruf zu wahren.
In Leipzig erschien die erste Anzeige Bertha Beckmanns im September 1843. Sie gab bekannt, dass ihre Porträts nicht grau, sondern nach der neuesten Methode in den lebhaftesten Farben und in jeder gewünschten Größe gearbeitet werden. Von der Leipziger Presse wurde sie wegen ihrer künstlerischen Porträts besonders den Damen empfohlen. Ab Anfang 1844 nutzte Bertha Beckmann für ihre Daguerreotypien den in Lehmanns Garten neuerbauten Glaspavillon von Eduard Wehnert, der in diesem Jahr als einer der ersten Wanderdaguerreotypisten in Böhmens Kurbädern unterwegs war. Ende des Jahres beantragte Bertha Beckmann in Leipzig die Schutzverwandtschaft, um ihren dauerhaften Aufenthalt in der Stadt zu sichern. Trotz des nachgewiesenen Vermögens von 600 Talern lehnte der Rat der Stadt ihr Gesuch ab, da bezweifelte wurde, dass sich eine Frau in dem neuartigen Beruf als Daguerreotypistin selbst erhalten könne. Erst als sie ihren Antrag erneuerte, auf ihre Tätigkeit als Haarklöpplerin hinwies und dies durch Zeugnisse aus Dresden belegte, wurde sie als Schutzverwandte anerkannt. Die Erlangung des Bürgerrechts sieben Jahre später war dann kein Problem, zumal ihr Geschäft inzwischen gut eingeführt war.
Ab 1845 arbeitete sie in Wehnerts Gartenatelier in der Burgstraße 8, inserierte aber weiter unter ihrem eigenen Namen. Auch nach ihrer Heirat mit Eduard Wehnert am 14. November 1845 in der Thomaskirche wurde beim gemeinsamen Geschäftsauftritt immer beider Vornamen genannt. Ein weiteres Zeichen für Bertha Wehnert-Beckmanns Selbstbewusstsein sowie dafür, dass sie als Fotografin bekannt war und einen eigenen Kundenkreis hatte. Am 7. August 1847 starb ihr Mann Eduard Wehnert mit nur 36 Jahren. Ob sein früher Tod durch den jahrelangen Umgang mit gesundheitsschädigenden Stoffen wie Quecksilber und Zyankali verursacht wurde, kann nur vermutet werden. Nach knapp zwei Jahren Ehe endete damit eine für das 19. Jahrhundert ungewöhnlich gleichberechtigte Lebens- und Arbeitsgemeinschaft.
Zwei Jahre später reiste Bertha Wehnert-Beckmann in Begleitung ihres 19-jährigen Bruders Rudolph nach New York, wo sie 1850 als "Mme. Bertha Wehnert Beckmann & Brothers" ein Fotostudio eröffnete, das sie 1851 an den Broadway verlegte. Das American Institute in New York verlieh ihr ein Diplom für besondere Verdienste um die Porträtphotographie. Auf ihrer Rückreise aus den USA informierte sich Bertha Wehnert-Beckmann in London auf der ersten Weltausstellung über den neuesten Stand der Fotografie. Während ihrer New Yorker Zeit hatte ihr Bruder Robert das Atelier in der Leipziger Burgstraße geführt. Im August 1851 übernahm sie wieder selbst die Leitung ihres Ateliers und Robert wechselte nach Gera. Nach der Rückkehr ihres zweiten Bruders Rudolph aus den USA wurden er, seine Frau Oline Adolphine, geborene Grünewald und deren Bruder, der Kunstmaler Ferdinand Cornelius Grünewald, Mitarbeiter im Atelier.
Um ihre Auslandserfahrungen nutzbringend für sich und andere anzuwenden, beantragte Bertha Wehnert-Beckmann 1853 eine Konzession für die Betreibung einer Agentur zur gewerbsmäßigen Beförderung von Auswanderern. Dies wurde ihr als Frau vom sächsischen Innenministerium aber nicht bewilligt. Auf der Allgemeinen Deutschen Industrieausstellung 1854 in München, an der sich 21 Fotografen und Daguerreotypisten beteiligten, waren auch Papierfotografien von Bertha Wehnert-Beckmann ausgestellt. Sie war eine anerkannte Porträtfotografin und ihre Aufnahmen von Kindern werden zu den schönsten der in Deutschland entstandenen gezählt. Die Firmenetiketten und Anzeigen ihres Studios belegen, dass sie auch technisch stets auf dem neuesten Stand war. Angeboten wurden "Photographien, Daguerreotypien und Stereoscopen [dreidimensionale Bilder] auf Glas, Platte und Papier".
1865 zog Bertha Wehnert-Beckmann in ihre neu erbaute Villa Elsterstraße 33 in der Nachbarschaft von Gerhards Garten; das Atelier verlegte sie im Folgejahr dorthin. Das Grundstück hatte sie schon 1853 erworben. 1865 war auch das Jahr, in dem in Leipzig im Februar der Frauenbildungsverein und im Oktober der Allgemeine Deutsche Frauenverein gegründet wurden, die für alle Frauen das Recht auf Bildung und selbstständige Erwerbstätigkeit einforderten. Das waren Ziele, die Bertha Wehnert-Beckmann für sich selbst schon erreicht hatte - durch Klugheit, Begabung, Selbstbewusstsein, Beharrlichkeit, Kreativität und Risikobereitschaft. Geschäftstüchtigkeit und Erfolg der selbstständigen Berufsfotografin wurden von den Frauenrechtlerinnen als Beispiel dafür wahrgenommen, was Frauen leisten können.
Louise Otto-Peters, seit 1860 dauerhaft in Leipzig, veröffentlichte 1864 unter dem programmatischen Titel "Neue Bahnen" einen Roman, der erstmals die Probleme einer berufstätigen, alleinstehenden Frau aus höheren Kreisen thematisiert. Diese Frau wird von einer selbstständigen Fotografin mit eigenem Atelier (!) zur Fotografin ausgebildet und findet so zu neuem Selbstbewusstsein. Es wird vermutet, dass die in Leipzig geborene Emma Kirchner (1830-1909), die 1852 Mutter einer unehelich geborenen Tochter wurde, 1863 im niederländischen Delft ein Fotostudio eröffnete und der Frauenbewegung nahe stand, bei Bertha Wehnert-Beckmann ausgebildet worden war. Nachgewiesen ist die Tätigkeit von Emilie Louise Blau (1849-1937) im Atelier von Wehnert-Beckmann. Die Tochter des Lithografen und Photographen Erdmann Ludwig Blau (1808-1899) war von ihrem Vater zunächst im Retouchieren ausgebildet worden und von 1867 bis zu ihrer Heirat 1871 bei Wehnert-Beckmann angestellt.
Nach 40 Jahren erfolgreicher Berufstätigkeit, in denen sie sich souverän gegen die starke Konkurrenz in einem männlich geprägten Gewerbe behauptet hatte, setzte sich Bertha Wehnert-Beckmann 1882 mit 67 Jahren zur Ruhe. 1883 verkaufte sie Haus und Grundstück und zog in die Weststraße (heute Friedrich-Ebert-Straße). Wie sie die folgenden Jahre verbrachte, ist nicht bekannt. 1901 starb Bertha Wehnert-Beckmann 86-jährig im Haus Waldstraße 1 in Leipzig. Eine Gedenktafel für die erste Berufsfotografin Europas am schön restaurierten Haus Elsterstraße 38, dessen Atelieranbau überbaut wurde, fehlt bisher. Ihr Grab auf dem Neuen Johannisfriedhof wurde beim Umbau des Geländes zum Friedenspark in den 1970er-Jahren zerstört.
Werke
- Daguerreotypien, Photographien und Stereoskopen
- Porträts von Damen, Herren, Kindern, Familien, Geschäftsleuten und Prominenten
- Daguerreotypien von Kunstwerken, Stillleben; Aktstereoskopen
Adressen in Leipzig
- 1843: Reichels Garten
- 1844: "Mad. Bertha Beckmann" als erste und einzige Daguerreotypisten-Anzeige im Adressbuch, Standort: Riedels Garten (ein Kaffeegarten an der Pleiße)
- 1844: Burgstraße
- 1865-1882: Elsterstraße 33 (heute 38)
- 1883-1884: Weststraße 55, 1. Etage
- 1885-1892 (?): Weststraße 74, 1. Etage
- 1893-1901: Waldstraße 1, 2. Etage
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Ausstellung zum 200. Geburtstag der ersten Berufsfotografin Deutschlands vom 25.1.-26.4.2015 im Stadtgeschichtlichen Museum (Neubau; Böttchergäßchen 3, 04109 Leipzig)
- Ölbild Bertha Wehnert-Beckmann, 1858, von Ferdinand Cornelius Grünewald im Stadtgeschichtlichen Museum (Markt 1, 04109 Leipzig)
- Sammlung ihrer Daguerreotypien, Kalotypien, Negativplatten im Stadtgeschichtlichen Museum
- Sammlung ihrer Daguerreotypien im Museum für Angewandte Kunst Leipzig (Johannisplatz 5-11, 04103 Leipzig)
- Bertha-Beckmann-Weg (seit 2000)
- Tafel am Eingangsportal zum Wohn-/ Atelierhaus (heute Elsterstraße 38) seit 2. März 2015
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Jochen Voigt, A German Lady. Bertha Wehnert-Beckmann. Leben & Werk einer Fotografiepionierin.
Chemnitz 2014. - Eduard Wehnert und Bertha Wehnert-Beckmann. Daguerreotypistenkarrieren in Leipzig, in: Jochen Voigt, Christoph Kaufmann, Eberhard Patzig, Roland Schwarz und Frank Weiß: Der gefrorene Augenblick. Daguerreotypie in Sachsen 1839-1860. Inkunabeln der Photographie in sächsischen Sammlungen, Chemnitz 2004.
- Rose-Marie Frenzel, Bertha Wehnert - die erste Leipziger Fotografin, in: Leipzig. Aus Vergangenheit und Gegenwart. Beiträge zur Stadtgeschichte Nummer 3, Leipzig 1984, Seiten 239-247.
- Rose-Marie Frenzel, Plädoyer für eine Porträtistin, in: Ich muß mich ganz hingeben können. Frauen in Leipzig, herausgegeben von Friderun Bodeit, Leipzig 1990.
- Ilse Hecht, Bertha Wehnert Beckmann, in: Schriften des Vereins für Geschichte, Band 23, Leipzig 1939, Seiten 79-81.
- Ilse Hecht: Einführung der Photographie in Leipzig, in: Leipziger Jahrbuch, Leipzig 1940, Seiten 71-75.
- Johanna Ludwig, Ausbruch aus Konventionen. Zum Frauenbild von Louise Otto-Peters in ihrem 1864 erschienenen Roman Neue Bahnen, in: Weibliche Lebensentwürfe im Werk von Louise Otto, Berichte vom 18. Louise-Otto-Peters-Tag 2010, LOUISEum 31, Leipzig 2010.
Autorin: Gerlinde Kämmerer, 2013/2014