Wolff-Arndt, Philippine - Leipziger Frauenporträts
Selbstporträt, Öl, 1879 © Autobiografie „Wir Frauen von einst“, Verlag E. Reinhardt, München 1929 Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Kunst
- Frauenbewegung
geboren/ gestorben
1849 (Frankfurt am Main) - vermutlich 1940 (Paris)
Zitat
"Zu dem Vorurteil gegen die künstlerisch arbeitende Frau gesellte sich zwangsläufig das Vorurteil gegen die alte Frau."
(In: Wir Frauen von einst, Seite 96)
Kurzporträt
Gegen alle Widerstände studierte Philippine Wolff-Arndt Malerei, erweiterte Wissen und Fertigkeiten in München und in Italien. In Leipzig wurde sie Mitbegründerin des Künstlerinnenvereins und des Vereins für Frauenstimmrecht, setzte sich für das Frauenstudium an der Kunstakademie ein und für die Verbesserung der sozialen Situation von Künstlerinnen.
Herkunftsfamilie
Sie stammte aus der begüterten bürgerlichen Familie Arndt in Frankfurt am Main.
- Großmutter: Eva Arndt, geb. Kind (1791-1876).
- Schwiegervater Heinrich Wolff (1813-1898), Konzertmeister in Frankfurt am Main
Biografie
"Es sei selten, dass man in Deutschland so gut gemalte Bilder sähe", sagte ein Besucher zu Anton Heinrich Wolff (1856-1917?) und zog sein Urteil sogleich zurück, als er hörte, die Gemälde seien von einer Malerin, nämlich von dessen Ehefrau Philippine Wolff-Arndt. Um 1880 hatte sie ihn in Frankfurt am Main geheiratet und war mit dem jungen Kaufmann nach Leipzig gezogen. Hier übernahm er die Leitung eines ansehnlichen Geschäftes. Als Cellist ging „sein Können […] weit über das eines Dilettanten hinaus“ (Witkowski, S. 50).
In Frankfurt wurde Philippine 1849 als Tochter einer wohlhabenden Familie geboren. Jungen Frauen blieben in Deutschland bis Anfang des 20. Jahrhunderts die Tore von staatlichen Akademien, Kunsthochschulen und Universitäten verschlossen. Auch die elterliche Skepsis war groß, als dieses Mädchen nach privatem Zeichenunterricht am Städelschen Institut richtig studieren wollte, denn "die höhere Tochter gehörte selbstverständlich ins Haus" (Wir Frauen von einst..., Seite 2). Eine Lücke im Testament des Stifters dieser Schule ließ das ausnahmsweise zu, der Vater seufzte: "Diese Tochter ist verrückt" (ebenda, Seite 10) und sie selbst musste erfahren: "Wir Damen durften nicht Akt zeichnen" (ebenda, Seite 11). Hinter dem Rücken der Administration wurde das allerdings doch im bescheidenen Maße geübt - weiblicher Akt, versteht sich. Den Frauen blieben somit "Stillleben" und "Landschaft" vorbehalten, was diese Genres als "Frauenkunst" abwertete.
Doch Philippines größtes Interesse galt dem Porträt und dem Menschen, den sie beim Zeichnen und Malen so intensiv betrachtete. So lernte sie die Lebenssituation von Bäuerinnen und anderen einfachen Leuten kennen, was ihr soziales Gewissen schärfte. Das brachte sie zu Tagungen des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins in Frankfurt: "Die dort gehaltenen Reden und Ansprachen hatten zündend bei mir eingeschlagen." (ebenda, Seite 91)
In der Münchner Pinakothek und in der römischen Kunstschule Circolo Chigi setzte sie ihre Studien fort, ehe die Heirat sie 1880 nach Leipzig führte. Hier verkehrte sie in den führenden Künstlerkreisen und war in verschiedenen Ausstellungen vertreten, so 1892 in der „Ausstellung von Malwerken Sächsischer Künstlerinnen“ im Dresdner Brühlschen Palais. Ihre Porträts des Geographen Löwenberg, der Schauspielerin Borchardt und der Geigerin Miss Edith Robinson hob die Rezensentin der „Neue Bahnen“ rückblickend im Heft 22/1894 besonders hervor. Über ihre Beteiligung in der laufenden Schau Leipziger Künstlerinnen und Künstler schrieb Lina Burger 1894: „Philippine Wolff-Arndt hat zwei flotte Studienköpfe und ein großes Bildnis, einen Herrn mit Cello, ausgestellt. Der Kopf ist eminent geistig und wundervoll getroffen.“ 1897 war sie in der Kunstschau der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung (STIGA) präsent, auf der besonders Bilder von Max Klinger für Diskussionen sorgten, der für sie ein „starker, eigenartiger Künstler“ war und der auch ihre Werke schätzte. Über seine Lebensgefährtin, die Schriftstellerin Elsa Asenijeff bemerkte sie: "Man las ihre Lebensschicksale [...]- sie machte Aufsehen - Unliebsames, solche Selbstentblößung ertrug die Leipziger Gesellschaft schwer. Bald sah man sie unzertrennlich von Klinger. Auch über seine Kunst konnte man von ihr lesen. Und das war gut. Gefiel offenbar auch dem Meister Klinger." (ebenda, Seite 57). Sowohl Max Klinger als auch der Komponist Max Reger kannten und schätzen Philippine Wolff-Arndt und ihre Bilder.
Aus eigener Erfahrung wusste sie, wie schwer es Frauen hatten, die in den Beruf der Künstlerin drängten. Deshalb gründete sie 1896 mit Charlotte Windscheid, geborene Pochhammer den Künstlerinnenverein in Leipzig, war zunächst zweite und bald bis zu ihrem Umzug nach München 1919 erste Vorsitzende. Es wurden Unterrichtskurse angeboten und Ausstellungen arrangiert. 1901 konnte sie den neuen Direktor der Königlichen Akademie für Graphik und Buchgewerbe Max Seliger davon überzeugen, Frauen studieren zu lassen. Denn: "Mir hatte sich die benachteiligte Stellung der Frau gegenüber dem Manne schon von meiner Künstlerlaufbahn her aufdrängen müssen. Von hier aus lernte ich verstehen, wie dringend das Bedürfnis nach einer anders gestalteten Frauenausbildung und damit der Frauenarbeit geworden war und wie die logische Entwicklung dieser Forderungen auch die Forderung der politischen Gleichberechtigung zur Folge haben musste." (ebenda, Seite 91/92)
So wurde durch das Wirken von Philippine Wolff-Arndt die Leipziger Kunsthochschule zur Vorreiterin des Frauenstudiums. Die Malerin, weiter in ihrem Beruf tätig und mit ihren Werken auf Ausstellungen präsent und beachtet, übernahm auch den Vorsitz der Leipziger Ortsgruppe des Vereins für Frauenstimmrecht und gehörte zum Vorstand des Sächsischen Landesvereins im Deutschen Verband für Frauenstimmrecht (Jahrbücher der Frauenbewegung).
Während des Ersten Weltkrieges gehörte sie zu den Mitbegründern der Wirtschaftlichen Vereinigung Bildender Künstler, die unter dem Vorsitz des bekannten Bildhauers Carl Seffner im Thüringer Hof tagte. Als Vorsitzende des Künstlerinnenvereins war sie die einzige Frau im Vorstand und organisierte Hilfe für Notleidende.
1919 zog Philippine Wolff-Arndt mit einem ihrer drei Kinder, der Tochter Constanze, verh. Hallgarten (12.09.1881-25.09.1969) nach München. Constanze Hallgarten hatte dort die Gruppe der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFF) übernommen und war eine der führenden Frauen in der deutschen Friedensbewegung. Ihre beiden Söhne Wolfgang und Richard (Ricki), Philippines Enkel, waren lebenslang befreundet mit den damals in der Nachbarschaft wohnenden Kindern Erika und Klaus der Familie Mann. In München mietete Philippine Wolff-Arndt ein eigenes Atelier und malte weiter. Einige ihrer Werke sind in ihrer Autobiografie abgebildet, doch aus ihrem umfangreichen Werk blieben scheinbar nur das Henriette-Goldschmidt-Bildnis in der gleichnamigen Schule sowie die beiden Ölporträts im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig als von ihrer Hand bekannt erhalten.
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten emigrierten Philippine und Constanze in die Schweiz, dann nach Frankreich. Zunächst wohnten sie in Versailles, später in Paris, wo Philippine Wolff-Arndt 1940 bei einem Bombenangriff umgekommen sein soll.
Werke
- Meine Großmutter, Öl 1872.
- Wasserträger aus der römischen Campagna, Öl, 1878.
- Selbstporträt, Öl, 1879.
- Konzertmeister Heinrich Wolff, 1879.
- Anton Heinrich Wolff, 1885.
- Tochter Constanze, Öl, 1885.
- Henriette Goldschmidt, Öl, 1881, in Besitz der Henriette-Goldschmidt-Schule Leipzig. Nach der Reinigung des Gemäldes 2022 wurde das Entstehungsjahr in 1881 korrigiert.
- Meine drei Kinder, Zeichnung (?), 1886.
- Thomas Manns „Kindchen“, Öl, 1926.
- Frühlingsstrauß, Öl, 1927.
- Im Bestand des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig: Damenporträt, ÖL, o.T., 1900, und Porträt Anna Pauline Andritzschky (1826 -1897), Öl, um 1895.
- In einer Rezension von 1894 erwähnt: Porträts des Geographen Löwenberg, der Schauspielerin Borchardt und der Geigerin Miss Edith Robinson.
- Wir Frauen von einst – Erinnerungen einer Malerin. Verlag Ernst Reinhardt, München 1929.
Adressen in Leipzig
- 1881-1910: Brühl 60
- 1910-1917: Gustav-Adolf-Straße 17, 2. Etage
- 1917-1919 Lessingstraße 22
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Porträt Henriette Goldschmidt, Öl, 1885, in der Henriette-Goldschmidt-Schule Leipzig
- 12.5.2022-3.10.2022 Ausstellung „Unterschätzt. Künstlerinnen in Leipzig um 1900“ im Museum der bildenden Künste Leipzig.
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Neue Bahnen, Nummer 3/1893.
- Lina Burger, Briefe. In: Neue Bahnen, Nummer 22/1894.
- Jahrbücher der Frauenbewegung von 1913, Seite 27 und 1914, Seite 30.
- Berger, Renate: „Und ich sehe nichts als die Malerei“. Autobiographische Texte von Künstlerinnen des 18. bis 20. Jahrhunderts. Fischer Verlag Frankfurt a. M. 1987.
- Rita Jorek, Philippine Wolff-Arndt - Malerin und Vorsitzende des Vereins der Künstlerinnen. In: Leipziger Lerchen, Herausgegeben von der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. 1. Folge. LOUISEum 11. Leipzig 1999.
- Witkowski, Georg: Von Menschen und Büchern. Erinnerungen 1863-1933. Lehmstedt Verlag Leipzig 2010, S. 50.
- http://de.wikipedia.org/wiki/Constanze_Hallgarten [Abruf am 13.08.2014]
- Thieme/Becker (Herausgeber), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, Band 36, Leipzig 1947.
Autorin: Rita Jorek, 2014/2022