Wunder-Fey, Herta - Leipziger Frauenporträts
Herta Wunder-Fey, 1966 © Brigitte Rudolf Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Sport
geboren/ gestorben
4. März 1913 (Leipzig) - 28. Februar 1992 (Leipzig)
Zitat
"Für mich wurde diese Arbeit mit Kindern und Jugendlichen die Erfüllung meines Lebens. Ihnen die Liebe zum Sport anzuerziehen!"
(persönliche Aufzeichnung, Januar 1992)
Kurzporträt
Die 15-jährige Schwimmerin Herta Wunder aus Leipzig war 1928 die jüngste deutsche Teilnehmerin der Olympischen Spiele in Amsterdam. Im Leipziger Carola-Bad stellte sie 1930 und 1931 zwei vielbeachtete Weltrekorde über 500 Meter Brust auf. Ab 1954 führte sie als hauptamtliche Trainerin junge Nachwuchs- und Leistungssportler/-innen bis zu olympischen Erfolgen.
Herkunftsfamilie
- Vater: Otto Wunder (1868-1943), Bauschlosser
- Mutter: Emma, geborene Künzel (1869-1950), Hausfrau
- Brüder:
- Hans (1906-1946), Autoschlosser
- Herbert (1903-1963), Musiker
Biografie
Nach Volksschule und Handelskurs an der Carolaschule & Städtischen höheren Schule für Hauswirtschaft am Johannisplatz erlernte Herta Wunder in der Kommissionsbuchhandlung Carl Fr. Fleischer den Beruf einer Kontoristin.
Sechsjährig wurde sie Mitglied beim 1. Leipziger Schwimmclub "Poseidon" von 1900. Zu ihrer ersten Schwimmstunde trug sie ein weißes Hemdchen und eine Badekappe aus einer halben Fußballblase mit angenähten Bändchen. Schon früh durfte sie an Wettkämpfen teilnehmen, mit 15 Jahren bereits in der Damenklasse. Freistil war ihre bevorzugte Schwimmart. Sie trainierte im Carola-Bad, sommers im Germaniabad, ab 1926 auf der 100-Meter-Bahn im vereinseigenen Poseidon-Bad. 1927 nahm die Presse erstmals von Herta Wunder Notiz. Sie hatte mit zwei Vereinskolleginnen bei einem Ausflug des SC Poseidon nach Grimma einen Kapellmeister vor dem Ertrinken in der Mulde gerettet. In der Freizeit spielte sie Klavier und Akkordeon, machte Handarbeiten und arbeitete im Garten der Familie.
Bei vorolympischen Prüfungswettkämpfen des Deutschen Schwimm-Verbandes im April 1928 empfahl sie sich dem Deutschen Olympischen Ausschuss durch einen 2. Platz als Kandidatin für die Olympischen Spiele. Sie wurde nominiert. Besonders beeindruckt war die 15-Jährige, als ihr die Olympiakleidung - dunkelblaues Kostüm, Baskenmütze, Krawatte und seidener Badeanzug - zugesandt wurde. Sonst trug sie einen wollenen Badeanzug, der nass einige Kilo wog! Sie trainierte zu dieser Zeit frühmorgens 400 Meter, spätnachmittags nochmals 2000 Meter, dazu spielte sie mit ihren Kameraden ausgiebig Tauchhasche. Durch Trainer Hans Erstling vorbereitet, nahm Herta Wunder 1928 als jüngstes Mitglied der deutschen Mannschaft an den olympischen Schwimmwettbewerben in Amsterdam teil und errang mit der 4x100-Meter-Freistil-Staffel der Damen den 4. Platz.
Das Mädchen mit dem Spitznamen "DKW - Das kleine Wunder" war der Liebling der Presse. Eine zweite Chance zur Teilnahme an den Olympischen Spielen 1932 in Los Angeles erhielt sie leider nicht, denn Deutschland konnte infolge der Weltwirtschaftskrise nur eine kleine Delegation entsenden. Sie erzielte jedoch weitere sportliche Erfolge beim Länderkampf gegen Schweden 1928 und bei Deutschen Meisterschaften 1929, 1930 und 1931. Herausragend waren zwei Weltrekorde von Herta Wunder über 500 Meter Brust, geschwommen allein gegen die Uhr auf der wettkampftauglichen 25-Meter-Bahn im Carola-Bad in Leipzig am 18. August 1930 in 8:49,8 Minuten und am 20. August 1931 in 8:32 Minuten. Beide Weltrekorde wurden von der FINA Fédération Internationale de Natation Amateur anerkannt. Deutschlandweit berichtete die Presse. Die Stadt Leipzig würdigte Herta Wunder 1932 bei der Meisterehrung der Turner und Sportler und 1933 verlieh ihr der Oberbürgermeister Carl Goerdeler die Ehrenurkunde der Stadt.
Von 1929 bis 1934 arbeitete Herta Wunder in der Kommissionsbuchhandlung Carl Fr. Fleischer. Sie heiratete am 25. Juni 1934 ihren Sportkameraden Rudolf Fey - Wasserballer und Schwimmer - und noch im selben Jahr wurde Tochter Helga geboren, 1938 Tochter Brigitte. Nach der Auflösung des Schwimmclubs Poseidon 1936 wechselte Herta zum Leipziger Schwimmclub von 1930. Dort unterstützte sie ab 1938 als ehrenamtliche Assistentin von Hans Erstling das Nachwuchstraining. Während des Krieges hielt sie den Schwimmbetrieb als technische Leiterin und Trainerin aufrecht, siegte mehrfach bei den Schwimmvergleichen der Vereine. Früh lernten auch ihre Töchter schwimmen, wurden gewissermaßen im Schwimmbad groß. Als ihr Ehemann 1943 in den Krieg musste, oblag ihr die alleinige Verantwortung für Familie und Eltern.
Nach dem Krieg mussten neue Sportstrukturen aufgebaut werden. Entsprechend den Alliierten Kontrollratsbeschlüssen waren die Turn- und Sportvereine in ganz Deutschland aufzulösen. Die sowjetischen Besatzungsbehörden setzten die Beschlüsse strikt durch und gestatteten schrittweise ab 1946 den kommunalen Sport.
Nach der Gründung der DDR entstanden ab 1950 Sportvereinigungen, Betriebssportgemeinschaften (BSG) und ab 1954 die Sportclubs für den Leistungssport. Herta Fey unterstützte aktiv den Neuanfang, brachte ihre Erfahrungen im Schwimmtraining von Kindern und Jugendlichen ein und war von 1945 bis 1954 durchschnittlich 25 Stunden pro Woche ehrenamtlich in verschiedenen Leipziger Sportgemeinschaften tätig.
Während der Badesaison 1950 bis 1953 arbeitete sie zusätzlich als Schwimmlehrerin im Germaniabad. In ihrer gesamten Trainerlaufbahn lehrte sie etwa tausend Leipziger Kinder das Schwimmen. Sie wandte sich mit großer Hingabe den Heranwachsenden zu. Vorbild war dabei ihr geschätzter Trainer Hans Erstling, der sie seit Beginn ihrer Schwimmlaufbahn sportlich und charakterlich geprägt hatte.
Bis 1955 bestritt Herta Fey noch erfolgreich Wettkämpfe, unter anderem Kreis- und Landesmeisterschaften. Bei den Strommeisterschaften der DDR 1951 wurde sie in der 3000-Meter-Staffel mit neun weiteren Schwimmerinnen, unter ihnen Tochter Helga, Dritte.
1954 begann Herta Feys hauptamtliche Trainertätigkeit im Schwimmsport verschiedener Betriebssportgemeinschaften, ab 1955 bei den Sportclubs Motor Jena, Rotation Leipzig und von 1961 bis zum 60. Lebensjahr beim SC DHfK. Das pädagogische Rüstzeug dafür erarbeitete sie sich autodidaktisch. Sie kümmerte sich um die schulische und berufliche Entwicklung der jungen Schwimmer, hielt Kontakt zu den Eltern. Ihr Ehemann war nach Erwerb des Trainerdiploms 1957 bei den Nachwuchswasserballern des Sportclub Leipzig gleichfalls als Trainer tätig. In den 1950er/1960er Jahren trainierte und betreute Herta mit großem Einfühlungsvermögen Nachwuchs- und Spitzenschwimmer, wurde als Trainerin für Länderkämpfe, Europameisterschaften und in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1960 und 1964 als Nationalmannschaftstrainerin berufen. Zudem wirkte sie ehrenamtlich in verschiedenen Gremien des Schwimmsports. Der Deutsche Turn- und Sportbund zeichnete sie 1966 mit dem Ehrentitel "Verdienter Meister des Sports" aus. Der SC DHfK würdigte Herta Fey mit seiner höchsten Auszeichnung, der Ehrenplakette in Gold.
Als 1988 die "DDR-Sportler des Jahres" gekürt wurden, unter ihnen die 6-fache Leipziger Olympiasiegerin im Schwimmen, Kristin Otto, waren auch Olympioniken von 1928 zu Gast: Ewald Riebschläger und Herta Fey. Ewald, der 1928 Fünfter im Turm- und Sechster im Kunstspringen war, sprang 1988 nicht mehr vom Turm, aber Herta ging im Sommer noch immer fast täglich "nach dem Zähneputzen" im Elster-Saale-Kanal schwimmen.
Adressen in Leipzig
- 1913-1966: Zeitzer Straße 47 (heute: Karl-Liebknecht-Straße)
1966-1992: Richard-Wagner-Straße 14
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- 1991 war Herta Fey Gründungsmitglied des Fördervereins Sächsisches Sportmuseum Leipzig e. V. Teile ihres sportlichen Nachlasses wurden durch Ehemann Rudolf Fey und Tochter Brigitte Rudolf an das Sportmuseum Leipzig übergeben.
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Leipzig geht baden: Vom Pleißestrand zum Neuseenland. Hrsg.: Förderverein Sächsisches Sportmuseum Leipzig e. V. und Stadtgeschichtliches Museum Leipzig/Sportmuseum Leipzig. Leipzig 2004.
- Stöbe, Karin: Schwimmwunder an der Pleiße - von Herta Wunder bis Kay Espenhayn. In: Leipzig sportlich: Das Sportleben der Stadt in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Leipzig 2002. Seite 71-76.
- Stöbe, Karin: Immer "nah am Wasser gebaut": Schwimmer, Wasserballer, Trainer und Fördervereinsmitglied Rudolf Fey wurde 90. In: Sportmuseum aktuell. Leipzig 9 (2001) 3. Seiten 15-16.
- Kluge, Volker: Olympische Sommerspiele: Die Chronik. Band 1, Athen 1896-Berlin 1936. Berlin 1997. Seiten 653-654.
- 100 Jahre Deutscher Schwimm-Verband: Eine Dokumentation. Herausgeber: Deutscher Schwimm-Verband Wirtschaftsdienst GmbH. Dortmund [1986].
- http://museum.zib.de/sgml_internet/.../
Autorin: Ingeburg Zeidler, 2014