Zeigner-Ebel, Wanda Emmy (geborene Ebel) - Leipziger Frauenporträts
Wanda Zeigner-Ebel als junge Frau © Familie Abt, Bad Homburg Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Kunst
geboren/ gestorben
19. April 1894 (Hamburg) - 6. Mai 1970 (Leipzig)
Zitat
"Indessen bemühe ich mich aber trotzdem meiner Berufung treu zu bleiben und hoffe, mit der Zeit, doch noch einmal wieder etwas Gutes zu leisten!"
(Wanda Zeigner, Lebenslauf, 1946)
Kurzporträt
Wanda Zeigner-Ebel ist eine vergessene Leipziger Künstlerin, die wegen ihrer bedeutenden Leistungen als Illustratorin, besonders der Märchen von Hans Christian Andersen und des "Sneewittchen" der Brüder Grimm, und Kunststickerin hiermit wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wird.
Herkunftsfamilie
- Vater: Gustav Ebel (1860 Dehre-1907 Hamburg), Schneidermeister
- Mutter (2. Ehefrau von Gustav Ebel): Karoline, geborene Ehrhorn (1866 Barum, Braunschweig - ? Hamburg)
- Bruder: Walter Ebel (1895-1966), Bankangestellter in Hamburg
- Schwester: Elisabeth, genannt Lizzy, verheiratete Abt (? - ?)
Biografie
Wanda Ebel wurde in der Familie eines Schneiders in Hamburg geboren. Von 1908 bis 1912 besuchte sie dort die Gewerbeschule für Mädchen, belegte mehrere künstlerische Kurse sowie die Fächer Sticken, Entwerfen, Kostümkunde und -zeichnen. 1912 bis 1916 folgten Fachkurse für Holzschnitt, Buchbinden und Lithographie an der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe zu Leipzig (heute: Hochschule für Grafik und Buchkunst). An der Hochschule hatte Wanda Ebel Fritz Zeigner, den älteren Bruder des SPD-Politikers Dr. Erich Zeigner, kennengelernt. 1915 wurde Fritz als Soldat zum Heeresdienst eingezogen und beide nutzten einen kurzen Urlaub, um am 24. Dezember 1915 standesamtlich in Leipzig zu heiraten. 1916 wurde Fritz Zeigner in der Schlacht an der Somme schwer verwundet. Seine junge Ehefrau erhielt die außergewöhnliche Erlaubnis, ihren Mann im Feldlazarett St. Quentin (Frankreich) zu besuchen. Nach dem Aufenthalt hinter der Front und dem Tod ihres Mannes erlitt Wanda einen Nervenzusammenbruch. Zunächst konnte sie ihre Arbeit fortsetzen, künstlerische Meisterschaft und Produktivität steigerten sich und sie war an den ersten Grassimessen beteiligt: "Im Goldenen Zeitalter der Buchkunst schufen innovative Künstler wie Wanda Zeigner-Ebel farbenprächtige, einzigartig gestaltete Kinderbücher.", schrieb Noel David 2011. Dr. Marie Schuette, Kustodin am Museum für Kunstgewerbe Leipzig (heute: Museum für Angewandte Kunst), erinnerte an sie als die "bedeutendste deutsche Stickerin" (1935).
Ab 1920 nahmen Wahnvorstellungen und Anfälle zu. Die Künstlerin musste sich in klinische Behandlung begeben; ihr Leidensweg durch psychiatrische Anstalten in Leipzig, Jena und Hamburg begann. Der Psychiater Richard Pfeifer beschrieb den Fall Wanda Z. als den einer Hochbegabten mit psychischer Störung. Nach Besserung ihres Zustandes gelang es Erich Zeigner 1936, seine Schwägerin im Marienheim Leipzig unterzubringen, einer kirchlichen Einrichtung für alleinstehende Frauen. Sie betätigte sich wieder als Kunstgewerblerin, fertigte aber nur kleinere Stickarbeiten. Diese Arbeiten wiesen noch Farbigkeit, originelle Gestaltung und meist heitere Motive aus; die frühere künstlerische Leistungsfähigkeit stellte sich jedoch nicht wieder ein. 1970 starb Wanda Zeigner-Ebel im Marienheim. Zu diesem Zeitpunkt war sie als Künstlerin vergessen. Sie ist in keinem Nachschlagewerk verzeichnet, weder im Künstlerlexikon Thieme/ Becker noch im Vollmer. Nur Marie Schuette, die als Textilkuratorin Zeigner-Ebel gefördert hatte, und der Neffe Klaus Abt, Medizinstatistiker, sammelten Zeugnisse ihres Schaffens.
Die Hochbegabung Wanda Zeigner-Ebels zeigte sich vor allem auf zwei Gebieten, auf denen sie Meisterwerke schuf: Märchenillustrationen und Stickereien. Als Hauptwerk ihrer Stickkunst gelten Decken für einen Sessel, die sich zeitweilig im Museum für Kunstgewerbe und in der Wohnung Erich Zeigners befanden, heute aber verschollen sind.
Die Illustrationen zu Andersens Märchen zeichnen sich durch eine starke Farbigkeit und originelle Bildfindungen für Figuren und Situationen aus. Sie erregten schon unter den Zeitgenossen Aufsehen.
In einer Rezension feiert Willi Münch enthusiastisch die "überirdischen Farben, den rätselhaft mystischen Stil und die naive Sinnenlust des Meisterwerkes". Die Künstlerin habe die anderen Meister der Kinderbuch-Illustration Kreidolf und Dulac übertroffen. Noch expressiver erscheint die Kraft der Farben in Wandas "Sneewittchen" der Brüder Grimm. Entsprechend größer war das Echo.
Es ist eine Sammlung von rund 30 Rezensionen aus den Jahren 1920/21 überliefert, die die junge Künstlerin auf eine Stufe mit Ludwig Richter und Heinrich Vogeler stellen.
Eine wichtige Rolle in der Entwicklung Wanda Zeigner-Ebels spielte die Freundschaft mit dem Architekten Hugo Wach (1872-1939). Äußerlich waren der stattliche, wesentlich ältere Wach und die körperlich kleine Wanda ein ungleiches Paar. Beide verband aber eine ernste Leidenschaft für die Kunst und ein ästhetisches Verhältnis zur Wirklichkeit. Die enge Arbeitsbeziehung bestand nur wenige Jahre und es existieren nur wenige Belege. Wachs Spezialität war der Umbau von älteren Landhäusern zu Villen. Bei der Umgestaltung der Villa seines Bruders Felix Wach in Radebeul war Wanda mit zwei vergoldeten Teetischchen beteiligt. Für ein Landhaus in Potsdam schuf sie dekorative Wandgemälde. Alle diese Schöpfungen sind leider verschollen.
Seit 2000 tauchen Wandas Märchenillustrationen aus dem Vergessen wieder auf, begünstigt von den Möglichkeiten des Internets. Seit Jahren schwebt Zeigner-Ebels "Kleine Meerjungfrau" neben Schöpfungen moderner Künstler durch den Cyberspace, so wie es W. Münch schon 1920 beschrieben hatte: "Sehet die Seejungfer, Rhythmus, glühend-kühl funkelnde Farben des tiefen Meeres."
Auch die Fachliteratur wurde inzwischen aufmerksam. Regina Freyberger hat in ihrer Motivgeschichte der Illustrationen zu den Grimmschen Märchen die Spezifik von Zeigner-Ebels Bildern betont: "Die Interpretation bäuerlicher Ornamentik wird besonders bei W. Zeigner-Ebels Schneewittchen von 1920 deutlich, in der die Figuren, Pflanzen und sogar die Räume wie Ornamente in die Fläche aufgelöst werden. Die Formen erinnern gerade in ihrer Farbigkeit an russische Volkskunst: Schneewittchen mit ihren auffällig roten Backen zum Beispiel an die noch heute populären Matroschkas. Gerade in der dritten Bildtafel zeigt sich dann die Orientierung Zeigner-Ebels an der Volkskunst auch in der Detailausführung des Mobiliars: denn das dargestellte Bett und die große Schwarzwälder Schilduhr sind in ihrem bunten Anstrich und dem sich regelmäßig wiederholenden ornamentalen Muster mit Herzen und Rosen deutlich an der Bauernmalerei geschult."
Schließlich hat Noel Daniel 2011 mit einem Nachdruck Zeigner-Ebels "Sneewittchen" dem heutigen Leser wieder nahegebracht.
(Vorstehender Beitrag ist die überarbeitete, gekürzte Fassung des Aufsatzes in der Zeitschrift "Aus dem Antiquariat", siehe unten.)
Werke
Illustrationen
- zwei Hauptwerke: Andersens Märchen in zwei Ausgaben:
- Ausgabe A
Andersens Märchen. Nach dem dänischen Original bearbeitet von Karl Henniger. Mit zwölf farbigen Bildern von Wanda Zeigner-Ebel, Verlag Abel & Müller, Leipzig ohne Jahr [1920], 319 Seiten, Druck von E. Haderland Leipzig. Eine Zweite Auflage wurde in einer anderen Druckerei hergestellt. - Ausgabe B (weniger Seiten, nur 10 Bilder, kleineres Format):
Andersens Märchen. Nach dem dänischen Original bearbeitet von Karl Henniger. Mit 10 [zehn] farbigen Bildern von Wanda Zeigner-Ebel, Abel & Müller, Leipzig ohne jahr [1920], 276 Seiten, Druck von Julius Brandstetter, Leipzig. - Ausländische Ausgabe
Niederlande: ANDERSEN, H. C. - De Sprookjes van Andersen naar het Deensch bewerkt door Ph. R. F. C. de Bruijn. Met twaalf [zwölf] gekleurde plates van Wanda Zeigner-Ebel, W. J. Thieme & Cie./Zutphen, linn., 311 Seiten.
- Ausgabe A
- Sneewittchen. Ein Märchen von Gebrüder Grimm. Mit Bildern von Wanda Zeigner-Ebel, Gerhard Stalling, Oldenburg i. O. 1920, Quer-4°, Pappband, 6 ungezählte Blätter = Nürnberger Bilderbücher-Verlag Gerhard Stalling Oldenburg i. O. [17] Nachdruck mit den Illustrationen von Wanda Zeigner-Ebel in: Die Märchen der Brüder Grimm, Herausgegeben von Noel Daniel, Taschen Verlag, Köln 2011, Seiten 184-199.
- Das Märchenschloß von Edith an Haack. Buchschmuck und Bilder von Wanda Ebel-Zeigner, Verlag Rainer Wunderlich, Leipzig 1920, Pappband, 164 Seiten (Von diesem Buch erschien eine einmalige Vorzugsausgabe von 20 nummerierten Exemplaren, die von der Verfasserin sowie von der Künstlerin signiert sind. Diese Ausgabe wurde von Franz Dathe eigenhändig gebunden.)
- Rothmund, Toni: Das Haus zum kleinen Sündenfall. Roman. Leipzig /Philipp Reclam jun., ohne Jahr [circa 1920], Zeichnungen auf Bildtafeln von Wanda Ebel ("Wanda Ebel zeichnete die gesamte Ausstattung"), 239 Seiten, Halbpergamenteinband mit goldgeprägtem Titel/ Rücken und goldgeprägten Illustrationen, Farbkopfschnitt und Buntpapiervorsatz.
Gemälde:
- Porträt Fritz Zeigner, Blumenbilder und Stillleben.
Stickereien (Auswahl):
- Noch in Hamburg entstanden die ersten Entwürfe, die in Fachzeitschriften veröffentlicht wurden: ein Wandschirm; Motiv Giftpflanzen, Schwarz und farbige Wolle auf Weiß, Abbildung in: Stickerei-Zeitung und Spitzen-Revue. Zeitschrift zur Förderung der Stickerei- und Spitzen-Industrie und der künstlerischen Frauen-Handarbeit, Herausgeber Hofrat Alexander Koch, XIII. Jahrgang, Heft 6, Darmstadt, 1. März 1913, Seiten 169/170.
- Deckel einer Schmuck-Kassette in Gold-Stickerei, Motiv Prinzessin und Mohr.
- Eine gekurbelte Tischdecke, Motiv Jagd, schwarz und grün.
Schriftliches:
- Zeigner-Ebel, Wanda: Sticken, in: Handwerkliche Kunst in alter und neuer Zeit, Hrsg. vom Deutschen Werkbund, Verlag Hermann Rechendorf, Berlin 1920, Seite 44/5 = Jahrbücher des Deutschen Werkbundes, Band 6. (Die Autorin fordert darin Frauen auf, es mutig mit eigenen Stickereien zu versuchen.)
Außerdem Exlibris, Figuren für die Aufführung von Weihnachtsmärchen am Leipziger Theater, Einladungskarten und andere graphische Arbeiten
Adressen in Leipzig
- 1915: Zschochersche Straße 21 bei Zeigner
- ab 1920: Nervenklinik Universität Leipzig und Heilanstalt Dösen (mit Unterbrechungen)
- 1936-1970: Marienheim, Marienstraße 14 (seit 1949: Chopinstraße)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Sonderausstellung: "Der Architekt und die Künstlerin. Hugo Wach und Wanda Zeigner-Ebel", Schloßmuseum Murnau, Schloßhof 2 - 5, 82418 Murnau am Staffelsee, (10. Dezember 2015) bis 28. Februar 2016, www.schlossmuseum-murnau.de
Es handelt sich um die erste öffentliche Teil-Ausstellung zu Leben und Werk Wanda-Zeigner Ebels nach fast 100 Jahren, Ausstellungsprospekt und erste Pressestimmen können zur Verfügung gestellt werden. - Seit Oktober 2016 Eintrag des Namens von Wanda Zeigner-Ebel auf der Grabplatte des Familiengrabs Zeigner (Südfriedhof Leipzig), in dem auch ihre Urne beigesetzt ist
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
Literatur:
- Reineke, Eva/Hötzel, Manfred: Hugo Wach (1872-1939) und Wanda Zeigner-Ebel (1894-1970).
- Spuren einer Künstlerfreundschaft, in: Aus dem Antiquariat, Zeitschrift für Antiquare und Büchersammler, Neue Folge, 12. Jahrgang, Frankfurt am Main 2014, Nr. 3/4, Seiten 156-161, Abbildung.
- Zu Wach siehe auch: Reineke, Eva: Hugo Carl Cornelius Wach (1872-1939). Spurensuche in Murnau, in: Schriften des Historischen Vereins Murnau am Staffelsee e. V., 28. Jahrbuch, 2011, H. 28, Seiten 155-192.
Quellen:
- Museum für angewandte Kunst Leipzig (Grassimuseum): Personendokumentation Zeigner, Wanda
- Sammlungsobjekte: Fotos von Details des gestickten Stuhls (Scharz-Weiß-Abzüge von Negativen)
- Buntstickereien (Dias)
- Stadtarchiv Leipzig: Krankenhaus Dösen: Wanda Zeigner-Ebel, Kunstmalerin
Zeitgenössische Rezensionen zum Schaffen Wanda Zeigner-Ebels:
- Willi Münch-Khe: Des Deutschen Kindes Bücher. Originalausriss einer badischen (Khe. = Karlsruhe ) Zeitung vom Januar 1921 liegt vor. Eine genauere Zuordnung konnte noch nicht erfolgen.
- Rezensionen zu Grimms Sneewittchen erschienen in bekannten Tageszeitungen (Frankfurter Zeitung, Münchener Post, Hamburger Nachrichten) und in Fachzeitschriften (Bayerische Lehrerzeitung, Nürnberg; Westdeutsche Lehrerzeitung, Köln; Illustrierte Schweizer Schülerzeitung, Bern). Sammlung Klaus Abt, Bad Homburg.
Zu Wanda Zeiger-Ebels Erkrankung:
- Pfeifer, Richard Arwed: Der Geisteskranke und sein Werk. Eine Studie über schizophrene Kunst, Alfred Kröner Verlag, Leipzig 1923, Seiten 75-85.
Zu Dr. Marie Schuette, Kustodin für Textil am Museum für Kunstgewerbe Leipzig:
- Grönwoldt, Ruth: Marie Schuette+, in: Kunstchronik, 29. Jahr, Oktober [19]76, Herausgegeben vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, Seiten 356-358.
Zum Neffen von Wanda Zeigner-Ebel:
- Klaus Abt, *1927, Dr. math. stat., Sohn von Georg und Lizzy Abt, geboren Ebel (Schwester von Wanda Zeigner-Ebel); Medizinstatistiker; siehe auch Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender 1976, Herausgegeben von Werner Schuler, Zwölfte Ausgabe, Teil A-M, Walter de Gruyter, Berlin - New York 1976, Seite 6.
Autor: Dr. Manfred Hötzel, 2015