Schilling, Helene Martha - Frauen in der Leipziger Politik
geboren/ gestorben
29. Januar 1887 (Prießnitz bei Borna) - 8. Dezember 1928 (Borsdorf)
Partei
USPD
Rolle im Stadtrat
- In der USPD-Fraktion war sie insbesondere für die Kinder- und Jugendfürsorge zuständig und kämpfte für die von der USPD geforderte Kommunalisierung der dafür in der Stadt bestehenden Einrichtungen.
- 1922 trat sie der VSPD bei. Bei den Landtagswahlen 1922 wurde sie in den Sächsischen Landtag gewählt, dem sie bis 1928 angehörte.
- Sie gehörte dem linken Flügel der SPD-Landtagsfraktion an.
- Sie war Mitglied des Aufsichtsrates des Landeswohlfahrts- und Jugendamtes, seit 1926 auch des Aufsichtsrates der Landessiedlungsgesellschaft "Sächsisches Heim". Sie engagierte sich im Landtag für soziale Arbeit, Wohlfahrtspflege, sowie Frauen-, Schwangeren-, Wöchnerinnen- und Säuglingsschutz und setzte sich unter anderem für eine "vernünftige Geburtenregelung" sowie Ehe- und Sexualberatungsstellen ein. Angesichts der Tatsache, dass der Reichstag eine Änderung des Paragraphen 218 ablehnte, zielte diese Arbeit vor allem auf eine einfühlsame Sexualaufklärung für Arbeiterfrauen und die kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln an sie. Zudem war sie Mitglied des Haushaltsausschusses.
- Soziale Arbeit bestimmte in ihrere Arbeit als Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Sachsen auch ihr Engagement in der SPD.
Porträt
Martha Schilling (geborene Nebel) wurde am 29. Januar 1887 in Prießnitz bei Borna geboren. Sie arbeitete nach der Schule in einer Weißnähstube, war zugleich politisch interessiert und trat schon 1906 der SPD bei. Die Arbeit gab sie nach ihrer Heirat mit Erich Schilling (1882-1962) im Jahr 1911 auf; 1915 wurde ihr einziger Sohn Herbert Erich geboren. 1917 wechselte Martha Schilling zur USPD, für die sie im Januar 1919 in das Stadtverordnetenkollegium in Leipzig gewählt wurde, dem sie bis zum 24. Januar 1923 angehörte. Dort arbeitete sie in den Ausschüssen für Jugendfürsorge, Wohlfahrtspflege, Schule und Stiftungswesen mit. In der USPD-Fraktion war sie insbesondere für die Kinder- und Jugendfürsorge zuständig und kämpfte für die von der USPD geforderte Kommunalisierung der dafür in der Stadt bestehenden Einrichtungen. Sie trat zudem für eine Erhöhung der Verpflegsätze für Zieh- und Waisenkinder, der städtischen Unterstützung der Volkskindergärten sowie die Vermehrung der Mutterberatungsstellen ein, mit denen die Säuglingssterblichkeit in der Stadt zurückgedrängt werden sollte. Martha Schilling kämpfte ganz im Sinne der USPD gegen die Leipziger Fürsorgepraxis, die Zuwendungen abhängig von individueller Betreuung vorsah, und zielte vor allem auf eine rechtlich gesicherte Zuwendung, die nicht im Ermessen von Ausschüssen und Armenpflegern liegt.
1922 trat sie der VSPD bei. Bei den Landtagswahlen 1922 wurde sie in den Sächsischen Landtag gewählt, dem sie bis 1928 angehörte.
Anders als ihr Ehemann, der in der Zwischenkriegszeit als Leipziger ADGB-Vorsitzender und Chefredakteur der Sächsischen Gewerkschaftszeitung die von der rechten SPD-Fraktionsmehrheit gebildete Regierung der großen Koalition unterstützte , gehörte Martha Schilling dem linken Flügel der SPD-Landtagsfraktion an.
Sie verweigerte zusammen mit weiteren 14 Landtagsabgeordneten der SPD der vom rechten Sozialdemokraten Max Heldt im Januar 1924 gebildeten Koalitionsregierung aus SPD, DDP und DVP die Zustimmung, weil Heldt damit offen gegen die Beschlüsse des Landesparteitages der SPD verstoßen hatte.
Sie war Mitglied des Aufsichtsrates des Landeswohlfahrts- und Jugendamtes, seit 1926 auch des Aufsichtsrates der Landessiedlungsgesellschaft "Sächsisches Heim". Sie engagierte sich im Landtag für soziale Arbeit, Wohlfahrtspflege, sowie Frauen-, Schwangeren-, Wöchnerinnen- und Säuglingsschutz und setzte sich unter anderem für eine "vernünftige Geburtenregelung" sowie Ehe- und Sexualberatungsstellen ein. Angesichts der Tatsache, dass der Reichstag eine Änderung des Paragraphen 218 ablehnte, zielte diese Arbeit vor allem auf eine einfühlsame Sexualaufklärung für Arbeiterfrauen und die kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln an sie. Zudem war sie Mitglied des Haushaltsausschusses A.
Soziale Arbeit bestimmte als Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Sachsen auch ihr Engagement in der SPD. Sie wurde von der SPD zu den Parteitagen in Heidelberg 1925 sowie Kiel 1927 delegiert und nahm im August 1928 am Dritten Kongress der Sozialistischen Arbeiter-Internationale in Brüssel teil.
Am 8. Dezember 1928 verunglückte sie tödlich vor dem Bahnhof Borsdorf. Aus Dresden per Bahn in Borsdorf ankommend, bemerkte sie nicht, dass der Zug nicht im Bahnhof, sondern davor gehalten hatte. Beim Aussteigen wurde sie von einem Personenzug in der Gegenrichtung erfasst und erlitt dabei so schwere Verletzungen, dass sie noch vor Ort verstarb. Am 12. Dezember 1928 wurde sie im Beisein einer großen Zahl von SPD-Mitgliedern auf dem Südfriedhof in Leipzig beigesetzt. An der Beisetzung nahmen auch Vertreter der bürgerlichen Parteien, von den Demokraten bis zu den Deutschnationalen, teil. Das weist darauf hin, dass ihre Arbeit parteiübergreifend Respekt gefunden hatte.
Thomas Höpel, 2018
Quellen
Literatur
- Thomas Adam, "Erich Schilling (1882-1962). 'Es kommt nicht auf ... den Wortschwall von Einheit und Brüderlichkeit an...'", in: Michael Rudloff/ Mike Schmeitzner (Herausgeber), "Solche Schädlinge gibt es auch in Leipzig". Sozialdemokraten und die SED, Frankfurt am Main 1997, Seite 189, 190.
- Paul Brandmann, Leipzig zwischen Klassenkampf und Sozialreform: Kommunale Wohlfahrtspolitik zwischen 1890 und 1929, Köln/ Weimar/ Wien 1998, Seite 408 und folgende.
- Herbert Kaiser/ Bärbel Sanchez/ Mohamed Ahmad (Herausgeber), ... mehr arbeiten und noch mehr darben ...? Arbeiteralltag im Leipzig der zwanziger Jahre, Leipzig 1996, Seite 94.
- Mike Schmeitzner/ Michael Rudloff, Geschichte der Sozialdemokratie im Sächsischen Landtag, Dresden 21998, Seite 89.
Archive
- Hauptstaatsarchiv Dresden, 10693 Volkskammer/ Landtag des Freistaates Sachsen 1919 - 1933, Nummer 3854.
- Stadtarchiv Leipzig: Leipziger Stadtverordnete 1919-1935, Ausarbeitung des Bundes der Antifaschisten e.V. Leipzig 1997.
- Stadtarchiv Leipzig, Stadtverordnetenakten, Nummer A 5, Band 10, Blatt 239: Sitzung des Verfassungs- und Stiftungsausschusses mit Mitgliedern des Kollegiums im Ausschuss für Jugendfürsorge, Leipzig, 23. September 1921.
Gedruckte Quellen
- Leipziger Volkszeitung, Nummer 287, 10. Dezember 1928: "Tragischer Tod einer unserer Besten".
- Leipziger Volkszeitung, Nummer 290, 13. Dezember 1928: "Abschied von Martha Schilling".
- Martha Schilling, "Jugendfürsorge", in: Hermann Liebmann, Zweieinhalb Jahre Stadtverordnetentätigkeit der USP, in Leipzig, Leipzig 1921, Seite 92-96.
- Verhandlungen der Stadtverordneten zu Leipzig im Jahre 1919, 1928.
- Verhandlungen des Sächsischen Landtages, 3. Wahlperiode 1926/27, 1. Band, Dresden 1927, Seite 607, 614.
- Verwaltung der Stadt Leipzig 1922, Seite 19-25, 28, 29.