Schult, Karoline Johanna Martha - Frauen in der Leipziger Politik
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geboren/ gestorben
21. Februar 1887 (Leipzig) - 8. Oktober 1969 (Leipzig)
Ausbildung
Johanna Henniger besuchte die Volksschule.
Gesellschaftliches Engagement
1907 trat sie in die SPD ein und engagierte sich dort für Jugendarbeit. Im Ersten Krieg intensivierte sie ihre ehrenamtliche Mitarbeit in der SPD.
Partei
SPD
Rolle im Stadtrat
Sie trat 1917 mit der Mehrzahl der Leipziger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zur USPD über und wurde bei der Gemeindewahl vom 26. Januar 1919 für die USPD in das Stadtverordnetenkollegium gewählt. Dort arbeitete sie hauptsächlich in den Ausschüssen für Armenfürsorge, Wohlfahrt und Schule. Sie war in der USPD-Fraktion vor allem für Armenpflege zuständig. Im Februar 1919 wurde sie in den gemischten Ausschuss für das Armendirektorium gewählt und brachte mit Nachdruck die wohlfahrtspolitischen Interessen der linken Sozialdemokratie in den kommunalen Gremien zur Geltung. Insbesondere kämpfte sie dort dafür, mehr Arbeiter als ehrenamtliche Armenpfleger zu berufen, um die bürgerliche Monopolstellung in diesem Bereich zu durchbrechen. Sie beantragte im November 1921 erfolgreich, dass Armenpfleger künftig nicht mehr durch Kooptation der bürgerlichen Armenpfleger in den Armendistrikten gewählt werden, sondern durch die Stadtverordneten und die Einwohner des jeweiligen Fürsorgedistriktes. Zudem trat sie für eine individuellere Betreuung und die Erhöhung der Unterstützungssätze für Bedürftige ein.
Porträt
Johanna Henniger (geborene Henniger) wurde am 21. Februar 1887 in Leipzig als Tochter eines Tischlers geboren. Als sie vier war, starb ihre Mutter und sie wie auch ihre zwei Brüder kamen ins Waisenhaus, bis sie von Pflegeeltern in Sellerhausen aufgenommen wurde. Ihr Pflegevater Wilhelm Schütze war Markthelfer. Ihre Pflegemutter war genau wie sie als elternlose Waise in Privatpflege aufgewachsen, was das Verständnis für die Situation von Johanna Henniger erleichterte.
Johanna Henniger besuchte die Volksschule und arbeitete danach ein Jahr als Dienstmädchen. Sie besuchte dann einen Halbjahreskurs für Büroarbeiten und war bis zu ihrer Heirat mit dem Tischler Albert Schult im Jahr 1906 als Bürogehilfin tätig.
1907 trat sie in die SPD ein und engagierte sich dort für Jugendarbeit. Im Ersten Krieg intensivierte sie ihre ehrenamtliche Mitarbeit in der SPD.
Ihr Mann, der sofort nach Kriegsbeginn eingezogen worden war, wurde 1916 als vermisst gemeldet. Johanna Schult musste sich fortan allein um ihre drei Kinder kümmern. Obwohl ihr jüngstes Kind erst drei war, nahm sie am 1. September 1917 als Fernsprechgehilfin Aushilfsarbeit bei der Reichspost an, da mit der Kriegsrente von 75 Mark monatlich der Lebensunterhalt für sie und ihre drei Kinder nicht bestritten werden konnte.
Sie trat 1917 mit der Mehrzahl der Leipziger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zur USPD über und wurde bei der Gemeindewahl vom 26. Januar 1919 für die USPD in das Stadtverordnetenkollegium gewählt. Dort arbeitete sie hauptsächlich in den Ausschüssen für Armenfürsorge, Wohlfahrt und Schule. Sie war in der USPD-Fraktion vor allem für Armenpflege zuständig. Im Februar 1919 wurde sie in den gemischten Ausschuss für das Armendirektorium gewählt und brachte mit Nachdruck die wohlfahrtspolitischen Interessen der linken Sozialdemokratie in den kommunalen Gremien zur Geltung. Insbesondere kämpfte sie dort dafür, mehr Arbeiter als ehrenamtliche Armenpfleger zu berufen, um die bürgerliche Monopolstellung in diesem Bereich zu durchbrechen. Sie beantragte im November 1921 erfolgreich, dass Armenpfleger künftig nicht mehr durch Kooptation der bürgerlichen Armenpfleger in den Armendistrikten gewählt werden, sondern durch die Stadtverordneten und die Einwohner des jeweiligen Fürsorgedistriktes. Zudem trat sie für eine individuellere Betreuung und die Erhöhung der Unterstützungssätze für Bedürftige ein.
Auch aufgrund ihrer persönlichen Situation war sie für diese Probleme in besonderem Maße sensibilisiert. Neben ihrer Stadtverordnetenarbeit war sie weiter bei der Reichspost tätig, zuerst als Postaushelferin, seit 1922 dann als Telegraphengehilfin und schließlich als Telegraphenbetriebsassistentin.
Johanna Schult war auch Mitbegründerin der Leipziger Arbeiterwohlfahrt, die in Leipzig erst 1923 entstand, als sich ein Ortsausschuss konstituierte, deren Vorsitz sie jahrelang angehörte. Die Arbeiterwohlfahrt beteiligte sich nicht an einer parteiübergreifenden pragmatischen Zusammenarbeit aller Wohlfahrtsverbände, weil die Leipziger Sozialdemokraten eine Kommunalisierung der Wohlfahrt forderten und die "Privatwohltätigkeit" ablehnten. Erst 1928 kam es zu einer Zusammenarbeit mit dem kirchlichen "Stadtverein für Innere Mission" im Bereich der Jugendfürsorge. Die Arbeiterwohlfahrt gewann damit an Bedeutung, fächerte ihre Tätigkeit immer weiter auf und entwickelte sich "von einem Hilfsorgan der öffentlichen Wohlfahrtspflege zu einer sozialistischen Selbsthilfeorganisation, die den bürgerlich-konfessionellen Verbänden gleichberechtigt zur Seite stand".
Nachdem Martha Schilling Ende 1923 das Stadtverordnetenkollegium verlassen hatte, wandte sich Johanna Schult verstärkt dem Feld der Jugendfürsorge zu. Sie vertrat hierbei ebenfalls die Leipziger SPD-Position, dass die Jugendfürsorge vor allem auf kommunaler Basis zu stehen hätte und städtische Mittel nicht für private Einrichtungen verausgabt werden sollten, weil dort oft die Arbeitsbedingungen der Angestellten und die Unterbringung und Betreuung der Kinder unzulänglich wären. Am 2. Februar 1927 wurde sie als erste Vertreterin der SPD zur unbesoldeten Stadträtin gewählt. Sie intensivierte in dieser Funktion ihr Engagement für die Armenpflege, arbeitete zudem in den Ausschüssen für Jugendfürsorge, Gesundheitspflege, Personalsachen, Wohlfahrt, höhere Schulen und Wohnungswesen mit. Sie war zudem Mitdezernentin der Städtischen Brotbäckerei.
Bei den Wahlen am 5. Februar 1930 und 25. Januar 1933 wurde sie jeweils wiedergewählt. Allerdings musste sie 1933 ihre Tätigkeit schon bald aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit aufgeben. Die Nationalsozialisten lösten das Stadtverordnetenkollegium Anfang April auf und bildeten es gemäß des Gleichschaltungsgesetzes vom 31. März 1933 nach dem Ergebnis der Reichstagswahlen vom 5. März 1933 um. Da die kommunistischen Mandate kassiert wurden, besaßen die Nationalsozialisten in dem neuen Stadtverordnetenkollegium eine Mehrheit: sie erhielten 26 der 53 Sitze. Diese nutzten sie aus, um die ehrenamtlichen Stadträte künftig nicht mehr nach dem Verhältnis- sondern nach dem Mehrheitswahlrecht zu bestimmen, wodurch die Sozialdemokraten keinen ehrenamtlichen Stadtratsposten mehr erhielten.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs trat Johanna Schult erneut der SPD bei und war Frauenleiterin in der Ortsgruppe Großpösna.
Johanna Schult starb im Alter von 82 Jahren am 8. Oktober 1969 in Leipzig.
Thomas Höpel, 2018
Quellen
Literatur
- Paul Brandmann, Leipzig zwischen Klassenkampf und Sozialreform: Kommunale Wohlfahrtspolitik zwischen 1890 und 1929, Köln/ Weimar/ Wien 1998, Seite 268, 424-427.
Archive
- Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 21120, SPD-Bezirksvorstand Leipzig, Nummer 17, Blatt 14: SPD-Ortsgruppe Großpösna an die SPD Bezirk Leipzig, Großpösna, 16. März 1946.
- Stadtarchiv Leipzig, AFSA, Nr. 108, Bl. 65: Beschluss des Armendirektoriums vom 6. Dezember 1921.
- Stadtarchiv Leipzig, Fotoarchiv: Nummer 2014/44092.
- Stadtarchiv Leipzig, Kapitel 6, Nummer 45, Band 1, Blatt 96, 97.
- Stadtarchiv, Sterbebücher, Standesamt Leipzig Süd, 1969, Nummer 2015.
- Stadtarchiv, Wahl- und Listenamt, Nummer 2, Blatt 20: Rat der Stadt Leipzig, Bekanntmachung über die Neubildung der Stadtverordnetenkörperschaft, Leipzig, 24. April 1933.
Gedruckte Quellen
- Handbuch. Die Verwaltung der Stadt Leipzig, Leipzig 1929/30, Seite 30, 72.
- Jahresbericht der Arbeiterwohlfahrt im Bezirk Leipzig 1929, Seite 1, 13.
- Johanna Schult, "Fürsorgewesen und Armenpflege" in: Hermann Liebmann, Zweieinhalb Jahre Stadtverordnetentätigkeit der USP, in Leipzig, Leipzig 1921, Seite 115-117.
- Verhandlungen der Stadtverordneten zu Leipzig im Jahre 1924-1927, 1930, 1933.
- Verwaltung der Stadt Leipzig 1922, Seite 11, 15, 22, 24, 26, 28.