Kinder- und Familienzentren (KiFaZ)
Was ist das Besondere an einem KiFaZ?
Kindertagesstätten sind wichtige Partner für Familien. Hier entdecken Vorschulkinder mit Gleichaltrigen die Welt, begegnen Väter und Mütter anderen Familien. Zwischen Fachkräften und Familien wird die Entwicklung und Förderung des Kindes individuell besprochen. Familienzentren knüpfen an diese guten Erfahrungen an.
Während eine einzelne Kita jederzeit, punktuell und auch einmalig mit Anbietern von Familienbildungsangeboten kooperieren kann, wird in einer Kita, die sich zum Kinder- und Familienzentrum weiterentwickelt hat, Familienbildung zur Querschnittsaufgabe. Das heißt, in einem Kinder- und Familienzentrum lässt sich ein weiterer qualitativer Sprung feststellen: Familienbildung wird im Selbstverständnis der Einrichtung verankert. Kinder- und Familienzentren haben die Familie als System und die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder im Blick. Erziehungspartnerschaft gehört zu den Grundlagenstandards, die in einem Kinder- und Familienzentrum geschaffen werden müssen. Darunter wird die gemeinsame Verantwortung und die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Eltern und Erzieherinnen in Bezug auf die Erziehung eines Kindes verstanden.
Grundlage der Partnerschaft sind Dialog und Kommunikation. Gemeinsam werden Erziehungsvorstellungen und Erziehungsziele zum Wohle des Kindes ausgetauscht, diskutiert und vereinbart. Verschiedenen Formen der Elternarbeit und der Familienbildung fördern den Aufbau von Erziehungspartnerschaft und die Stärkung der Erziehungskompetenz. Zudem unterstützen Sprach- und KulturmittlerInnen Familien mit Migrationshintergrund bei der Integration in die Kita.
10 Jahre Kinder- und Familienzentren in Leipzig (2009-2019)
"Wir kennen manche Türen, hinter denen sich Antworten finden lassen"
Im Kitagarten lodert ein Lagerfeuer. Eltern kommen, verabschieden sich nicht gleich, sondern backen stattdessen mit ihren Kindern ein Stockbrot. Ein Junge zieht seine Mutter energisch in Richtung Feuerstelle. Während das Brot dampft und sich langsam gefährlich dunkel färbt, sprechen Väter und Mütter hier über ihre alltäglichen und doch so kräftezehrenden Herausforderungen: "Wenn deine Kleine zickt, was machst du dann?" "Und nachts immer noch eine Windel?" "Fernsehen - wieviel, was denn und wann gar nicht?"
Die Mutter steht nah am Kreis, hört zu und bleibt - wenn auch nur für zehn Minuten. Doch ihre Scheu ist seitdem gewichen. Nun nimmt auch sie mit ihrem Sohn an der vierzehntägigen "Familienfreizeit" des Kinder- und Familienzentrums (KiFaZ) am Kulkwitzer See teil.
Bei Kinder- und Familienzentren - den 26 KiFaZ in Leipzig - sind Eltern mittendrin. Nicht immer ergeben sich dabei solch beiläufige Gespräche am Lagerfeuer. Andere Erziehungspartnerschaften brauchen Zeit, einen geschützten Rahmen und den Rat eines erfahrenen Pädagogen. Sprachbarrieren müssen manchmal überwunden werden. Gelegentlich auch die Hemmung, über familiäre Sorgen zu sprechen. Anträge wollen verstanden, ausgefüllt und termingerecht an die richtige Stelle gesandt werden.
Vor 10 Jahren öffneten sich die ersten Kindertagesstätten für einen erweiterten Blick auf das System Familie. Ziel dieser Weiterentwicklung zum KiFaZ ist, dass Eltern ihren Erziehungsauftrag gestärkt wahrnehmen und auch in einer schwierigeren Phase Rat und Unterstützung erfahren. Kinder- und Familienzentren verbinden dafür drei ihrer besonderen Möglichkeiten:
- Die vertraute alltägliche Begegnung.
- Das gemeinsame Interesse an der guten Entwicklung des Kindes.
- Die Vermittlungsmöglichkeit zu intensiveren Unterstützungsangeboten.
Unterstützung der Eltern
"Wenn uns Eltern ungelöste Fragen anvertrauen, wissen wir um manche Tür, hinter der sich Antworten finden lassen. Es muss nur einer klopfen. Dafür ist das KiFaZ da." sagt Anne Umlauf, Fachberaterin der Gemeinnützigen Känguru Kindertagesstätten Leipzig GmbH. Frau Troschke vom KiFaZ am Kulkwitzer See teilt diese Erfahrung: "Viele Eltern wünschen Unterstützung, zögern aber eine Beratungsstelle aufzusuchen oder gar in ein Amt zu gehen."
Für sie hat das KiFaZ-Team ein Beziehungsnetz ausgelegt. Die Öffnungszeiten des Mütterzentrums sind bekannt. Die Telefonnummern von Logopäden liegen bereit. Zuständige Mitarbeiter einer Erziehungsberatung sind bekannt. Lehrer bereiten im KiFaZ den Übergang in die Grundschule vor.
"In einem Arbeitskreis treffen wir regelmäßig Vertreter aus Offenen Freizeitstätten, einem Mütterzentrum, dem Amt für Jugend, Familie und Bildung. Mit ihnen gestalteten wir zum Beispiel ein großes Familienfest mitten im Quartier. Ganz nebenbei lernten die Besucher dort die Angebote in ihrer Nachbarschaft kennen," berichtet Anne Umlauf. Die Stiftung "Bürger für Leipzig" öffnet für ein anderes KiFaZ die Türen kultureller Einrichtungen. Das Theater der jungen Welt bezieht Kinder in ihr Spiel ein. Der Kinderschutzbund gestaltet Themenabende für Eltern.
"Wissen und Erleben sind zwei Qualitäten", davon ist auch das Team in der Konradstraße überzeugt. Hier sind Eltern den ganzen Tag in Haus und Garten willkommen. Sie erleben mit, wie ihre Kinder mit Altersgleichen die Welt entdecken. Wer möchte, verfasst mit seinen Kindern ein Tagebuch des Alltags.
Kinder malen und basteln dafür, Eltern schreiben die Erlebnisse dazu. An solchen Portfolio-Nachmittagen werden pädagogisches Anliegen der Einrichtung und individuelle Entwicklung des Kindes bewusst wahrgenommen.
Aber es geht noch intensiver. Acht Wochen lang erhalten Väter und Mütter im Leipziger Osten ein besonderes Angebot: Einmal ungestörte Zeit für nur ein Kind zu haben - ihm vorzulesen. Mit ihm zu basteln. Entwicklungen entdecken. Mit anderen Eltern beim gemeinsamen Essen sprechen.
Die eigene Kompetenz bestätigt zu bekommen und auszubauen. Wohl nur von vertrauten Begleitern ihrer Kinder lassen sich Eltern auf dieses Bildungsprogramm ein. "Mit starken Eltern werden auch Kinder stark. Und das ist doch unser Ziel", sagt einer der Fachkräfte. Ausgebildet und begleitet sind diese Mitarbeitenden durch den Fairbund e.V., einen ihrer Kooperationspartner.
Einige Familien sind mit so vielen Herausforderungen belastet, dass sie sich zurückziehen. Über einen sich verengenden Horizont greifen sie dann nicht nach Anregungen und Unterstützungen von außen. Obwohl diese - gerade für sie - bereitstehen. Solche Engpässe können sich auch im Erziehungshandeln niederschlagen: Zeit zum Lesen, Reden, Zuhören für die Kinder fehlt. Für fördernde Freizeitgestaltung, intensive Begleitung, gar für bewusste Ernährung müsste mehr Kraft frei sein. Ist Vertrauen gewachsen, gelingt gelegentlich die Anbahnung einer Erziehungsberatung.
Ausstrahlung in die Nachbarschaft
Kindertagesstätten spiegeln sehr sensibel die Entwicklungen eines städtischen Quartiers. Wie in einer Welt auf kleinem Raum treffen sich hier Sprachen und Kulturen. Mit Geschick wächst daraus eine anregende Ergänzung, die sogar "auf der Zunge zergehen" kann, wenn vietnamesische Mütter ihre heimische Küche vorstellen. Lichter-, Neujahrs-, Zuckerfest tragen Kinder in die größere Gemeinschaft.
Mit Spielen ihres Herkunftslandes gestalten Eltern einen internationalen Nachmittag. Sprach- und Kulturmittler kommen dazu, wenn die Verständigung einmal unterstützt werden soll. Mit einem Kiez-Rundgang stellt das KiFaZ die Freizeit- und Beratungsangebote der hiesigen Nachbarschaft vor.
Einige Jungen kannten natürlich den Sportplatz. So aber lernten sie auch den Trainer kennen, spielen jetzt Fußball im Verein. Das KiFaZ bahnte dazu die Antragstellung eines geförderten Mitgliedsbeitrags an.
Auch im KiFaZ Wurzner Straße läuft seit Jahren ein Sprachförderprogramm für Kinder. Nun will Ulrike Schwarzbach, Leiterin der Einrichtung, mit Familien aus verschiedensten Herkunftsländern den Eltern Deutschkurse anbieten. Fünf Einrichtungen erproben im Rahmen eines Landesmodellprojektes intensive sozialpädagogische Angebote. Die Stadt Leipzig verdoppelte in diesem Jahr die für ein KiFaZ-Team ergänzende Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden.
Nach und nach sollen Kindertagesstätten in Ortsteilen mit besonderem Handlungsbedarf die Entwicklungsmöglichkeit zu einem KiFaZ erhalten. Am Anfang steht für sie der Erwerb des Leipziger Gütesiegels, dem dann regelmäßig Audits folgen. So wird Qualität gehalten, ausgebaut und der Austausch von Erfahrungen gefördert.