Europäischer Laubfrosch ist Leipziger Auwaldart 2022
Heiko Rosenthal - Dezernent und Beigeordneter für Umwelt, Klima, Ordnung und Sport:
Ja, liebe Freunde des Leipziger Auwaldes,
ich darf Sie auch in diesem Jahr wieder zum Leipziger Auwaldtag, nun schon zum 28. Mal, herzlich begrüßen und freue mich auch Ihnen heute wieder das Auwaldindividuum des Jahres vorstellen zu dürfen. Lassen Sie mich aber, bevor ich das lüfte, das Geheimnis, noch einmal einen kurzen Rückblick wagen, was wir im vergangenen Jahr für den Leipziger Auwald als Stadtverwaltung unternommen haben. Wir haben in der Nordwestaue unsere Planungen für das Projekt Lebendige Luppe weiter vorangetrieben und wir haben die Genehmigungsplanung für den Zschampert eingereicht.
Wir haben in der Südaue mit der Landestalsperrenverwaltung das Einvernehmen hergestellt für das Projekt Dynamische Aue. Und so können wir für beide Teilbereiche der Leipziger Aue zukünftig garantieren, dass kleinere Hochwasser in die Aue geführt werden, um Wasser für die Aue zu generieren. Und unser Auenindividuum des Jahres hat auch ein bisschen was mit Wasser zu tun. 2021 war es die gewöhnliche Esche.
2022 haben wir uns für ein Tier, einen Lurch entschieden. Der Europäische Laubfrosch. Ich glaube, jeder, der europäischer Laubfrosch hört, denkt sofort an seine grüne Färbung, aber das ist nicht alles, was der kleine Vertreter der Aue kann. Im Nachgang zu mir wird Dr. Große vom NABU Sachsen den Lebensraum und die Eigenheiten des europäischen Laubfrosches vorstellen. Er ist leider in der Aue weniger vorhanden als wir uns das wünschen.
Insofern müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, auch das Auenindividuum des Jahres 2022 zu schützen. Ich hoffe, wir sehen uns in diesem Jahr in der Aue. Ich werde auf alle Fälle draußen sein.
Vielen Dank.
Dr. Wolf-Rüdiger Große, Lurch- und Kriechtierexperte des Landesverband NABU Sachsen:
Mein Name ist Wolf-Rüdiger Große. Ich bin Ruheständler, von Beruf Biologe gewesen, Dozent an der Universität Halle für Zoologie.
Wir befinden uns hier in den sogenannten Partwitzer Lehmlachen, ein Gebiet im nordwestlichen Leipziger Auwald, und Teile davon sind als Partwitzer Lehmlachen als Naturschutzgebiet in den 70er Jahren schon ausgewiesen worden. Die Besonderheiten dieses Gebietes: die Vielfalt, das Mosaik von Offenland, von Auwaldresten, von Flusssystemen mit Flussresten und dazu diese Standgewässer, weiherartig ausgeprägte Lehmlachen. Eine Vielfalt von 9 bis 10 Arten kommen hier zeitweise auf engstem Raum an ein und demselben oder in ein und demselben Gewässer vor.
Diese Amphibienarten benötigen einen Jahreslebensraum. Ganz allgemein gesagt, ein Lebensraum, der aus Winterquartier, Fortpflanzungsgewässer, Sommerquartier und den entsprechenden Wanderwegen, die zwischen diesen Teillebensräumen bestehen, existiert. Der Laubfrosch als Auwaldtier des Jahres ist ja bewusst ausgewählt worden als eine Art, die viele Besonderheiten aufweist. Es ist nicht nur seine grasgrüne Färbung die den Laubfrosch so beliebt macht, es sind auch seine verschiedensten Verhaltensweisen.
Die Laubfrösche werden ja nicht sehr groß - vier bis fünf Zentimeter etwa im Durchschnitt - und die Laubfrösche wandern aus dem umgebenden Auwald an und versammeln sich praktisch hier. Und damit das auch gut alles miteinander gelingt, ist ein Froschkonzert dann eher Ende April Anfang Mai zu hören.
Wenn wir uns ihn anschauen, wer ihn mal von nahem sehen kann, der wird sehen, er hat Haftscheiben an den Zehen und Fingern. Das sind also Hautvergrößerungen an den Zehen- und Fingerspitzen, und mit diesen Haftscheiben ist er die einzige mitteldeutsche, mitteleuropäische Froschart, die diese hat. Dadurch kann er gut auf Schilfhalme, auf Gebüsche bis hoch in die Eichen des Auwaldes klettern. Diese Kletterfähigkeit - ein Baumfrosch sagt man dazu - ist also eine weitere Besonderheit dieses Tieres.
Der Laubfrosch klettert also nachdem er sich hier fortgepflanzt hat in diesem Gebiet, dann in die Gebüsche, in die verschilften Zonen und klettert auch bis auf die Bäume. Und dort ruft wiederum im Sommer, wenn die entsprechenden Bedingungen da sind. Man kann vor oder nach Gewittern, oftmals dann auch Laubfrösche rufen hören im Auwald. Nachdem der Laubfrosch diesen Sommer gut überstanden hat, geht es in das Winterquartier. Irgendwann Anfang Oktober, manche Jahre schon wenn es ein kühler Herbst ist im September, verschwinden die Laubfrösche. Und dazu sind hier in unserem Auwald ideale Bedingungen. Es gibt also in dem Substrat und den Strukturen am Boden des Auwald ist jede Menge frostfreie Winterquartiere für die Tiere. Und da kommt er auch gut über den Winter, um dann im März wieder am Leichgewässer hier zu erscheinen.
Wir stehen hier an einer Stelle der Partwitzer Lehmlachen, an der ältesten Stelle mit die also schon eine starke Verlandung zeigt. Und das ist für den Laubfrosch nicht nur vorteilhaft. Das hat auch Nachteile für die Art, weil halt die Besonnung zurückgeht, die Beschattung ist da, der Anteil von fliegenden Insekten wird geringer. Der Laubfrosch braucht also doch, wenn er in großen Gruppen auftritt, auch die entsprechende Nahrungsgrundlage. Das ist ja klar.
Wenn wir die Laubfroschzahlen in unserer Leipziger Nordaue, im nordwestlichen Auwald, anschauen, so sind die stark zurückgegangen. Alle, die im Auwald spazieren gehen, bitten wir Beobachtungen zu machen und diese aufzuzeichnen und auch den entsprechenden Naturschutzbehörden, NABU oder untere Naturschutzbehörde der Stadt usw. die Beobachtung mitzuteilen, so dass die Kenntnisse in der Fläche jetzt über das Vorhandensein der Tiere weiter - der Laubfrösche speziell - weiter dann bekannt wird und einzuschätzen ist.
Weiterhin muss auch noch gesagt werden, dass in diesem Gebiet ja auch Forschungsarbeit betrieben wird vom NABU, das Projekt Lebendige Luppe hier aktiv tätig ist und auch zum Erhalt der Populationen wie zu dem ganzen Habitatgefüge wesentliche Beiträge leistet. Es ist also nicht nur die Klimakatastrophe allgemein, es sind auch Amphibienkrankheiten. Der Laubfrosch ist in der FFH-Richtlinie der gefährdeten Amphibien, Lurche und Kriechtiere auch mit aufgeführt. Er ist dort im Anhang vier gelistet. Er ist in der Bundesartenschutzverordnung drin und er ist auch in der Roten Liste Sachsen als stark gefährdete Art mit drin.
Es ist bis jetzt nur lokal - dieses Aussterben dieser Art oder dieser Rückgang dieser Art - aber es ist zu befürchten, dass aus den lokalen Rückgängen dann flächenmäßig doch größere Schäden an den Populationen sich im Laufe der Jahre einstellen. Die Verbindung reißt untereinander ab zwischen den Populationen und damit ist also eine Isolation gegeben, die nicht mehr dann die Art in der Fläche erhält.
Gefährdeter Kletterkünstler
Die diesjährige Auwaldart reiht sich in die Reihe der gefährdeten Arten ein, wie im vergangenen Jahr bereits die Esche. Bäume gehören ebenso zum Lebensraum des Europäischen Laubfroschs, wie Tümpel, Röhrichte, Wiesen und Hecken. Gut getarnt sitzt er gerne mal für ein Sonnenbad auf einem Blatt. „Seine grüne Färbung ist aber nicht alles, was diesen kleinen Vertreter der Aue ausmacht“, so Umweltbürgermeister Rosenthal. Doch ihn zu entdecken ist Glückssache! „Der Laubfrosch ist in der Aue leider weniger vorhanden als wir uns das wünschen. Daher müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um ihn zu schützen.“ Für Überraschung sorgte in den vergangenen Jahren daher besonders der Fund einiger Individuen in den Baumkronen rings um den Leipziger Auwaldkran. Auch das macht diese Art so besonders. Denn unter den in Deutschland vorkommenden Amphibien ist der Laubfrosch mit Haftscheiben an seinen Finger- und Zehenspitzen der Kletterkünstler Nummer 1.
Dr. Wolf-Rüdiger Große, Lurch- und Kriechtierexperte des Landesverband NABU Sachsen, erklärt: „Der Leipziger Auwald bietet mit seinem Mosaik aus Flusssystemen, offenen Biotopen, Auwaldresten und Standgewässern für Laubfrösche sehr geeignete Habitate. Dennoch ist sein Bestand seit Jahren rückläufig.“ Er vermutet als Ursache verschiedene Faktoren, die sich gegenseitig bedingen, wie unter anderem den Klimawandel, die Nahrungsverknappung durch den Insektenrückgang und Veränderungen des Habitats. Um dem auf den Grund zu gehen, forscht der Wissenschaftler seit Jahren im nördlichen Auwald, rings um die Papitzer Lehmlachen.
Exkursionen zur Leipziger Auwaldart
Gemeinsam mit dem Projektbüro Lebendige Luppe bietet der Wissenschaftler interessierten Bürgerinnen und Bürgern am 7. Mai 2022 von 11 bis 14 Uhr auf Amphibienexkursion zwischen Gundorfer Lachen und Zschampert Einblicke in die Welt des Laubfroschs und seiner Verwandten. Am 14. Mai 2022 lädt der NABU Leipzig von 11.15 Uhr bis 14.15 Uhr zur Amphibienexkursion an die Papitzer Lachen. Für beide Veranstaltungen wird eine Anmeldung erbeten. Dies ist per Mail bis 6. Mai 2022 beziehungsweise 13. Mai 2022 möglich unter info@lebendige-luppe.de oder telefonisch unter 0341 86967550. Der konkrete Treffpunkt wird nach Anmeldung bekannt gegeben.
Die Leipziger Naturschutzwoche ist vom 16. bis 22. Mai 2022 geplant und hat in diesem Jahr das Thema „Bürgerbeteiligung und Citizen Science im Naturschutz – wie Prozesse gemeinsam gestaltet werden können“.