Das Leipziger Amtsblatt sprach darüber mit Karsten Gerkens (Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung) und Jens Gerhardt (Netzwerk Leipziger Freiheit).
Was gab den Ausschlag, das kooperative, bezahlbare Bauen und Wohnen wieder stärker zum Thema der Leipziger Wohnungspolitik zu machen?
Karsten Gerkens: Als Gruppe gemeinsam zu bauen und zu wohnen, hat in Leipzig sozusagen Tradition. In Zeiten der Schrumpfung und des Leerstands gab es viele Möglichkeiten, auch mit kleinem Geld die unterschiedlichsten Wohn-, Arbeits- und Lebensmodelle zu realisieren. Das hat viel zum positiven Image Leipzigs beigetragen. Die Selbsthelfer haben mit ihren Projekten einen wichtigen Beitrag geleistet, um benachteiligte Stadtteile zu stabilisieren. Seit Leipzig rasant wächst, hat sich die Situation deutlich geändert. Altbauten und Bauflächen sind heiß begehrt, die Preise steigen. Baugemeinschaften können nur noch sehr vereinzelt mithalten. Das war der Moment zu handeln. Denn kooperatives Bauen ist auch unter Wachstumsbedingungen wohnungspolitisches Ziel der Stadt, weil es langfristig bezahlbaren und gemeinwohlorientierten Wohnraum schafft.
Welche Stellung hat das Netzwerk Leipziger Freiheit unter den im Wohnungspolitischen Konzept definierten Instrumenten?
Karsten Gerkens: Es ist eines von mehreren Instrumenten, mit denen die Stadt Leipzig zukünftig stärker steuernd im Wohnungsmarkt auftreten wird. Es unterstützt diejenigen, die sich selbst – und das mit langfristiger Perspektive – bezahlbaren Wohnraum schaffen wollen. Hier ist die Stadt gefragt als Starthelferin, als "Anschieberin".
Nun ist "Leipziger Freiheit" ja der Slogan des Stadtmarketings. Weshalb heißt das Netzwerk auch so?
Karsten Gerkens: Der Name trifft, denn er sagt genau, worum es geht. Wir verstehen die "Leipziger Freiheit" als Auftrag, Freiräume für unterschiedlichste Lebens-, Arbeits- und Wohnformen zu schaffen und zu erhalten. Das passiert nicht im Selbstlauf, schon gar nicht in Wachstumszeiten. Ein Netzwerk ist nur so gut wie seine Partner.
Wer steht hinter dem Netzwerk?
Karsten Gerkens: Zum einen Leipziger Initiativen, die seit Jahren in der Beratung von Baugemeinschaften erfahren sind. Sie repräsentieren das bunte Spektrum des kooperativen Bauens und können realisierte Projekte vorweisen. Wir wollen bewusst diese Vielfalt in Leipzig. Interessenten können sich als Gruppe mit dem Ziel zusammenschließen, sich im Verbund Wohnungseigentum im Mehrfamilienhaus individuell zu schaffen. Ein anderer Weg ist die Gründung einer Einhausgenossenschaft oder eines Vereins, dem das Haus gehört. Jedes Gruppenmitglied ist dann Mieter im eigenen Haus. Jede dieser Formen ist bei uns an der richtigen Adresse –immer unter der Überschrift "bezahlbar und kooperativ". Die Netzwerkkoordination haben wir an eine Bürogemeinschaft vergeben. Die Büros managen die Netzwerkarbeit, organisieren die Beratungsangebote, arbeiten sich in kooperative Fragestellungen ein und halten den Kontakt zu wichtigen Partnern.
Und was hat das Netzwerk konkret für Baugemeinschaften im Angebot?
Jens Gerhardt: Wir verstehen uns als Starthilfe. Die Wohnprojektinitiative soll von uns solide Grundlagen für den Grundstückskauf und das Aufnehmen von Krediten bekommen. Am Ende der Beratung hat die Gruppe eine konkrete Orientierung über die einzelnen Schritte von der Idee bis hin zu Sanierung bzw. Bau und schließlich zur Verwaltung des Wohnprojektes. Zunächst prüfen unsere Konzeptberater die Idee. Ergeben sich dabei Fragen, können unterschiedliche Fachberater etwa zu Holzschutz, Baustatik und Energie, zu Bau- und Mietrecht sowie zu Gruppenmoderationen beantragt werden. Die Projektgruppe erhält die Starthilfe kostenlos. Unsere Koordinationsstelle, die Konzept- und Fachberaterinnen werden zu hundert Prozent von der Stadt finanziert.
Wie kommt man als Wohnprojektinitiative an dieses Startpaket?
Jens Gerhardt: Wir benötigen von der Initiative die Beschreibung ihrer bisherigen Überlegungen zum Wohnprojekt und den Nachweis, dass fortgeschrittene Verhandlungen mit dem Grundstückseigentümer laufen. Grundlegende Infos finden sich auch auf unserer Homepage www.netzwerk-leipziger-freiheit.de. Mit dem "Kleinen Leitfaden für Wohnprojektinitiativen" kann jeder seine Idee bis hin zur Umsetzung selbst prüfen und weiterentwickeln.
Wer kommt auf das Netzwerk zu, wie groß ist die Nachfrage?
Jens Gerhardt: Nach Aufbau des Netzwerkes im April und Mai 2016 stand das Startpaket erstmals im Juni zur Verfügung. Seitdem haben wir 15 Gruppen im Programm. Nachgefragt ist die gesamte Bandbreite an Wohnprojektkonzepten. Dazu gehören beispielsweise zwei Hausgemeinschaften, die ausschließlich aus Mietern bestehen. Sie wollen die Häuser erwerben und danach sanieren. Alle sollen am Ende zu dauerhaft günstigen Mieten im Haus bleiben können.
Das Netzwerk hatte also einen guten Start?
Jens Gerhardt: Unsere Beratungsangebote sind gut angenommen worden. Wir werden jedoch daran gemessen, wie wir das Thema Gemeinschaftliches Bauen und Wohnen stärker ins Gespräch bringen, es in die Breite der Leipziger Stadtgesellschaft transportieren. Daran wollen wir verstärkt in diesem Jahr arbeiten.