Rietzschke-Aue Sellerhausen
Im Ortsteil Volkmarsdorf entstand auf rund 18.000 Quadratmetern bis Mai 2022 ein neuer öffentlicher, multifunktionaler Stadtteilpark für den Leipziger Osten. Die neue Grünfläche erhöht den Freizeit- und Aufenthaltswert und erfüllt wichtige Funktionen für das Stadtklima, die Biodiversität und den Hochwasserschutz. Sie soll die Auswirkungen von Starkregen und Hitzeperioden mindern und mit dem Artenschutzturm und besonderen Landschaftsstrukturen die Artenvielfalt erhöhen.
Erlebbarer Bachlauf
Im Rahmen des gemeinsam initiierten Projektes zwischen der Stadt Leipzig und den Leipziger Wasserwerken wurde der Gewässerverlauf der Östlichen Rietzschke offengelegt und als natürlich erlebbarer Bachlauf und Naturerfahrungsraum gestaltet. Die Grünfläche ist so angelegt, dass anfallendes Regenwasser lokal aufgenommen und gespeichert werden kann. Zeitverzögert und reguliert wird es über ein Ablassbauwerk in den Wölbkanal der Östlichen Rietzschke geleitet. Damit soll ein ausreichender Abfluss bei Starkregenereignissen und gleichzeitig ein möglichst naturnaher Wasserhaushalt in der Rietzschke-Aue Sellerhausen sichergestellt werden. Der Östlichen Rietzschke wird damit ein Teil ihres natürlichen Überschwemmungsgebietes zurückgegeben.
Anlass
Anlass zur Gestaltung der Fläche waren häufige Überflutungen der angrenzenden Kleingärten durch den ehemaligen Bachlauf der Östlichen Rietzschke. Dieser verlief zu großen Teilen verrohrt oder überbaut als Entwässerungsgraben Sellerhausen und konnte anfallendes Wasser bei Starkregen nur bedingt ableiten. Zunächst wurden 94 hochwassergefährdete Nutzgärten gemeinsam mit dem Kleingartenverein Leipzig-Sellerhausen e. V. und unterstützt durch die Leipziger Wasserwerke freigelenkt.
Besondere Landschaftsstrukturen und Elemente
Der Artenschutzturm ist ein zentrales Element dieser Grünfläche und bildet eine individuelle Landmarke als identitätsstiftendes Objekt für den neuentstandenen Naturraum inmitten der Stadt. Er bietet verschiedene Nischen, Nist- und Ruhestätten für Fledermäuse, Vögel und Hautflügler.
Weite Teile der Grünfläche wurden als natürliche Wiese zur Förderung der Artenvielfalt, v.a. für Insekten, angelegt. Ihr hohes Blütenangebot verbessert die Lebensgrundlage für viele Artengruppen und leistet einen wertvollen Beitrag zur Förderung der biologischen Vielfalt in der Stadt. Hin und wieder dürfen die Wiesen unter Wasser stehen, was die Artenvielfalt zusätzlich befördert.
Die Wiesen werden zweimal im Jahr mit einem Balkenmäher gemäht. Die Mahd erfolgt gestaffelt. Dazu sind die gesamten Wiesenflächen in drei Teilflächen gegliedert. Zunächst erfolgt die Mahd auf der Mittelfläche am Artenschutzturm. Insekten, Wirbeltiere sowie Amphibien können ihrem natürlichen Fluchtverhalten folgend in die östliche und westliche Fläche flüchten. Das Mahdgut ungewollten Arten wird direkt aufgenommen und abtransportiert. Das Mahdgut der Zielarten hingegen verbleibt zur Aussamung eine Woche auf der Fläche. Danach wird es aufgenommen und abtransportiert. Werden Einzelstandorte von Disteln, Nachtkerze und Königskerze festgestellt, bleiben diese erhalten. Die Arbeitsschritt wiederholen sich zeitversetzt jeweils auf der östlichen und wiederum zeitversetzt auf der westlichen Wiesenfläche.
Viele seltene Wildbienenarten sind unerlässliche Bestäuber für zahlreiche Obst- und Gemüsepflanzen. Sie pflanzen sich jedoch nur in sandigen Böden fort. Daher sind Sandlinsen optimale Habitate für Wildbienen. Da Rohbodenstandorte immer mehr für seltene Gattungen schwinden, sind solche Sandlinsen besonders wichtig, um den Erhalt und Schutz der Wildbienenarten zu unterstützen.
Lesesteinhaufen sind wertvolle Kleinstbiotope, die vielen Arten optimale Bedingungen zum Überleben bieten. Mit ihren Hohlräumen sind sie Unterschlupf und Schutz vor Feinden für z.B. Ameisen, Bienen und Grabwespen. Auch Reptilien, wie die Zauneidechse, mögen die von der Sonne erwärmten Steine.
Alte Baumstämme sind ein wichtiger Lebensraum für eine Vielzahl von Arten. Einige Insektenarten sind auf Totholz angewiesen, um zu überleben. Ob als Versteck für wärmeliebende Arten im Sommer oder als Rückzugsort zum Überwintern, Totholz erfüllt viele wichtige ökologische Funktionen.
Ein bereits vorhandenes geschütztes Biotop wurde behutsam in die neue Grünfläche integriert und während der Bauphase entsprechend geschützt. Es handelt sich um einen Sumpfwald - ein gesetzlich geschützte Biotope, das regelmäßig unter Wasser steht. Dieser Sumpfwald hat eine Fläche von rund 500 Quadratmetern. Er bietet einen wichtigen Lebensraum zum Schutz und Erhalt von zahlreichen Tieren und Pflanzen.
Eindrücke von der Rietzschke-Aue Sellerhausen
Der Artenschutzturm bietet Quartiere und Nischen als Nist- und Lebensstätte für verschiedenste Tierarten. © Thomas Victor Bilder vergrößert anzeigenNischen und Nisthilfen im Artenschutzturm © Thomas Victor Bilder vergrößert anzeigenAufenthaltsbereiche in der Rietzschke-Aue Sellerhausen © Thomas Victor Bilder vergrößert anzeigenMehr als 90 neue einheimische sowie klimaangepasste Bäume und eine Vielzahl an Strauch- und Kletterpflanzen komplettieren die naturnahe und zurückhaltend gestaltete Wasserrückhalte- und Grünfläche. © Thomas Victor Bilder vergrößert anzeigenSandlinsen für seltene Wildbienenarten © Thomas Victor Bilder vergrößert anzeigenTotholz als wichtiger Lebensraum in Rietzschke-Aue Sellershausen © Thomas Victor Bilder vergrößert anzeigenSumpfwald geschütztes Biotop in der Rietzschke-Aue Sellerhausen © Thomas Victor Bilder vergrößert anzeigen
Förderung und Unterstützung
Finanziert wurde die Maßnahme über die Richtlinie zur Gewährung von Zuwendungen zur Beseitigung der Hochwasserschäden 2013 des Freistaates Sachsen. Ein weiterer Teil wurde vom Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) finanziert. Auch Leipziger Wasserwerke und die Krostitzer Brauerei unterstützten das Projekt.
In Kooperation mit dem NABU Regionalverband Leipzig, dem GeoWerkstatt Leipzig e.V. und den beauftragten Fachbüros entstand der Artenschutzturm.
Außerdem erfolgte umfassende Abstimmungen und Planungen mit dem Kleingartenverein Leipzig-Sellerhausen e.V., der Stadtpolitik sowie den Bürgerinnen und Bürgern.