Rechtliche Grundlagen zum Lärmschutz
Alle Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt dienen, gehören zum Umweltrecht.
Ein Bestandteil des Umweltrechts ist das Lärmschutzrecht. Neben dem privaten gibt es das öffentliche Immissionsschutzrecht, dazu zählt das Lärmschutzrecht.
Zentrale Rechtsvorschrift des Immissionsschutzrechts ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG).
Dieses Gesetz hat der Bundesgesetzgeber 1974 im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) i.V.m. Art. 72 GG) erlassen. Wo der Bund von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, können die Länder grundsätzlich keine Gesetze mehr erlassen, Art. 72 GG. Eventuell bestehendes Landesrecht tritt nach Art. 31 GG außer Kraft. Damit sind die Länder im wesentlichen nur befugt den personenbezogenen Immissionsschutz und die Behördenzuständigkeit zu regeln.
Normenhierarchie
Ursprünglich ging das BImSchG aus den §§ 16 bis 28 der Gewerbeordnung hervor, die schon vor 1918 das Anlagengenehmigungsrecht regelte. Es beinhaltet vor allem das Genehmigungsrecht für potentiell umweltgefährdende Industrie- und Gewerbeanlagen (etwa: die Genehmigungspflicht, die Aufzählung der genehmigungsbedürftigen Anlagen, Instrumente der nachträglichen Anordnung und der Stilllegungs-/Beseitigungsverfügung).
Zweck des Gesetzes ist es nach § 1 BImSchG den Menschen vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen. Schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG).
Zu den Immissionen gehören auch Geräusche (§ 3 Abs. 2 BImSchG). In Deutschland gibt es aber kein spezielles Lärmschutzgesetz, in dessen Rahmen alle maßgeblichen Lärmquellen in aufeinander abgestimmter Art und Weise geregelt werden.
In den §§ 41 - 43 BImSchG wurde der Lärmschutz beim Neubau und der wesentlichen Änderung von öffentlichen Straßen sowie von Eisen-, Straßen- und Magnetschwebebahnen geregel. Um schädliche Verkehrsräusche soweit als möglich zu vermeiden werden verschiedene Steuerungsansätze verwendet, nämlich
- den Lärmschutz an der Quelle,
- den Lärmschutz in der Verkehrswegeplanung sowie
- den Lärmschutz durch Verkehrsregelungen und -beschränkungen.
Mit dem Erlass des BImSchG und anderer Lärmbekämpfungsvorschriften zum Schutz des Menschen vor unzumutbarer Lärmbelastung erfüllt der Gesetzgeber eine aus den Grundrechten ableitbare Schutzpflicht. Die Grundrechte schützen nach der ständigen Rechtssprechung durch das Bundesverfassungsgericht den Bürger nicht nur gegen staatliche Eingriffe, sondern machen es den staatlichen Organen zur Pflicht, den Bürger vor nicht rechtmäßigen Eingriffen anderer in ihre Grundrechte zu bewahren. Rechtliche Regelungen müssen so auszugestalten sein, dass sie bereits im Vorfeld vor Gesundheitsgefahren, -risiken durch Vermeidung unzumutbarer Lärmbelästigungen vorbeugen.
Der Bundesgesetzgeber hat 1990 das BImSchG um den § 47a unter dem Titel „Lärmminderungspläne“ erweitert. Damit wurde erstmals die gesetzliche Grundlage für die Aufstellung von Schallimmissions- und Lärmminderungsplänen als kommunale Pflichtaufgabe für Gebiete geschaffen, in denen schädliche Umweltauswirkungen durch Geräusche hervorgerufen werden oder zu erwarten sind.
In einem weiteren Schritt musste der Bundesgesetzgeber die Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm vom 25.06.2002 (Amtsblatt EG L 189/12 - Umgebungslärmrichtlinie -) in nationales Recht umsetzen.
Dies ist im Jahre 2005 in Deutschland handlungsorientiert durch den Ersatz des alten § 47a BImSchG durch §§ 47a - f BImSchG (Sechster Teil: Lärmminderungsplanung) und 2006 durch die 34. BImSchV erfolgt. Diese Richtlinie verfolgt auf europäischer Ebene das langfristige Ziel, einer Harmonisierung der Lärmschutzpolitik.
Als Umgebungslärm werden vom Menschen verursachte belästigende oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien definiert. Neben der Vorsorge und der Minderung des Umgebungslärms ist die Erhaltung bisher ruhiger Gebiete (Art. 1) durch den Schutz gegen eine Zunahme des Lärms von Bedeutung.
Nach § 47c BImSchG ist zunächst anhand strategischer Lärmkarten für Hauptverkehrsstraßen und -eisenbahnstrecken, für Großflughäfen und für Ballungsräume nach einheitlichen Bewertungsmethoden die Belastung durch Umgebungslärm zu ermitteln und darzustellen. Diese Darstellung bzw. Analyse macht die Lärmprobleme und negativen Lärmauswirkungen sichtbar, indem sie bestimmte Lärmquellen in dem betrachteten Gebiet erfasst, welche Lärmbelastungen von ihnen ausgehen und wie viele Menschen davon betroffen sind. Die Lärmkarten werden alle 5 Jahre überprüft und gegebenenfalls überarbeitet.
Frist | Aufgabe | zuständige Behörde im Freistaat Sachsen |
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30. Juni 2007 | Erstellen der Lärmkarten für: 1. Hauptverkehrsstraßen (> 6 Mio. Kfz/Jahr) 2. Haupteisenbahnstrecken (> 60.000 Züge/Jahr) 3. Großflughäfen (> 50.000 Flüge/Jahr) 4. Ballungsräume (> 250.000 Einwohner) | Kommune Eisenbahn-Bundesamt Kommune Kommune |
18. Juli 2008 | Erstellen von Lärmaktionsplänen | Kommune |
30. Juni 2012 | Erstellen der Lärmkarten für: 1. Hauptverkehrsstraßen (> 3 Mio. Kfz/Jahr) 2. Haupteisenbahnstrecken (> 30.000 Züge/Jahr) 4. Ballungsräume (> 100.000 Einwohner) | Kommune Eisenbahn-Bundesamt Kommune |
18. Juli 2013 | Erstellen von Lärmaktionsplänen | Kommune |
alle 5 Jahre | Überprüfung und Überarbeitung der Lärmkarten und Lärmaktionspläne | Kommune |
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 47d BImSchG sind in einem weiteren Schritt wirksame Strategien zur Vermeidung bzw. Verminderung von Lärmbelastungen in einer bestimmten Frist zu entwickeln, eine sogenannte Lärmaktionsplanung. Bei der Ausarbeitung des Lärmaktionsplanes (LAP) kommt der Information und Beteiligung der Öffentlichkeit eine besondere Bedeutung zu. Der aktive Austausch zwischen Bevölkerung, Politik und Verwaltung soll die Transparenz des Planungsprozesses und die Akzeptanz der vorgeschlagenen Maßnahmen erhöhen.
Der LAP ist eine querschnittsorientierte Planung und bildet ein sogenanntes Verwaltungsinternum. Sie hat keine unmittelbare Außenwirkung, aber sie wirkt sich auf andere Planungen wie z. B. Bauleitpläne, Verkehrspläne und Luftreinhaltepläne, aber auch überörtliche Planungen aus. Die in den §§ 47d ff. BImSchG geregelten Vorschriften zur Lärmaktionsplanung sehen etwa für die Aufnahme straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen in den LAP kein Einvernehmen mit der Straßenverkehrsbehörde vor. Die Festlegung von Maßnahmen sowie die Entscheidung über deren Reihenfolge, Ausmaß und zeitlichen Ablauf liegen im Ermessen der zuständigen Verwaltungsbehörde. In der Regel ist dazu eine Prioritätensetzung hinsichtlich der Handlungsoptionen erforderlich.
Als Kriterien für die Prioritätensetzung kommen z. B. in Frage:
- Ausmaß der Pegelüberschreitung,
- Schutzbedürftigkeit und Anzahl der betroffenen Personen,
- Gesamt-Lärmbelastung,
- technischer, zeitlicher und finanzieller Aufwand.
Die Pflicht Lärmaktionspläne aufzustellen wird nicht durch ein Überschreiten bestimmter Grenzwerte ausgelöst, sondern ist an das Vorliegen eines bestimmten Verkehrsaufkommens oder das Merkmal des „Ballungsraums“ geknüpft. Die Umgebungslärmrichtlinie und das BImSchG stellen die Auswahl der Maßnahmen ins Ermessen der Behörde. Es gibt aber für die zuständigen Behörden keinen Ermessensspielraum, derartige Pläne nicht aufzustellen (BVerwG, Urteil vom 14. 4. 2010 - 9 A 43. 08).
Die Bedeutung der Lärmaktionsplanung für die ausführenden Behörden ist in § 47d Abs. 6 i. V. m. § 47 Abs. 6 BImSchG geregelt. Falls Lärmaktionspläne konkrete Maßnahmen enthalten, entfalten diese für die ausführenden Behörden grundsätzlich eine Bindungswirkung. Diese Bindungswirkung tritt allerdings nur ein, wenn die einschlägigen Vorschriften des Fachrechts die Durchführung der im Plan enthaltenen Maßnahme rechtlich zulassen. Dies ist von der ausführenden Fachbehörde anhand des einschlägigen Regelwerks zu prüfen. Maßnahmen, die nach den einschlägigen Vorschriften des Fachrechts nicht zulässig sind, können nicht umgesetzt werden, auch wenn sie in einen Lärmaktionsplan aufgenommen werden.
Aus §§ 47c, 47d BImSchG ergibt sich für den einzelnen Bürger kein konkreter Rechtsanspruch auf die Einhaltung verbindlicher und explizit dem Gesundheitsschutz dienenden Lärmgrenzwerte. Auch die Umgebungslärmrichtlinie stellt selbst keine Grenzwerte auf. Existierende deutsche Lärmgrenzwerte bzw. -richtwerte gibt es unter anderem für Straßen- und Schienenlärm in der 16. BImSchV. Jedoch sind diese Grenzwerte aufgrund der neuen Berechnungsverfahren nicht mit den nach der 34. BImSchV errechneten Lärmindizes direkt vergleichbar.
Auch für die Umsetzung der konkreten Festlegungen in dem Lärmaktionsplan besteht kein Rechtsanspruch Einzelner. Der Aktionsplan selbst stellt keine Ermächtigungsgrundlage zum Handeln dar. Die Maßnahmen sind durch Anordnungen oder andere Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem BImSchG oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Planungsrechtliche Festlegungen sind durch die zuständigen Planungsträger bei ihren Planungen zu berücksichtigen. Eine unmittelbare Außenwirkung wird durch den Lärmaktionsplan nicht erzielt.
Gesetzliche Grenzwerte, bei deren Überschreiten ein Lärmaktionsplan zur Bekämpfung von Umgebungslärm aufgestellt werden muss, sehen weder die Umgebungslärmrichtlinie der EU noch das BImSchG vor. Bis zum Erlass einer Bundesrechtsverordnung auf Grundlage des § 47f BImSchG zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen, die auch die notwendigen Grenzwerte festlegt, hat die Stadt Leipzig auf Grundlage der bestehenden technischen Vorschriften zum Verkehrslärm als Hauptlärmquelle im Kartierungsgebiet Auslösewerte definiert.
Für den aktuellen Lärmaktionsplan werden die gesundheitsrelevanten Werte LDEN = 70 dB (A) und LNight = 60 dB (A) der Verwaltungsvorschrift des Bundes „Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV)“ vom 23. November 2007 S 32/7332.9/1/781915 zu Grunde gelegt. Ziel der Richtlinie ist es, den Straßenverkehrsbehörden eine Orientierungshilfe zur Entscheidung über straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen (Regelungen durch Verkehrszeichen und Verkehrseinsrichtungen) zum Schutz der Wohn- /Bevölkerung vor Straßenverkehrslärm an die Hand zu geben. Sie gelten nur für bestehende Straßen und lehnen sich an die Grundsätze des baulichen Lärmschutzes an bestehenden Straßen (Lärmsanierung) an.