Das Nachhaltigkeits-Szenario
Im Jahr 2015 erhielt die Verwaltung den Auftrag vom Stadtrat, im Zuge der Aktualisierung des Nahverkehrsplanes wissenschaftlich fundierte Szenarien für die Entwicklung der Mobilität in Leipzig auszuarbeiten. Die Ziele des Stadtentwicklungsplans Verkehr und öffentlicher Raum (STEP VöR) und das Fachkonzept nachhaltige Mobilität im integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) bildeten dafür die Grundlage. Stand der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) anfangs im Fokus des Prozesses so wurde schnell klar, dass Mobilität und Verkehr gesamtheitlich über alle Verkehrsarten betrachtet werden müssen. Unter Beteiligung von Verwaltung, Politik und Bürgerschaft wurden insgesamt sechs verschiedene Szenarien für die Mobilität 2030 für Leipzig entwickelt und dem Stadtrat zu Abstimmung vorgelegt.
Einstimmige Entscheidung für das Nachhaltigkeits-Szenario
Ende September 2018 entschied sich die Ratsversammlung einstimmig für das Nachhaltigkeits-Szenario als Leipzigs Mobilitätsstrategie 2030 und stellte so die Weichen für die städtische Verkehrspolitik der nächsten Jahre. Das Nachhaltigkeits-Szenario verfolgt eine lebenswerte Gestaltung der Stadt, die alle Anspruchsgruppen (zum Beispiel Bürgerinnen und Bürger, Touristen, Geschäftsleute, aber auch Vereine und Verbände) berücksichtigt und niemanden ausschließt. Im Mittelpunkt steht die Förderung nachhaltiger Mobilität mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds, also Fuß, Rad, Bus und Bahn sowie unterstützende Mobilitätsangebote, welche Alternativen zur Nutzung des eigenen Autos bieten.
Kernaussagen des Nachhaltigkeits-Szenarios
- Die Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr soll, mit Fokus auf die Erhöhung der Verkehrssicherheit, ausgebaut und qualitativ verbessert werden.
- Der öffentliche Personennahverkehr soll nachfrageorientiert ausgebaut werden. Im Zuge dessen soll, unter anderem durch Beschleunigungsmaßnahmen, Taktverdichtung und die bedarfsabhängige Ergänzung des bestehenden Netzes im Straßenbahn- und Busverkehr, die Attraktivität gesteigert werden.
- Mit Blick auf den Wirtschaftsverkehr sollen innovative Konzepte und (Antriebs-)Modelle (zum Beispiel Logistikkonzept der Letzten Meile) gefördert werden und infrastrukturelle Entflechtungsmaßnahmen (zum Beispiel durch Trennung der Spuren je nach Verkehrsart) im Verkehrsnetz erfolgen.
- Für den Motorisierten Individualverkehr (Kfz-Verkehr) stehen unter anderem der Erhalt des Bestandsnetzes und die Ausweitung des Parkraummanagements im Vordergrund.
Durch Maßnahmen, die aus dem Szenario abgeleitet werden, wird nicht nur die bestehende Infrastruktur erhalten und den neuen Bedingungen angepasst, sondern auch kontinuierlich verbessert. Gleichzeitig soll für alle Anspruchsgruppen eine umfassende Teilhabe sowie ein hoher Standard gleichwertiger Mobilitätschancen sichergestellt werden. Die im Vordergrund stehende Förderung des Umweltverbundes führt in er Folge mittel- und langfristig zu einer Reduktion der Luft- und Lärmbelastung und wird dazu beitragen, die Klimaziele der Stadt zu erreichen.
Das Nachhaltigkeitsszenario im Detail
Um die Zielsetzungen des Szenarios zu verwirklichen und die Umwelt- sowie Lebensbedingungen zu verbessern, soll das zunehmende Verkehrsaufkommen überwiegend auf den Umweltverbund umgeleitet werden. Dies bedeutet quantitativ, einen Anteil des Umweltverbundes von 70 Prozent zu erreichen, wobei 23 Prozent auf den öffentlichen Personennahverkehr, 23 Prozent auf den Radverkehr und 24 Prozent auf den Fußverkehr entfallen. Gleichzeitig soll der Anteil des motorisierten Indivdualverkehrs am Modal Split auf 30 Prozent reduziert werden. Diese Zielsetzung entspricht den im Jahr 2015 im Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum (STEP VöR) festgelegten Zielen.
Das Szenario richtet sich außerdem nach den Klimazielen der Stadt Leipzig. Durch Erweiterungen im Angebot wird angestrebt, die Fahrgastzahlen auf 220 Millionen beförderte Personen pro Jahr zu steigern und die Auslastung im öffentlichen Personennahverkehr zu erhöhen.
Die geplanten Verbesserungen im öffentlichen Personennahverkehr umfassen eine Vielzahl von Maßnahmen, darunter den Ausbau des Straßenbahnnetzes im Innenstadtbereich, die Erweiterung des Promenadenrings sowie den Neubau und die Erweiterung von Verkehrsnetzen. Zusätzlich wird eine gezielte Ausweitung von Busverbindungen angestrebt. Ein Beispiel für solche Maßnahmen ist die Einführung des Angebots "Flexa", das Mobilität in den städtischen Randgebieten gewährleisten soll. Nach Buchung hält der Kleinbus praktisch vor der Haustür und befördert die Kunden zu ihrer gewünschten Ausstiegsstelle, sei es zum Arzt, Bäcker oder anderen Zielen.
Die Finanzierung des Nachhaltigkeits-Szenarios sieht eine Anteilsverschiebung zugunsten des Umweltverbundes vor, wobei insgesamt eine Ausweitung der Ausgaben für den Verkehrsbereich erforderlich ist. Insbesondere die Ausgaben für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sind beträchtlich, werden jedoch im Sinne des gesellschaftlichen Nutzens als notwendig erachtet. Zur Realisierung dieses Szenarios ist es erforderlich, verstärkt auf Förderprogramme des Bundes, des Landes und der EU zurückzugreifen, da die finanziellen Möglichkeiten auf kommunaler Ebene deutlich überschritten werden.
Daneben sollen leichte Erlössteigerungen durch moderate Fahrpreisanpassungen im ÖPNV erzielt werden. Zudem ist eine Ausweitung der Bewirtschaftung des öffentlichen Parkraumes vorgesehen.
Bei der Aufteilung des öffentlichen Verkehrsraums erhält der Umweltverbund insgesamt eine höhere Priorität. Der Ausbau des Radwegenetzes sowie eine Erhöhung der Anzahl an Abstellmöglichkeiten sind Teil dessen. Es wird verstärkt auf alternative Mobilitäts- und Sharingangebote, wie zum Beispiel Car Sharing, gesetzt, und die Förderung von Inter- und Multimodalität intensiviert. Im Sinne eines umfassenden Mobilitätsmanagements werden Informations- und Kommunikationsmaßnahmen eingesetzt, um umweltfreundliche Verkehrsmittel gezielt zu bewerben. Um die Sicherheit zu erhöhen, kann sowohl auf infrastrukturelle als auch auf regulative Maßnahmen zurückgegriffen werden: darunter die Trennung von ÖPNV und Kfz-Verkehr sowie die höhere Priorisierung des Radverkehrs in der Verkehrsraumaufteilung.
Im Bereich der Wirtschaftslogistik wird die Förderung neuer Konzepte besonders berücksichtigt. Durch diese Maßnahmen wird nicht nur das aktuelle Mobilitätsangebot erhalten und an die neuen Bedingungen angepasst, sondern es erfährt auch eine kontinuierliche und qualitative Verbesserung. Damit können sowohl die Teilhabe an Mobilität als auch ein hoher Grad an gleichwertigen Mobilitätschancen gewährleistet werden.
Das Nachhaltigkeits-Szenario zielt darauf ab, die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs, des Rad- und Fußverkehrs zu steigern. Gleiches gilt für innovative Modelle im motorisierten Individualverkehr, wie beispielsweise Elektroautos und Car Sharing. Dies erfolgt, indem die Verkehrsmittel des Umweltverbundes gezielt ins Zentrum der Planung und Realisierung von Infrastrukturvorhaben, aber auch der Erarbeitung von strategischen Konzepten und Umsetzungsprogrammen sowie kommunikativer Maßnahmen gerückt werden.
Durch die Umlenkung des zunehmenden Verkehrsaufkommens auf den Umweltverbund wird erreicht, dass der Verkehrsfluss und die Durchschnittsgeschwindigkeit im öffentlichen Personennahverkehr, motorisierten Individualverkehr und insbesondere im Wirtschaftsverkehr, im Vergleich zum Ausgangsniveau 2018 beibehalten werden kann. Dies trägt voraussichtlich dazu bei, Stauerscheinungen auf ein Minimum zu reduzieren oder auf niedrigen Niveau zu halten.
Im Nachhaltigkeitsszenario kann eine hohe Verkehrsqualität für sämtliche Verkehrsträger erreicht werden. Die gezielten Maßnahmen zur Förderung des Umweltverbundes führen zu zahlreichen Synergien mit anderen städtischen Zielen. Hierzu zählen die Reduzierung der Luft- und Lärmbelastung sowie das Erreichen der Klimaziele der Stadt Leipzig.