Vortrag: Autoritärer Populismus, die Freiheit und das Recht - Studium generale Ringvorlesung "Freiheit verstehen"
Das Freiheitsversprechen des Grundgesetzes und der deutschen Landesverfassungen ist groß. Die Handlungsfreiheit, der Schutz auf körperliche Unversehrtheit, die Meinungs- und Kunstfreiheit aber auch das Demokratie- und Sozialstaatsprinzip finden ihren Ursprung in ihnen. Beste Voraussetzungen für eine Gesellschaft, in der die Menschen mündig, eigenverantwortlich und solidarisch zusammenleben können?
Amlinger und Nachtwey zeigen in ihrem Buch „Gekränkte Freiheit“, dass die Erwartungshaltung an den Einzelnen, mündig und eigenverantwortlich zu sein, mit einer immer komplexer werdenden Welt kollidiert und diese Kollision zu einem Gefühl der Machtlosigkeit führt, das sich in Form von Ressentiments und Demokratiefeindlichkeit äußert. Diesen Effekt nutzen autoritär-populistische Parteien in Deutschland, Europa und weltweit aus. Und das mit Erfolg: Immer mehr Menschen wählen autoritäre Populist*innen in ihre Landesvertretungen.
Was bedeutet das für unsere Freiheit – wie könnten autoritäre Populist/-innen sie trotz liberaler Verfassungen angreifen und einschränken? Inwiefern kann uns die freiheitlich demokratische Grundordnung vor Verfassungsübergriffen und –missbrauch schützen? Diesen Fragen geht der Verfassungsblog im Rahmen des Thüringen-Projekts nach. Anhand von Beispielen aus Ungarn und Polen sowie den Rechercheergebnisssen aus dem Thüringen-Projekt erklären Janos Richter und Hannah Beck, weshalb es keine wasserdichte Verfassung geben kann und wir uns auf Szenarien vorbereiten sollten, in denen autoritäre Populist*innen staatliche Machtmittel in die Hand bekommen.
Hannah Katinka Beck hat Ethnologie und Politikwissenschaft studiert. Bevor sie anfing, beim Thüringen-Projekt zu arbeiten, hat sie zu den Einstellungen sächsischer AfD-Wähler/-innen und den transnationalen Netzwerken der Identitären Bewegung geforscht.
Janos Richter ist studentische Hilfskraft beim Verfassungsblog. Für das Thüringen-Projekt bearbeitet er schwerpunktmäßig die Themen Justiz & Kultur. Er studiert Rechtswissenschaften an der Universität Leipzig.
Zur Ringvorlesung: Freiheit verstehen. Herausforderungen und Perspektiven in einer liberalen Gesellschaft
Freiheit gehört zu den konstituierenden Werten der liberalen Gesellschaft. Das Versprechen, diese Freiheit für jede Bürgerin und jeden Bürger zu garantieren und zu wahren, gehört zum demokratischen Selbstverständnis. Immer wieder und immer häufiger hört man aber, „der Staat“ würde die Freiheiten des Bürgers beschneiden: Die zum Schutz der Bürger und Bürgerinnen erlassenen Gesetze und Verordnungen mutieren in den Reden der Populisten zu Zwangsmaßnahmen, die den grundrechtlich garantierten Freiheiten zuwiderliefen. Was ist das also für eine Freiheit, die hierzulande oft mit dem Begriff Wohlstand daherkommt?
Offenbar handelt es sich dabei meist um ein sehr individuelles Verständnis von Freiheit, das lediglich ein Freisein von Beschränkungen und Hindernissen meint. Es stellt sich die Frage, ob es sich dabei nicht um einen stark verkürzten Begriff von Freiheit handelt, der nur auf den ersten Halbsatz von Artikel 2 des Grundgesetzes zielt, dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. In einer Gesellschaft ist eine solche Freiheit aber zwingend nur mit einer Einschränkung denkbar: Sie endet, wo die Rechte anderer verletzt werden. Der Begriff Freiheit bedeutet also sehr viel mehr als individuelle Handlungsfreiheit. Er geht einher mit Verantwortung, mit Rechten und Pflichten, und letztendlich ist Freiheit abhängig von einem Gemeinwesen, in das ein Individuum eingefügt ist.
Im Wissenschaftsjahr 2024, das der Freiheit gewidmet ist, wollen wir uns über politische, soziale und ökonomische Themen dem Begriff der Freiheit nähern, wobei zunächst wirkmächtige Konzepte von Freiheit grundlegend vorgestellt werden sollen. Im Anschluss daran soll Freiheit jeweils erörtert werden im Hinblick auf ihr Spannungsverhältnis unter anderem zum Recht, zum Eigentum, zu Repräsentation und Teilhabe in der Gesellschaft, zur Identitätspolitik, zu Arbeit und Armut beziehungsweise Reichtum.
Veranstaltungsort
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) - Trefftz-Bau
04277 Leipzig