Die regionale Wirtschaft ist mit einem guten ersten Quartal ins Jahr 2016 gestartet. Gegenüber dem Jahresbeginn beurteilen die Unternehmen insgesamt ihre aktuelle Lage etwas schwächer, ihre Erwartungen dagegen besser. Dadurch kann der IHK-Geschäftsklima-Index seine bisherige Bestmarke von 128 Punkten erfolgreich verteidigen. Knapp die Hälfte der Betriebe schätzt ihre Geschäftslage mit gut ein, gerade einmal sieben Prozent sind unzufrieden. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Konjunkturbefragung, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig im Frühjahr 2016 durchgeführt hat.
"Dass die Leipziger gewerbliche Wirtschaft zum wiederholten Mal ihre konjunkturelle Bestmarke erreicht, ist sehr positiv. Vor allem die Aussichten der Unternehmen für die nächsten Monate sind optimistisch. Das globale Umfeld bleibt jedoch schwierig, das Wachstum der Weltwirtschaft dürfte sich weiter verlangsamen. Das heißt, die hiesige Konjunktur kann sich vorrangig auf den privaten Konsum stützen. Gerade für die vom Export abhängigen Industrieunternehmen ist die unsichere Entwicklung des Welthandels alles andere als günstig. Deshalb sollte die Politik die Wettbewerbsfähigkeit nicht durch wirtschaftsferne Regelungen bei Mindestlohn, Werkverträgen und Zeitarbeit gefährden", fasst Wolfgang Topf, Präsident der IHK zu Leipzig, zusammen.
An der Konjunkturbefragung im Frühjahr 2016 beteiligten sich 582 im IHK-Bezirk Leipzig ansässige Unternehmen aller Branchen und Größenklassen mit mehr als 42 000 Beschäftigten. Der ausführliche Ergebnisbericht steht unter www.leipzig.ihk.de/konjunktur als kostenloser Download zur Verfügung.
Lage
Aufgrund rückläufiger geschäftlicher Aktivitäten während der Wintermonate in verschiedenen Branchen geben die Lagebeurteilungen im Frühjahr etwas nach. So sinkt der Lage-Saldo gegenüber dem Jahresbeginn um drei auf +42 Punkte. Zum Vorjahresstand ist dagegen ein Anstieg um drei Punkte auszumachen.
Erwartungen
Der Saldo der Geschäftserwartungen steigt um zwei auf +15 Punkte und verfehlt damit das Vorjahresergebnis lediglich um einen Punkt. Jede vierte Firma rechnet mit einer Verbesserung ihrer aktuellen Lage in den kommenden Monaten, zehn Prozent sehen ihre Geschäftsaussichten dagegen skeptischer.
Investitionen
Die gestiegenen Investitionsplanungen zum Jahresbeginn entpuppen sich nur als kurzes Strohfeuer. Aktuell fallen diese deutlich gedämpfter aus. Der Saldo verliert gegenüber dem Jahresbeginn um sechs Punkte und liegt nur noch bei +7 Punkten.
Personal
Der Anteil der Firmen, der in den kommenden Monaten zusätzliche Mitarbeiter einstellen möchte, ist mit 18 Prozent doppelt so hoch wie der Anteil, der mit weniger Personal plant. Aktuell melden bereits 30 Prozent der befragten Unternehmen Probleme bei der Suche nach qualifiziertem Personal. Vor allem im Verkehrs- und Tourismusgewerbe hat sich die Situation gegenüber dem Frühjahr 2015 weiter verschärft. Insbesondere die Suche nach Berufskraftfahrern, ausgebildeten Köchen sowie Servicekräften für Restaurants und Hotels erweist sich als immer schwieriger.
Die Ergebnisse der einzelnen Wirtschaftsbereiche
Industrie - schwache Exportaussichten dämpfen Geschäftsprognosen
Gegenüber dem Jahresbeginn unverändert erreicht der Lage-Saldo +38 Punkte. Damit ist der Start ins laufende Geschäftsjahr durchaus gelungen, auch wenn der letztjährige Saldostand von +41 Punkten nicht ganz erreicht wird. Kritischer sind die aktuellen Geschäftserwartungen der Unternehmen zu bewerten. Zwar zeigt hier der Saldo ein leichtes Plus von zwei Punkten gegenüber der vorherigen Umfrage, aber mit aktuell +12 Punkten liegt er unter dem Vorjahreswert von +19 Punkten.
Baugewerbe - Investitionsprogramme sichern guten Auftragsbestand
Aufgrund der umsatzschwächeren Wintermonate hat sich die Geschäftslage gegenüber der vorherigen Umfrage erwartungsgemäß etwas verschlechtert. Der Lage-Saldo sank um sechs auf gute +44 Punkte. Hinsichtlich der Geschäftsaussichten gibt es dagegen kaum Unterschiede. Diese bleiben ausgesprochen optimistisch. Der Saldo liegt mit +18 Punkten sechs Punkte über dem Wert vom Jahresbeginn. Insbesondere die geplanten Investitionsprogramme in die Verkehrsinfrastruktur und den sozialen Wohnungsbau sowie lokale Investitionen in Schulen und Kindergärten stützen die Zuversicht der Baufirmen.
Dienstleistungsgewerbe - Aufwärtstrend vorerst gestoppt
Erstmals seit dem Herbst 2014 wurde die Aufwärtsbewegung der Geschäftslage im Dienstleistungsgewerbe unterbrochen. Der Lage-Saldo gibt gegenüber dem Jahresbeginn um vier Punkte nach und liegt aktuell bei +53 Punkten, dem jedoch nach wie vor mit Abstand höchsten Wert aller Wirtschaftsbereiche. Die Geschäftsprognosen der Dienstleister gehen ebenfalls leicht zurück, der Saldo verringert sich um vier auf +19 Punkte. In der Grundtendenz bleiben die Unternehmen optimistisch. Insbesondere die günstige Tendenz der Auftragseingänge lässt auf weitere Umsatzzuwächse hoffen.
Einzelhandel - trotz anhaltend guter Konsumlaune steigt der Wettbewerbsdruck
Der Lage-Saldo sinkt um sieben auf +30 Punkte, ein im langjährigen Vergleich immer noch sehr gutes Ergebnis. Auch zukünftig profitiert der Einzelhandel von der Konsumfreude der Verbraucher. Der Saldo der Geschäftserwartungen liegt unverändert bei +8 Punkten. Einzig die Entwicklung der Arbeitskosten und der steigende Wettbewerb durch großflächige Anbieter sowie den Internethandel trüben das insgesamt positive Bild.
Großhandel - Aussichten unter dem Vorjahresniveau
Die aktuellen Lagebewertungen im Großhandel haben sich gegenüber ihrer zuletzt erreichten Bestmarke geringfügig eingetrübt. Der Saldo verliert fünf Punkte und liegt nun bei +38 Punkten. Gegenüber dem Vorjahresstand ist der Saldo jedoch um 20 Punkte höher. Ein umgekehrtes Bild zeigen die Geschäftserwartungen der Großhändler. Mit einem Saldo von +3 Punkten sind sie besser als zum Jahresbeginn (Saldo: 0 Punkte), aber erheblich schlechter als im Frühjahr 2015 (Saldo: +18 Punkte).
Verkehrsgewerbe - Motor bleibt auf Betriebstemperatur
Die Situation im Verkehrs- und Logistikgewerbe ist weiterhin freundlich. Zwar sank der Saldo zur Geschäftslage gegenüber dem Jahresbeginn aufgrund witterungsbedingter Einflüsse im Winter um vier auf +29 Punkte. Gegenüber dem Vorjahresstand liegt das Ergebnis jedoch um drei Punkte höher. Die Unternehmen profitieren nicht nur von einer insgesamt stabilen Nachfrage, sondern auch von den um gut 15 Prozent niedrigeren Kraftstoffpreisen. Auch die Geschäftsprognosen der Branche bleiben zuversichtlich. Insbesondere gegenüber dem Frühjahr 2015 hat sich die Erwartungshaltung erhöht. So steigt der Saldo um zehn auf nunmehr +17 Punkte. Ein Viertel der Unternehmen meldet aktuell steigende Auftragseingänge und rechnet mit Umsatzzuwächsen in den kommenden Monaten.
Gastgewerbe/Tourismus - mit viel Schwung in die neue Freiluftsaison
Der übliche Rückgang der Geschäftslage gegenüber dem Jahresbeginn fiel in diesem Frühjahr deutlich schwächer aus als in früheren Jahren. Der entsprechende Saldo sank gerade einmal um fünf auf +34 Punkte und liegt damit um 15 Punkte über dem Vorjahresstand. Auch die vorliegende Beherbergungsstatistik zeigt für die ersten beiden Monate bereits wieder ein Übernachtungsplus in der Region Leipzig an. Wie die Geschäftserwartungen zeigen, starten die Unternehmen mit viel Schwung und Zuversicht in die diesjährige Freiluftsaison. Der Prognose-Saldo steigt kräftig um 20 auf +19 Punkte.
Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen
Bundesverkehrswegeplan 2030 - Region Leipzig darf den Anschluss nicht verlieren
Das Bundesverkehrsministerium hat Mitte März den Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 vorgelegt. Darin wird der für die Entwicklung des nordsächsischen Raumes wichtige Neubau der Bundesstraße 87 (B87n) zwischen der Autobahn 14 bei Leipzig und der Landesgrenze zu Brandenburg nur mit einer niedrigen Priorität aufgeführt. Die Chancen auf Realisierung der B 87n bis 2030 sind damit gleich Null. Der Ausbau der wichtigen Schienenverbindung zwischen Leipzig und Chemnitz einschließlich Elektrifizierung ist überhaupt nicht im Plan verankert. Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans wird jetzt mit den Ländern, Ressorts, Kammern und Verbänden erörtert. Die IHK zu Leipzig wird alles daran setzen, dass Vorhaben, die für die Wirtschaft dringende Priorität haben, noch einmal diskutiert und überprüft werden.
Leipziger Neuseenland - Touristische Entwicklung nicht gefährden
Die ehemaligen Tagebaugebiete rund um Leipzig wurden in den vergangenen Jahren - auch unter Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel - erfolgreich renaturiert. Für die weitere touristische Entwicklung der Destination "Leipziger Neuseenland" zeigen sich jedoch zunehmend Hemmnisse durch das Verwaltungshandeln. Die notwendigen Gesetze und Verordnungen - speziell die Sächsische Schifffahrtsverordnung - müssen daher zügig novelliert werden. Bei Konflikten zwischen touristischer Entwicklung und Belangen des Umweltschutzes müssen behördliche Ermessensspielräume stärker genutzt werden. Die behördenübergreifende Zusammenarbeit muss verbessert werden und zeitkritische Vorgänge sind mit Priorität zu bearbeiten. Die IHK zu Leipzig hat sich deshalb kürzlich mit einer Resolution der Vollversammlung an die Sächsische Landesregierung, die zuständigen Ministerien und an die Landesdirektion gewandt, um Unternehmen und Kommunen bei der Lösung der aufgezeigten Probleme zeitnah zu unterstützen.
Mindestlohn 2017 - Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft nicht gefährden
Der flächendeckende Mindestlohn entfaltet in der gewerblichen Wirtschaft Sachsens eine besonders hohe Reichweite. Bislang wurde zwar - auch durch die gute konjunkturelle Situation - der befürchtete Beschäftigungsabbau vermieden. Die Reichweite des Mindestlohnes endet dabei nicht bei 8,50 Euro. Auch oberhalb davon waren Lohnanpassungen erforderlich, um innerhalb der Belegschaften den Lohnabstand zwischen unterschiedlichen Qualifikationsstufen weiterhin zu gewährleisten. Um Wachstum und Beschäftigung - gerade für Geringqualifizierte - nicht zu gefährden, muss die Neufestsetzung des Mindestlohnes von ökonomischer Vernunft geleitet sein. Laut einer gemeinsamen Befragung der sächsischen IHKs mit dem ifo-Institut Dresden vom Februar 2016 ist für 58 Prozent der Unternehmen eine Erhöhung des Mindestlohnes nicht tragbar.
Erbschaftsteuer - endlich Rechtsklarheit und Planungssicherheit für die Unternehmensnachfolge schaffen
Das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung eines Bundesverfassungsgerichtsurteils vom Dezember 2014 stockt seit geraumer Zeit und es ist offen, ob die Neuregelung, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, bis zum 30. Juni 2016 in Kraft treten kann. Die Regierungskoalition muss sich deshalb rasch über noch offene Punkte des neuen Verschonungskonzepts sowie der Unternehmensbewertung verständigen. Der aktuelle Vorschlag bietet aus Sicht der IHK zu Leipzig eine gute Grundlage, vor allem weil konkrete Verbesserungen bei der Unternehmensbewertung vereinbart wurden. Wichtig bleibt, dass gerade für kleine und mittlere Unternehmen in der Region Leipzig, die auf die nächste Generation übertragen und fortgeführt werden, auch weiterhin unbürokratische steuerliche Erleichterungen anwendbar sind. Die Substanz der Betriebe darf nicht durch die Zahlung von Erbschaftsteuer gefährdet werden.
Werkverträge und Zeitarbeit - Flexibilität am Arbeitsmarkt nicht weiter einschränken
Die Regierungskoalition hat sich am 10. Mai 2016 über die Inhalte der geplanten Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen verständigt. Manche Einwände der Wirtschaft am bisherigen Gesetzentwurf wurden zwar aufgegriffen, für die Zeitarbeit bleibt es aber bei Einschränkungen. So kann die neue Höchstüberlassungsgrenze von 18 Monaten nur durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen in den Entleiherbetrieben gelockert werden - nicht in der Zeitarbeitsbranche selbst. Weiterhin besteht Unsicherheit beim sogenannten "Equal Pay". Hier ist noch unbestimmt, was nach einer Einsatzdauer von neun Monaten davon erfasst werden muss. Nach Mindestlohn und Rente mit 63 wird die Flexibilität am Arbeitsmarkt mit der entschärften Neuregelung dennoch weiter eingeschränkt.