"Besonders erfreulich ist, dass die regionale gewerbliche Wirtschaft nicht nur ihre aktuelle Geschäftslage ausgesprochen gut beurteilt, sondern in den meisten Branchen auch große Zuversicht für das Jahr 2016 herrscht. Zugleich hellt sich das Bild auch bei den bisher schwächelnden Investitionsplanungen auf", fasst Wolfgang Topf, Präsident der IHK zu Leipzig, zusammen. "Die aktuell gute Lage sollte jedoch nicht über unsichere Entwicklungen der Weltwirtschaft hinwegtäuschen. Insbesondere die wirtschaftlichen Turbulenzen im Schwergewicht China, aber auch die sanktionsbedingten Einschränkungen für den russischen Markt mahnen zur Vorsicht. Deshalb sollte von Seiten der Politik alles dafür getan werden, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu stärken - dazu zählt unter anderem, die Arbeitskosten durch Gesetze und Regelungen nicht weiter nach oben zu treiben, die werkvertragliche Gestaltungsfreiheit und flexible Zeitarbeit zu erhalten und die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen zu beschleunigen."
Konjunkturbefragung
An der Konjunkturbefragung zum Jahresbeginn 2016 im IHK-Bezirk Leipzig (Stadt Leipzig, Landkreise Nordsachsen und Leipzig) beteiligten sich 641 Unternehmen aller Branchen und Größenklassen mit rund 45 000 Beschäftigten. Der ausführliche Ergebnisbericht (PDF-Dokument) steht unter www.leipzig.ihk.de/konjunktur als kostenloser Download zur Verfügung.
Lage:
Über die Hälfte der Unternehmen beurteilen ihre aktuelle Geschäftslage mit gut. Nur 7 Prozent sind unzufrieden. Der Saldo konnte sowohl gegenüber dem Herbst 2015 als auch dem Vorjahresstand um 3 auf +45 Punkte zulegen und erzielt bereits zum dritten Mal seit 2013 einen neuen Höchststand.
Erwartungen:
Die Geschäftserwartungen sind ausgesprochen zuversichtlich. Der Saldo von +13 Punkten ist fast doppelt so hoch wie zum Jahresbeginn 2015. Im Vergleich zum vergangenen Herbst ist er mit -2 Punkten aufgrund saisonaler Einflüsse unwesentlich niedriger.
Investitionen:
Die Investitionsaktivitäten könnten 2016 endlich wieder etwas Schwung erhalten. So gewinnt der Saldo gegenüber dem Herbst 4 Punkte dazu und erreicht mit +13 Punkten immerhin den höchsten Wert seit dem Frühjahr 2012.
Personal:
Nur 6 % der Unternehmen rechnen mit rückläufigen Beschäftigungszahlen. Mit 18 % planen hingegen dreimal mehr Unternehmen weitere Mitarbeiter einzustellen. Der Saldo steigt zum Vorjahresstand um 5 auf +12 Punkte
Die Ergebnisse der einzelnen Wirtschaftsbereiche
Industrie - Umsatzrekord, aber differenzierte Entwicklung innerhalb der Branche
Die Lage der hiesigen Industrieunternehmen ist gut, hat sich aber leicht eingetrübt. Der Lagesaldo verringert sich um vier auf +38 Punkte. Der kräftige Umsatzzuwachs ist vor allem der Automobilbranche zuzuschreiben. Die Geschäftserwartungen der Unternehmen bleiben zuversichtlich, haben aber deutlich nachgegeben. Der Saldo fällt um 8 auf +10 Punkte und liegt damit unter dem Vorjahresstand von +15 Punkten. Die steigende Unsicherheit bezüglich des weltweiten Wirtschaftswachstums dämpft die Prognosen.
Baugewerbe - Gute Auftragslage selbst im Winter
Auch im letzten Quartal 2015 war die Baunachfrage hoch, weshalb die Unternehmen bei ihrer äußerst positiven Lagebeurteilung bleiben. Der Lagesaldo ist gegenüber der Herbstumfrage sogar um sechs auf +50 Punkte gestiegen. Insbesondere die günstige Auftragsentwicklung im vergangenen Jahr sorgt für eine robuste Auftragslage und beflügelt die unverändert hohen Geschäftserwartungen für das Jahr 2016. Der Saldo liegt mit +12 Punkten einen Punkt über dem Vorjahresstand.
Dienstleistungsgewerbe - Stimmung weiter im Höhenflug
Die Entwicklung im Dienstleistungsgewerbe kennt aktuell nur eine Richtung - nach oben. Der Lagesaldo steigt nochmals kräftig um 7 auf +57 Punkte und setzt damit wiederholt eine Bestmarke. Im Vergleich der Wirtschaftsbereiche stellt dies den mit Abstand besten Wert dar. Auch die Geschäftserwartungen der Dienstleister fallen so gut wie lange nicht aus - der Saldo klettert um 5 auf +22 Punkte.
Einzelhandel - zunehmende Kaufkraft lässt Kassen klingeln
Die verbesserte Kauflaune der privaten Verbraucher durch höhere Einkommen ließen im vergangenen Jahr die Kassen im Einzelhandel klingeln. Im Ergebnis beurteilt der Einzelhandel seine Lage besser denn je. Die neue Bestmarke des Lagesaldos liegt bei +37 Punkten und damit zwei Punkte höher als zuletzt. Selten waren auch die Geschäftsaussichten im Einzelhandel zu Jahresbeginn so gut. Der Saldo liegt mit +8 Punkten um 16 Punkte über dem Vorjahresstand. Die gute Konjunktur und der robuste Arbeitsmarkt bleiben auch 2016 Garanten für ein gutes Konsumklima.
Großhandel - neuer Höchstwert bei der Geschäftslage
Der Großhandel kann auf ein neues Allzeithoch hinsichtlich seiner Geschäftslage verweisen. Der entsprechende Saldo steigt um vier auf nunmehr +43 Punkte. Wie schon zu Jahresbeginn 2015 korrigieren die Großhändler allerdings ihre Geschäftserwartungen wieder nach unten. Der Saldo verringert sich um 12 auf +0 Punkte. Diese Entwicklung spiegelt jedoch eher den saisonalen Geschäftsverlauf als eine generelle konjunkturelle Abkühlung wider.
Verkehrsgewerbe - bleibt in Fahrt
Die Situation im Verkehrs- und Logistikgewerbe ist aufgrund der hohen Nachfrage nach Transportkapazitäten und logistischen Dienstleistungen sowie dank der gesunkenen Kraftstoffpreise unverändert gut. Der Saldo zur Geschäftslage liegt mit +33 Punkten um 7 Punkte höher als vor einem Jahr. Im Gegensatz zum Vorjahr hat sich vor allem der Geschäftsausblick äußerst positiv entwickelt. Der Erwartungssaldo liegt mit +19 Punkten um 36 Punkte über dem Vorjahresstand.
Tourismus - Fachkräftemangel entwickelt sich zur Wachstumsbremse
Durch das gute Adventsgeschäft und einen voraussichtlichen Übernachtungsrekord im Jahr 2015 ist die Stimmung freundlich und lässt den Geschäftslagesaldo um 9 auf +39 Punkte steigen. Die umsatzschwächeren Wintermonate lassen die Geschäftserwartung zu Jahresbeginn erfahrungsgemäß zurückgehen. Der Saldo sinkt gegenüber Herbst 2015 um 4 auf -1 Punkt. Vor allem den zunehmenden Fachkräftemangel sehen insbesondere die Unternehmen im Gastgewerbe immer kritischer, könnte er sich zur Wachstumsbremse entwickeln.
Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen
Bürokratieabbau ernst nehmen
Trotz "Bürokratiebremse" sind die Belastungen der Wirtschaft beispielsweise mit dem Mindestlohngesetz, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, dem Elektronikgerätegesetz und der Finanzmarktregulierung gewachsen. Weitere Vorhaben der Bundes- und Landesregierung sind in Planung, etwa beim Vergaberecht und bei Förderprogrammen durch die Aufnahme tariflicher und sozialer Standards. Auch die Reform der Erbschaftsteuer und die Änderungen der Insolvenzordnung müssen mittelstandsfreundlich und "schlank" umgesetzt werden.
Arbeitskosten nicht weiter nach oben treiben
Die Einführung des Mindestlohns sowie hohe Gehalts- und Lohnabschlüsse haben die Personalkosten zuletzt stark nach oben getrieben und damit die Wettbewerbsfähigkeit vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen verschlechtert. Die Politik muss auf zusätzliche Erhöhungen, etwa der Lohnnebenkosten durch höhere Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitgeber oder einen Lohndruck infolge des geplanten Entgeltgleichheitsgesetzes zur geschlechterneutralen Bezahlung sowie auf indirekte Belastungen durch steigende Nachweis- und Dokumentationspflichten für bestimmte Mitarbeitergruppen oder Ausgleichsabgaben verzichten.
Anpassung aktueller Förderrichtlinien prüfen
Die aktuell niedrige Investitionstätigkeit der Unternehmen gibt Anlass zur Sorge. Denn die Investitionen von heute sind das Fundament für Wachstum und Arbeitsplätze von morgen. Die Investitionsförderprogramme des Bundes und des Landes sind auf Kriterien mit investitionshemmender Wirkung hin zu überprüfen. Identifizierte Regelungen sind anzupassen.
Werkvertragliche Gestaltungsfreiheit und flexible Zeitarbeit erhalten
Die aktuell diskutierte Einschränkung der werksvertraglichen Gestaltungsfreiheit beschneidet das Recht der Unternehmer, strategische Entscheidungen zu treffen, beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und gefährdet Arbeitsplätze. Die IHK zu Leipzig sieht auch geplante Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungs-gesetzes kritisch und lehnt vor allem die beabsichtigte starre Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten ab. Durch die geplante Einschränkung wird die Durchführung langfristiger Projekte deutlich schwieriger.
Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen beschleunigen
Die große Zahl von Asylsuchenden und Flüchtlingen erfordert dringend integrative Konzepte. Ein schneller und unkomplizierter Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist dabei eines der erfolgversprechenden Mittel. Für die Unternehmen ist entscheidend, dass ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache vorhanden sind, Klarheit über das Qualifikationsniveau besteht und eine gesicherte Bleibeperspektive vorliegt. Die Anerkennungsverfahren und Fördermaßnahmen sind darauf auszurichten, bürokratische Hürden bei der Vermittlung in die Unternehmen abzubauen.
Netznutzungsentgelte reformieren
Der Netzausbau zur Aufnahme der erneuerbaren Energien vornehmlich im Norden und Osten Deutschlands führt dort zu deutlich höheren Netznutzungsentgelten und damit zu erheblichen Standortnachteilen. Neuansiedlungen von Unternehmen erfolgen eher in Regionen mit günstigeren Strompreisen. Energiewendebedingte Unterschiede bei den Netznutzungsentgelten sind bundesweit auszugleichen. Die "Vermiedenen Netznutzungsentgelte", die die regionalen Netzkosten in Gebieten mit hohem Anteil an dezentralen Einspeisungen unverhältnismäßig hoch belasten, sind sofort abzuschaffen.