Leuchtturmprojekt Satelliten-Klima-Monitoring "UrbanGreenEye"
Auf Grundlage von Satellitendaten (Copernicus-Programm) werden stetig aktualisierte und flächendeckende Informationen zu verschiedenen Themenbereichen wie zum Beispiel Oberflächentemperatur, Versiegelungsgrad, Grünvolumen und Vitalität entwickelt und kostenfrei bereitgestellt. Damit wird die kommunale Planung und vor allem das Monitoring von Klimaanpassungsmaßnahmen effektiv unterstützt.
Aktuell stehen kommunale Verwaltungen vor der Herausforderung Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in Planungsprozesse und in Stadtentwicklungskonzepten zu integrieren. Dabei müssen im Entscheidungsprozess Daten zur Verfügung stehen, um geeignete und zielführende Maßnahmen festzulegen: Durch gesamtstädtische Daten ist es zum einen möglich zu verstehen welche Ergebnisse etablierte Maßnahmen über längere Zeiträume hervorrufen und zum anderen können Umweltveränderungen in der Stadt grundsätzlich aufgezeigt werden. Zurzeit werden solche Entscheidungsgrundlagen durch ein Monitoring jedoch nur in großen zeitlichen Abständen bereitgestellt.
Satellitenbilddaten ermöglichen es, in regelmäßigen Abständen kostenfrei Informationen zu klimaanpassungsrelevanten Parametern zu liefern. Derzeit wird diese Möglichkeit in der kommunalen Arbeit kaum genutzt. Das Forschungsprojekt „UrbanGreenEye“ hat es sich zum Ziel gesetzt, dies zu ändern. Mit Hilfe des Projektes strebt die Stadt Leipzig an, Satellitenbilddaten in die Planungsprozesse einzubinden. Die gesammelten Erfahrungen werden in einem Leitfaden festgehalten um bundesweit eine einheitliche Informations- und Entscheidungsbasis für kommunale Planungsinstrumente zu schaffen.
Das Projekt nutzt Satelliten-Erdbeobachtungsdaten vom europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus, die kostenfrei durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zur Verfügung gestellt werden. Die Europäische Kommission und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) betreiben mit dem Programm eine umfassende Erdbeobachtungs-Kapazität für Europa. Die Weltraumkomponente des Programms umfasst eine Vielzahl an Sentinel-Missionen. Im Projekt werden hauptsächlich Daten der Sentinel-2B-Mission genutzt, welche für die Beobachtung der Landfläche mit einer Auflösung von 10 mal 10 Meter konzipiert ist. Innerhalb von fünf Tagen wird die Befliegung der gesamten Erdoberfläche wiederholt. Der Satellit ist seit 2017 im Einsatz, so dass Umweltveränderungen auch rückblickend bis zu diesem Zeitpunkt analysiert werden können.
Zusätzlich werden Daten der Landsat-5-Mission und Landsat-8-Mission genutzt. Die NASA betreibt diese Reihe seit 1985 und beobachtet damit ebenfalls Landoberflächen und deren Veränderungen.
Die Veränderung der Oberflächentemperatur kann dank der Satelliten aus dem Landsat-Programm bereits seit 1985 beobachtet werden. Aus diesem Datensatz können die Veränderungen der Temperaturen zum Beispiel im Stadtgebiet von Leipzig veranschaulicht werden (siehe Film unten). Mit den gewonnenen Ergebnissen können zum Beispiel Hitzeinseln rechtzeitig erkannt und deren Auswirkungen bei Planungsvorhaben berücksichtigt werden. So können Bereiche/Stadtteile/ Straßenzüge festgelegt werden, in denen Maßnahmen der Klimaanpassung zum Beispiel Kühlung durch Baumpflanzungen zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit priorisiert werden.
Bei temperaturbezogenen Fragestellungen des Stadtklimas ist die Albedo ein wichtiger Faktor. Verallgemeinert kann man sagen, dass dunkle Objekte weniger Sonnenlicht reflektieren und sich daher stärker erwärmen. Die Informationen zum Albedo aus den Bilddaten können genutzt werden, um die großräumigen Auswirkungen von entsprechenden Dachgestaltungen zu evaluieren. Die Verschattung sagt aus, wie viel direkter Sonneneinstrahlung eine Fläche ausgesetzt ist. Dieses Wissen kann in Kombination mit Temperaturdaten gezielt genutzt werden, um Maßnahmen wie zum Beispiel die Ausweisung und Planung von Kühlungsorten umzusetzen.
Mit den Informationen aus den Satellitenbilddaten kann auch das Grünvolumen erfasst werden. Bäume tragen maßgeblich zur Kühlleistung und Luftverbesserung bei. Das Grünvolumen gibt an wieviel Baumbestand in unseren urbanen Gebieten vorhanden ist. Stadtplaner benötigen das Wissen zum Grünvolumen, um gesamtstädtische Veränderungen (unter anderem auf Privatflächen) in Planungsprozesse zu integrieren.
Mit Hilfe der Bestimmung der Vitalität des Baumbestandes sind ebenfalls proaktive Maßnahmen besser planbar. So können Trockenschäden beispielsweise durch Bewässerung abgemildert werden. Informationen zur Vitalität der deutschen Baumbestände im Waldbereich stehen bereits im interaktiven Tool ForestWatch (www.forestwatch.de) zur Verfügung. Im Projekt wird analog eine Visualisierung des gesamten Gehölzbestandes der Kommunen erfolgen.
Starkregenereignisse nehmen in den letzten Jahren immer mehr zu und mit ihnen Schäden durch Überschwemmungen in unseren Städten. Die Informationen über ausreichend Versickerungsflächen können dieser Entwicklung entgegenwirken. Dem gegenüber steht die zunehmende Versiegelung, etwa durch das Wachstum der Ballungsräume bedingt durch eine Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen.
Innerhalb von fünf Tagen wird die Befliegung der gesamten Erdoberfläche durch die Satelliten wiederholt. Auch wenn bei hoher Bewölkung Satellitenbilder nicht ausgewertet werden können, sind monatliche Mittelwerte möglich. Nicht immer sind Aussagen mit so hohem zeitlicher Betrachtung zielführend. Die klimarelevanten Parameter sollen mindestens jährlich abgeleitet werden und über ein cloud-basiertes Portal kostenfrei zur Verfügung stehen. Sie werden flächendeckend bundesweit bereitgestellt und schaffen somit eine national einheitliche Datengrundlage qualitativer und quantitativer Indikatoren für kommunale Klimaanpassungsstrategien.
Um herauszufinden wie Satellitenbilddaten in kommunale Planungen und Verfahrensabläufe integriert werden können, werden Planerinnen und Planer frühzeitig in den Prozess eingebunden. In Workshops wird gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Leipziger Verwaltung aber auch von weiteren Praxispartnern über die langfristige Nutzung beraten und mögliche Veränderungsprozesse im Planungsablauf aufgezeigt.
Beispielsweise können Aussagen zur Veränderung des Grünvolumens und der Gehölzvitalität für die Baumpflege und -planung genutzt werden. Durch Informationen zur Veränderung der Bodenfeuchte können Bewässerungsmaßnahmen besser geplant werden. Versiegelungskarten sind für das Starkregenmanagement erforderlich. Oberflächentemperaturen geben Hinweise auf die Wirksamkeit von Klimaanpassungsmaßnahmen.
Satellitenbilddaten ergänzen das bestehende Messnetz. Satellitenbilddaten haben eine relativ geringe räumliche Auflösung von 10 Meter mal 10 Meter. Im Gegensatz zu den Messungen vor Ort stehen dagegen gesamtstädtische Daten mit einer hohen zeitlichen Auflösung kostenfrei zur Verfügung. Um kleinräumige Aussagen zu ermöglichen, müssen auch weiterhin Messungen direkt vor Ort punktuell (beispielsweise Lufttemperatur) beziehungsweise Modellierungen wie die Stadtklimaanalyse erfolgen. Alle Indikatoren des Projektes werden mit einem Stadtklimamodell (PALM-4U) umfassend validiert und in der praktischen, gesamtstädtischen Anwendung getestet.
Klimaschutz und Klimaanpassung sind zwei dringliche Aufgabenfelder, die für die Erhaltung einer lebenswerten Stadt, wie Leipzig, von großer Bedeutung sind. Entsprechend finden vielfältige Aktivitäten zu diesen Themen parallel statt. Das hier vorgestellte Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, durch Satellitenbilddaten Entscheidungsgrundlagen für Klimaanpassungsmaßnahmen bereitzustellen. Satellitenbilddaten ersetzten aber keine Konzepterstellung mit Maßnahmenkatalogen. Vielmehr werden die durch Satelliten bereitgestellten Daten für das städtische Umweltmonitoring, Modellierungen wie die Stadtklimaanalyse, die Fortschreibung Masterplan Grün oder für die Entwicklung eines Hitzeaktionsplanes genutzt. Erst durch die regelmäßige Bereitstellung von Informationen zur Umweltveränderung und die Wirksamkeit von umgesetzten Maßnahmen ist es möglich Konzepte fortlaufend zu aktualisieren und Anpassungen vorzunehmen.
Das Team von UrbanGreenEye
Im Projekt arbeiten drei Kooperationspartner eng zusammen:
- LUP GmbH – Luftbild, Umwelt und Planung Potsdam
- Technische Universität Berlin
- Stadt Leipzig
Das Amt für Stadtgrün und Gewässer (Stadt Leipzig) ist im Projekt verantwortlich exemplarisch Satellitenbilddaten in Planungsprozesse zu integrieren. Zwei Arbeitsgruppen unterstützen dabei: Zum einen tragen das Amt für Umweltschutz, Amt für Geoinformation und Bodenordnung, das Referat Digitale Stadt sowie das Stadtplanungsamt der Stadt Leipzig mit ihrer fachlichen Expertise zum Projektfortschritt bei. Zum anderen werden durch die Praxispartnerstädte Essen, Stuttgart, Hamburg, Potsdam, Duisburg, Würzburg, den Kreis Gütersloh, Augsburg und Dresden weitere Impulse aufgenommen.
Mit Hilfe der Oberflächentemperatur, hier dargestellt als Median der Sommermonate 2018 bis 2021, können Hitzeinseln und kühle Standorte identifiziert werden. © Luftbild, Umwelt und Planung, 2022 Bilder vergrößert anzeigenDas Grünvolumen, hier dargestellt für 2018, gibt Aufschluss über den Anteil der Vegetation im Stadtgebiet. Durch den jährlichen Vergleich ist es möglich die Veränderungen in den Teilen der Stadt einem Monitoringprozess zu unterziehen. © LUP – Luftbild, Umwelt und Planung, 2022 Bilder vergrößert anzeigenDie Vitalitätsänderung der Gehölzbestände, hier dargestellt für 2022 im Vergleich zum Median der Jahre 2000 - 2017, gibt wichtige Hinweise auf notwendige Maßnahmen. Unter den langanhaltenden Trockenperioden der letzten Sommer leidet die Vegetation. © LUP – Luftbild, Umwelt und Planung, 2022 Bilder vergrößert anzeigenDer jährliche Vergleich der Versiegelungsflächen in der Stadt Leipzig offenbart die Veränderungsdynamik innerhalb einer wachsenden Stadt. Viele Baulücken werden geschlossen, um neuen Wohnraum zu schaffen. Dadurch geht sehr viel Grün in der Stadt verloren. Es ist schwierig Flächenneuinanspruchnahme zu beziffern, da es sich unter anderem um private Bauvorhaben handelt. Die Informationen sind wichtig für die Planung von öffentlichem Grün und für den Umgang mit Starkregenereignissen. © LUP – Luftbild, Umwelt und Planung, 2022 Bilder vergrößert anzeigen
Die Veränderung der Oberflächentemperatur seit 1985
Die Oberflächentemperatur (LST) wird mit Hilfe der thermalen Infrarotsensoren (TIRS) der Landsat-Satelliten abgeleitet. Dank der enorm langen, lückenlosen Zeitreihe dieser Daten (1985 bis heute) wird es möglich auch Temperaturtendenzen für beliebige Flächen abzuleiten. Aus den Ergebnissen sollen örtliche Defizite rechtzeitig erkannt und der Effekt von Maßnahmen effektiv bewertet werden.
Der zeitliche Verlauf der Oberflächentemperatur im Sommer wird in nachfolgender Animation beispielhaft für den Raum Leipzig dargestellt. Die Messwerte sind starken, wetterabhängigen Schwankungen unterworfen. Daher wird hier die lineare Interpolation der Landsat-Messwerte zur Darstellung der Oberflächentemperaturentwicklung verwendet.
Es sei angemerkt, dass die Temperatur der Erdoberfläche tagsüber im Sommer generell höher liegt als die Lufttemperatur.
Förderung
UrbanGreenEye wird als Leuchtturm-Projekt vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), unter der Trägerschaft des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), gefördert und ist ein Vorhaben im Bereich „Entwicklung und Implementierungsvorbereitung von Copernicus Diensten für den öffentlichen Bedarf zum Thema Klimaanpassungsstrategien für kommunale Anwendungen in Deutschland“.
Projektlaufzeit: 01/2022 bis 12/2024
Weiterführende Links
Projekthomepage: www.urbangreeneye.de
Projektbüro: https://www.d-copernicus.de/daten/beispiele-und-anwendungen/staedte-und-gemeinden/
Interaktive Karten/ Ergebnisse: http://urbangreeneye.lup-umwelt.de/
Vitalitätsänderungen im Wald: https://forestwatch.lup-umwelt.de/app/