Nutrias in der Stadt
Die Situation in Leipzig
Die Nutrias haben in Leipzig seit dem Ende der 1990iger Jahre so gut wie alle potentiellen Lebensräume an und im Umfeld von stehenden und fließenden Gewässern besiedelt. Die Populationen dieser Tiere sind seitdem starken Schwankungen unterworfen. Das betrifft sowohl die Populationsdichte als auch die in Anspruch genommenen Areale.
Natürliche Feinde sind selten
Da die natürlichen Fressfeinde, wie Fischotter und Seeadler in Leipzig noch relativ selten sind, werden diese Populationsschwankungen hauptsächlich von den Klimabedingungen im Winter beeinflusst. Ebenfalls wird die Dichte der Population punktuell durch menschliche Einflüsse, vor allem durch das Füttern der Tiere bestimmt. Ein Einfluss von Krankheiten ist bisher nicht bekannt.
Anzahl der Nutrias lässt sich nicht genau bestimmen
Wie bei den meisten Wildtieren in der Stadt lässt sich die Frage nach der Zahl der Tiere nicht seriös beantworten. Eventuell genannte Zahlen für das Stadtgebiet sind nur Mutmaßungen und nicht belastbar. Indikationen für das Ansteigen und Abfallen der Zahl der Tiere sind zum Einen die Zahlen von bekannt gewordenen Vorkommnissen mit Nutrias und zum anderen die Zahl der tot aufgefundenen (Unfall, Krankheit usw.) und die Zahl der getöteten Tiere (Jagd, Tötung nach Fallenfang usw.).
Auswirkung der Fütterungen
Dort wo die Tiere regelmäßig und stark gefüttert werden, können räumlich begrenzte hohe Populationsdichten - also sehr viele Tiere auf engem Raum - auch unabhängig von der Witterung, über längere Zeiträume auftreten. Dadurch kann es zu Schäden vor allem in Kleingärten, Vorgärten und in Böschungsbereichen bzw. Uferbereichen der Flüsse kommen. Von einer "Nutriaplage" und Schäden, die erheblich die öffentliche Sicherheit gefährden, kann aber keine Rede sein. Punktuell können sich in Leipzig durch menschliche Hilfe vor allem innerhalb des Stadtgebietes individuenreiche und dichte Populationen bilden und auch über längere Zeiträume halten. Im Inneren der Stadt herrschen etwas höhere Temperaturen, die fließenden Gewässer bleiben länger eisfrei und es wird gefüttert.
Unmengen geeignetes und ungeeignetes Futter sorgt dafür, dass nicht nur die natürliche Auslese unterbunden wird, sondern sich räumlich begrenzt sehr viele Tiere ansiedeln und sich über den Winter "retten" können. Solche Populationen findet man z. B. an der Weißen Elster (im Umfeld des Limburger Stegs und in der Nähe des Auensees).
Durch die große Zahl an Tieren auf engem Raum, kommt es zu Schäden auf umliegenden Grundstücken. Dies sorgt oft für großen Ärger bei den Betroffenen. Außerdem werden häufig Ängste vor den Tieren selbst und vor Krankheiten geschürt.
Fütterung ist falsch verstandene Tierliebe
Viele Menschen, die die Tiere aus falsch verstandener Tierliebe füttern, sind sich über die Folge ihres Handels oft nicht im Klaren. Die Bestände können sich nicht mehr natürlich regulieren, was die Überpopulation fördert und Schäden durch die hohe Zahl an Tieren provoziert.
Häufig kommt es daher zu heftigen, emotionalen Diskussionen (sowohl seitens der "Nutriagegner" als auch von "Nutriafreunden") in den betroffenen Stadtteilen.
Durch die Unmengen von Futter werden auch Ratten mit gefüttert. Diese Schädlinge können sich dadurch besser vermehren. Die Stadt Leipzig appelliert deshalb an alle Bürger, das Füttern zu unterlassen.
Wichtige Informationen
Die Nutria (Myocastor coypus) ist eine aus Südamerika stammende und in Deutschland eingebürgerte (Neozoon) Nagetierart.
Er ist kleiner als der einheimische Elbbiber und größer als die aus Nordamerika stammende Bisamratte. Nutrias haben einen runden Schwanzquerschnitt, Biber haben einen flachen, breiten Schwanz (Biberkelle), Bisamratten haben einen linsenartigen Schwanzquerschnitt. An den Hinterfüßen haben Nutrias Schwimmhäute. Große Tiere können eine Länge von über 60 cm (ohne Schwanz) erreichen. Auffällig ist bei erwachsenen Tieren die orange Färbung (hervorgerufen durch Eiseneinlagerungen) der Nagezähne. Die natürliche braune Fellfarbe und die Fellstruktur ähnelt optisch sehr der Farbe und Struktur der Felle unserer einheimischen Elbbiber. Unter günstigen Bedingungen kann ein Nutriaweibchen bis zu 40 Nachkommen jährlich haben. Das ist der Grund für die zeitweise explosionsartige Vermehrung der Tiere.
In ihrer ursprünglichen Heimat (Südamerika) erstreckt sich das Verbreitungsgebiet vom südlichen Brasilien bis nach Feuerland. In ihrer Heimat wurden sie wegen ihres Pelzes so intensiv bejagt, dass sie fast ausgerottet waren. Um den Bedarf an ihren Pelzen zu decken, wurden sie seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Farmen gezüchtet. Auch in Deutschland wurden Nutrias zur Pelzproduktion schon vor dem 2. Weltkrieg gehalten. In der DDR wurde die Pelzproduktion als wichtiger Devisenbringer und zur Selbstversorgung intensiviert. Dadurch bestanden im Umfeld von Leipzig zur politischen Wende viele Farmen. Diese waren nach den neuen wirtschaftlichen Bedingungen unrentabel. Durch gezieltes Freilassen der Tiere aus den unrentablen Pelztierfarmen und durch "Tierbefreiungsaktionen" ist eine sehr große Zahl von Tieren in die Natur gelangt. Diese bildeten die Basis der jetzigen freilebenden Nutriapopulationen in Leipzig.
Nutrias sind wildlebende Tiere und gelten als herrenlos (§ 960 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Es gibt also weder Eigentümer noch Besitzer. Deshalb gibt es weder natürliche noch juristische Personen, die für die Schäden aufkommen oder gegen die Tiere vorgehen müssen (auch nicht die Stadt Leipzig).
Entsprechend § 3 der Sächsischen Jagdverordnung unterliegen Nutrias im Freistaat Sachsen dem Jagdrecht. Das heißt u. a. die Inhaber eines Jagdbezirkes haben das Recht, Nutrias in ihrem Jagdbezirk zu erlegen und sich anzueignen.
In den so genannten befriedeten Bezirken, also Gebäuden, Hausgärten, Friedhöfen, Kleingärten, Sportanlagen, Campingplätzen usw. ruht die Jagd. Auch die Gewässer bzw. Gewässerabschnitte innerhalb der bebauten Lage gehören zu den befriedeten Bezirken, so dass auch hier die Jagd ruht.
Jagdhandlungen dürfen nur mit Genehmigung der Unteren Jagdbehörde durchgeführt werden.
Der Gesetzgeber hat aber dem Eigentümer und/oder Nutzungsberechtigten eines Grundstückes in einem befriedeten Bezirk die Möglichkeit geschaffen, sich u. a. gegen Nutrias zu wehren. Entsprechend § 8 Sächsisches Landesjagdgesetz darf er unter Beachtung der tierschutzrechtlichen Regelungen auch ohne Jagdschein diese Tiere fangen und sich aneignen.
Es ist allerdings verboten, gefangene Nutrias in die freie Natur auszusetzen.
Wer die erforderliche Sachkunde besitzt (z. B. Tierarzt, Jäger) darf die gefangenen Tiere unter Beachtung der tierschutzrechtlichen Vorschriften töten. Auch die Beauftragung einer sachkundigen Person mit der Tötung ist rechtlich möglich und zulässig. In der Stadt Leipzig haben sich Firmen etabliert, die sowohl das Fangen als auch Töten und Entsorgen von Nutrias als Dienstleistung für die Eigentümer und Nutzer von Grundstücken anbieten.
Die Bejagung oder der Fang der Tiere sind aber kein geeignetes Mittel, um die Probleme mit den Tieren grundsätzlich, dauerhaft, effektiv und flächendeckend zu lösen. Die hohe Fortpflanzungsrate ermöglicht es den Tieren, die Verluste durch Jagd und Fang in kurzer Zeit wieder auszugleichen, wenn entsprechende günstige Rahmenbedingungen, vor allem in Bezug auf Witterung und Futterangebot herrschen und dazu noch geeignete Stellen zum Werfen und Aufziehen der Jungtiere vorhanden sind.
Aus diesem Grund werden von der Stadt Leipzig als Untere Jagdbehörde in der Regel keine Genehmigungen zur Jagd von Nutrias in befriedeten Bezirken im öffentlichen Raum erteilt. Wenn es Probleme mit einzelnen Tieren gibt, werden im Regelfall diese Tiere von sachkundigen Angestellten der Stadtverwaltung gefangen.
Eine ständige, flächendeckende Bejagung der Tiere in befriedeten Bezirken erfolgt in der Stadt Leipzig nicht. Die einzige realistische Möglichkeit die Tiere, vor allem in befriedeten Bezirken in ihrer Zahl erheblich und nachhaltig zu reduzieren liegt darin, die entsprechenden Förderungen der Tiere zu unterlassen.
Vor allem das Unterlassen des Fütterns der Tiere ist ein wesentlicher Fakt, der zur Reduzierung der Zahl der Tiere und des Areals der Populationen effizient beitragen kann.
Auch in Anbetracht der Tatsache, dass festgestellt werden musste, dass mit den Unmengen von Futter auch Ratten mit gefüttert und dadurch ein Beitrag zur Vermehrung dieser Schädlinge geleistet wird, möchten wir an dieser Stelle mit Nachdruck an alle Bürger der Stadt appellieren, das Füttern zu unterlassen.
Besitzer von Grundstücken am Wasser sollten potentielle Wurf- und Aufzuchtplätze sowie Unterschlupfmöglichkeiten (z. B. alte Tonröhren, Höhlen usw.) beseitigen bzw. verschließen.
Ansonsten liegt es in der Verantwortung der jeweiligen Grundstücksnutzer die Tiere durch geeignete, stabile Umfriedungen (z. B. massive Drahtzäune mit Untergrabenschutz, Mauern usw.) vor ihrem Grundstück fernzuhalten, um Schäden zu verhindern.
Obwohl die Nutrias bei uns von Farmtieren abstammen, sind es mittlerweile echte Wildtiere und auf keinen Fall Streicheltiere! Es ist deshalb grundsätzlich auf Abstand zu achten!
Werden Nutrias in die Enge getrieben oder provoziert, wehren sie sich energisch!
In Leipzig gab es schon einzelne Verletzungen bei Kindern, die den Tieren das Futter mit der Hand reichen wollten und dadurch gebissen wurden. Zurzeit sind keine Probleme mit Tierseuchen bekannt.
Gefahren können den Grundstücksnutzern durch die Wühltätigkeit der Tiere entstehen.
Es gilt besonders:
- Abstand halten!
- Nicht füttern!
- Achten Sie auf Ihre Kinder!
In Anbetracht des Klimawandels ist eher damit zu rechnen, dass sich die klimatischen Bedingungen für die Tiere verbessern. Trotzdem ist es möglich, dass vor allem durch Klima und Wetterbedingungen Populationen und Teile von Populationen, zumindest zeitweise erlöschen und dadurch einige Areale über längere Zeiträume wieder „nutriafrei“ werden.
Ganz verschwinden werden die Nutrias sicherlich nicht wieder.
Wir müssen also auch die Nutrias als einen Bestandteil unseres Lebensraumes akzeptieren und mit ihnen leben.