Altmann, Elisabeth - Leipziger Frauenporträts
Elisabeth Altmann um 1970 Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Kunst
- Bildung/ Pädagogik
- Wirtschaft
geboren/ gestorben
31.12.1919 (Leipzig) – 12.09.1996 (Markkleeberg)
Zitat
„Sie war mir eine sowohl konsequente als auch gütige Lehrerin, die unermüdlich und selbstlos ihre fachlichen und menschlichen Erkenntnisse an Jüngere weitergab ...“ (Ingrid Schultheiß, Elisabeth Altmann zum Gedenken, 1996).
Kurzporträt
Elisabeth Altmann war Dozentin an der Hochschule für Grafik und Buchkunst und am Institut für Kunsterziehung, danach künstlerische Leiterin der Großbuchbinderei Paul Altmann. Ihre Einbandgestaltungen waren international anerkannt und erhielten hohe Auszeichnungen.
Herkunftsfamilie
- Großeltern väterlicherseits: Friedrich Hermann Altmann, Lebensmittelhändler, und Rosalie Altmann.
- Großvater mütterlicherseits: Friedrich Roß, Buchbinder.
- Vater: Friedrich Paul Altmann (1892-1962), Buchbindermeister, Gründer der Großbuchbinderei Paul Altmann in Leipzig, Fachlehrer der Buchbinder-Innung.
- Mutter: Johanna Gertrud Altmann, geb. Roß (1893-1951), Mitarbeiterin in der Buchbinderei.
- Bruder: Kurt Altmann (*1921), Buchbindermeister, Wirtschaftswissenschaftler, Leiter der Großbuchbinderei Altmann.
Biografie
Elisabeth Altmann wurde 1919 als Tochter des Buchbindermeisters Paul Altmann und seiner Ehefrau Gertrud, geborene Roß in Leipzig geboren. Sie wuchs zunächst im Stadtteil Lindenau auf. Im Haus der Großeltern in der Henricistraße hatten Elisabeths Eltern etwa ab 1921 eine Buchbinderwerkstatt eingerichtet. Der kleine Familienbetrieb vergrößerte sich rasch, so dass die Altmanns wiederholt umziehen mussten, um mehr Raum zum Wohnen und Arbeiten zu gewinnen. Die Kinder halfen bei der Arbeit mit, sollten aber auf Wunsch der Eltern höhere Schulen besuchen. Während Elisabeths Bruder Kurt an der Humboldtschule das Abitur machen durfte, verließ sie die Gottschedschule, eine höhere Mädchenschule in der Königstraße 33 (heute Henriette-Goldschmidt-Straße), bereits als Sechzehnjährige. 1936 bis 1939 wurde sie im elterlichen Betrieb zur Buchbinderin ausgebildet. Etwa zur gleichen Zeit, von 1938 bis 1941, studierte sie an der Staatlichen Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe bei dem Meister der Handeinbandkunst Professor Ignatz Wiemeler, zunächst in Abendkursen. In diesen Jahren konnte sie ihre Fähigkeiten zur künstlerischen Meisterschaft entwickeln.
In den Kriegsjahren leitete sie gemeinsam mit ihrer Mutter Gertrud Altmann die Buchbinderei, da Vater und Bruder eingezogen waren. Nachdem Werkstatt und Wohnung in der Lutherstraße zerstört worden waren, arbeiteten sie in Notunterkünften, wie Garagen, weiter, die 1944 und 1945 ebenfalls den Bomben zum Opfer fielen. 1951 legte sie gemeinsam mit ihrem Bruder Kurt die Meisterprüfung im Buchbinderhandwerk ab. Dies sollte ein Geschenk der Geschwister an den Vater anlässlich seines silbernen Meisterjubiläums sein.
1950 wurde sie als Dozentin an die Hochschule für Grafik und Buchkunst berufen. Sie leitete dort bis 1954 die Fachklasse für Handeinband. Eine ihrer Schülerinnen war von 1951 bis 1953 die bekannte Leipziger Einbandgestalterin und Professorin Ingrid Schultheiß (1932-2021). Zu ihren Studenten zählte auch der Buchgestalter und spätere Professor Gert Wunderlich. Elisabeth Altmann hatte zudem von 1952 bis 1956 am Institut für Kunsterziehung der Universität Leipzig einen Lehrauftrag. Wegen des damaligen politischen Klimas gab sie diese Ämter wieder auf und kehrte zur Firma Altmann zurück, wo sie nun gemeinsam mit ihrem Bruder das damals noch private Unternehmen leitete. Die Buchbinderei war 1956 in die Teubnerstraße 12-14 umgezogen und hatte bald 120 Beschäftigte. Während ihr Bruder sich um den kaufmännisch-technischen Bereich kümmerte, baute sie die Abteilung für künstlerischen Handeinband auf. Sie bildete auch die Lehrlinge aus. Seit 1959 trug Elisabeth Altmann den Titel „künstlerische Leiterin“. 1959, nach Aufnahme staatlicher Beteiligung durch die Firma, wurde sie Kommanditistin, ihr Bruder Komplementär. Seit 1969 war sie Mitglied des Prüfungsausschusses der Gutenbergschule in Leipzig.
Mit ihrem Vater schuf sie Einbände für eine Reihe von Missalen (liturgische Bücher) und verwendete dabei die in der Buchbinderei schon fast vergessene Glasschmelztechnik als künstlerisches Ausdrucksmittel. Große Anerkennung erntete sie mit den unter ihrer Leitung gefertigten Einbänden zu kostbaren Faksimileausgaben, wie zum „Atlas des Großen Kurfürsten“ mit ziselierten Metallbeschlägen und Bronzeschließen. Der riesige „Atlas des Großen Kurfürsten“, an dessen Einband sie zwei Jahre arbeitete, war nicht nur in der DDR ein beliebtes Geschenk bei Staatsbesuchen und anderen hochoffiziellen Anlässen. Gustav Heinemann schenkte ihn Papst Paul VI. Der Atlas erhielt einen Ehrenpreis auf der IBA (Internationale Buchkunst-Ausstellung) 1971. Weitere unter ihrer Regie entstandene Einbände für im Verlag Edition Leipzig herausgegebene Faksimiles waren das „Astronomicum Caesareum“ des Petrus Apianus mit seinen drehbaren Himmelsscheiben, aber auch Egon Pruggmayers „Bilder-ABC“, ein japanisches Blockbuch im Miniaturformat, damals das kleinste Buch der Welt. Die Buchbinderei wurde im Wettbewerb um die schönsten Bücher der DDR, später von ganz Deutschland, mehr als 150 Mal ausgezeichnet. Die von ihr geleitete Abteilung fertigte auch Goldschnitte und Handvergoldungen von Einbänden an, Geschenke für besondere Anlässe und Muster für Industriearbeiten.
1972 wurde die Altmann-Binderei verstaatlicht und danach an die VOB Union (CDU) verkauft. Bis 1980 war Elisabeth Altmann in der Leipziger Kunst- und Verlagsbuchbinderei, wie das Unternehmen nun hieß, tätig. Nach ihrem Ausscheiden wurde ihr am 01.05.1982 für ihre außergewöhnlichen Leistungen als Einbandgestalterin der Vaterländische Verdienstorden in Silber verliehen. Am 21.10.1982 wurde sie in einer Feierstunde der Arbeitsgruppe Papier/Leder im Verband bildender Künstler geehrt. Die Auszeichnung empfanden Kollegen als Anerkennung des gesamten Buchbinderstandes der DDR und feierten das Ereignis gemeinsam mit Elisabeth Altmann im Panorama-Café des Universitätshochhauses.
Auch der Ruhestand war für sie eine Zeit kreativen Wirkens. Sie erhielt oft Aufträge, die ihre künstlerische Phantasie und ihre Gestaltungskraft herausforderten. Sie hatte noch viele Pläne, als sie 1996 unerwartet starb.
Werke
Einbandgestaltungen zu preisgekrönten Faksimileausgaben (Auswahl):
- Petrus Apianus, Astronomicum Caesareum, Leipzig 1967.
- Atlas des Großen Kurfürsten, Leipzig 1971.
- Zerbster Prunkbibel, Leipzig 1972.
- Fest-Epistolar Friedrichs des Weisen, Leipzig 1983.
- Egon Pruggmayer, Bilder-ABC, Leipzig 1971. (Kleinstes Buch der Welt)
- Maria Sibylla Merian: Schmetterlinge, Käfer und andere Insekten, Leipzig 1975.
- Stundenbuch des Ludwig von Orléans, Leipzig 1981.
- Hans Sachs: Ständebuch, Leipzig 1966.
- Einband und Schuber zu Hermann Hesse: Merkwürdige Nachrichten von einem anderen Stern, Berlin 1977.
- Einbände zahlreicher Inselbücher.
Adressen in Leipzig
- ab 1919 Henricistraße 5 c (Lindenau, Haus der Großeltern)
- ab 1927 Rabet 6 (Neuschönefeld)
- ab 1934 Lutherstraße 11 (Reudnitz), Zerstörung 1943
- dann Notunterkünfte, ab 1947/48 Felixstraße 4
- 1948 Neubezug Lutherstraße 11 nach Wiederaufbau
- 1949 Henricistraße 5 c (nach der Familiengründung des Bruders und dem Tod des Großvaters)
- 1960-1996 in Markkleeberg, Am Wolfswinkel 35
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- 1954 Meister der Einbandkunst (MDE, 1923 in der Deutschen Bücherei Leipzig gegründete Internationale Vereinigung e.V.).
- 1971 Ehrendiplom der Internationalen Buchkunst-Ausstellung (IBA) 1971.
- 1971 Goldmedaille des Leipziger Messeamtes (für den Atlas des Großen Kurfürsten).
- Feierstunde der Arbeitsgruppe Papier/Leder im Verband bildender Künstler anlässlich der Verleihung des Vaterländischen Verdienstordens in Silber am 21.10.1982.
- Teilnachlass im Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek (vorwiegend Buchbinderwerkzeuge).
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Fachzeitschrift für Verlagswesen und Buchhandel. Bbb. Bd. 146 (1979), Teil 4, S. 793.
- Buchpremiere der Faksimileausgabe des „Atlas des Großen Kurfürsten“. In: Papier und Druck. 20 (1971), H. 8, S. 122.
- Faber, Elmar: Verloren im Paradies. Ein Verlegerleben, Berlin 2014.
- Faber, Elmar: Edition Leipzig. Ansichten zu einer Verlagsgeschichte, Leipzig 1985.
- Fünfzig Jahre Paul Altmann KG, Leipzig. Großbuchbinderei, Leipzig 1971.
- Schaefer, Helma: Hohe Ehrung für Elisabeth Altmann. In: Papier und Druck. 32 (1983), H. 10, S. 160.
- Schultheiß, Ingrid: Elisabeth Altmann zum Gedenken. In: Bindereport. 1996, H. 10, S. 540-541.
- Todesfall: Paul Friedrich Altmann (1892-1962). In: Allgemeiner Anzeiger für Buchbindereien. 75. 1962, S. 626 mit Porträt (enthält auch Auskünfte über seine Kinder Kurt und Elisabeth Altmann).
- https://www.lindenauerstadtteilverein.de/heimatkunde/haeuserliste/haus/358/henricistrasse-5c.htm .
Autorin: Sabine Knopf