Aresin, Lykke (Prof. Dr. med. habil.; geborene Bauer) - Leipziger Frauenporträts
Prof. Lykke Aresin (2011) © Thomas M. Goerlich Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Medizin
geboren/ gestorben
2. März 1921 (Bernburg) - 7. November 2011 (Leipzig)
Zitat
"Selbstbestimmte Sexualität ist ein Menschenrecht. Übersexualisierung in den Medien sowie verbalen Exhibitionismus finde ich jedoch unangemessen."
Kurzporträt
Lykke Aresin war eine weltweit anerkannte Sexualwissenschaftlerin, welche die seit DDR- Gründung bestehenden Ehe- und Sexualberatungsstellen förderte. Mit Gleichgesinnten sorgte sie in den 1980er-Jahren dafür, dass der Paragraph 151 in der DDR gestrichen wurde und dafür, dass Transsexuelle medizinisch und rechtlich betreut werden.
1990 war sie Mitbegründerin von Pro Familia Sachsen.
Herkunftsfamilie
- Vater: Dr. Curt Bauer (1885-1968), Arzt
- Mutter Olga Bauer, geborene Bachmann, Hausfrau (1889-1963)
Biografie
1959 kam Lykke Aresin (ihr Vorname bedeutet im Dänischen Glück) nach Leipzig. Sie hatte in Göttingen und Jena Medizin studiert, war Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und Oberärztin an der Medizinischen Akademie in Erfurt. Ein Jahr zuvor hatte sie sich habilitiert. Da ihr Mann Norbert (1911-1971) zum Direktor der Leipziger Universitätsfrauenklinik und auf den Lehrstuhl für Gynäkologie und Geburtshilfe berufen wurde, folgte sie ihm. Sie arbeitete wieder als Oberärztin und befasst sich mit psychosomatischen und sexuellen Störungen von Frauen. Wenn sie in ihren Vorlesungen über Sexualität und Familienplanung sprach, war der Hörsaal übervoll: Sie war eine Lieblingsdozentin der Medizin-Student/-innen. Zur Sexualmedizin kam sie ein Jahr später, als sie an der Universitätsklinik die bereits seit Gründung der DDR bestehende Ehe- und Sexualberatungsstelle übernahm.
Lykke Aresin sorgte mit ihrer "Sprechstunde des Vertrauens" in der DDR für Aufklärung über Ehe, Sexualität und Familienplanung. Die von ihr in den 70er-Jahren herausgegebenen Jugendlexika "Jugend zu zweit" und "Junge Ehe" waren Bestseller und trotz mehrerer Nachauflagen immer wieder vergriffen. Sie war Herausgeberin und Mitautorin des "Lexikons für Humansexuologie" (1990) und brachte 1996 mit Kurt Starke das "Lexikon der Erotik" heraus, das auch in einer hohen Auflage in Polen erschien.
Die Wissenschaftlerin war Gründungsmitglied der Sektion Ehe und Familie in der Gesellschaft für Hygiene und dort bis 1991 stellvertretende Vorsitzende. Aus der Arbeitsgruppe "Medizinische und pädagogische Probleme der Sexualität" ging die heutige Gesellschaft für Sexualwissenschaft e. V. (GSW) hervor, die ihren Sitz in Leipzig hat. Die Professorin für Neurologie und Psychiatrie war 1990 Mitbegründerin von Pro Familia Sachsen und bis 1998 deren Vereinsvorsitzende.
Bleibende Verdienste hat sie auch dadurch erworben, dass sie sich mit Gleichgesinnten für die Streichung des Paragraphen 151 und sowie auch frühzeitig für Transsexuelle einsetzte. So gab es bereits 1976 eine Verfügung mit Gesetzes-Charakter zur Behandlung und Betreuung von Transsexuellen. Und die Streichung des sogenannten Homosexuellen-Paragraphen geschah im Osten um vieles früher als im Westen Deutschlands.
Die Mutter zweier Kinder und Witwe engagierte sich nicht nur als Leipziger Stadtverordnete, sondern agierte auch international sehr erfolgreich. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schickte die Professorin mehrfach nach Kuba. Im Auftrag der International Planned Parenthood Federation (IPPF) sprach sie rund um die Welt in Vorträgen und Workshops über die Familienplanung. Dreimal war die Leipzigerin für jeweils zwei Jahre in das Exekutivkomitee gewählt worden. Da nur jeweils sechs Europäer darin vertreten waren, ahnt man, welche Wertschätzung diese Wissenschaftlerin genoss. Einer der Gründe war wohl die familienfreundliche Politik der DDR. Geburten wurden finanziell gefördert. Die "Pille" war auf Rezept ebenso kostenfrei wie der Schwangerschaftsabbruch, der durch Gesetz geregelt war.
Nach 1990, nun bereits in den Siebzigern, engagierte sich Lykke Aresin unverdrossen weiter für die Familienplanung und pflegte zunehmend ihr Hobby, das Beschäftigen mit angelsächsischer Literatur. Kritisch betrachtete die emeritierte Professorin die zunehmende Übersexualisierung in den Medien sowie den verbalen Exhibitionismus in Talkshows.
Ein Unfall im Jahre 1994 schränkte zwar ihre Mobilität, aber nicht ihre geistigen Aktivitäten ein. 90-jährig starb die Sexualforscherin und fand ihre letzte Ruhe auf dem Südfriedhof. In mehr als 200 wissenschaftlichen Publikationen veröffentlichte sie ihre Erkenntnisse, war an mehreren Lexika und Ratgebern beteiligt und genoss als Gastrednerin zahlreicher Kongresse in Afrika, Asien, Europa und Lateinamerika große Wertschätzung.
Werke
- Psychopathologische, psychiatrische und neurologische Aspekte der Schwangerschaft. Thieme, Leipzig 1976.
- Jugendlexikon junge Ehe (herausgegeben mit Annelies Müller-Hegemann), Leipzig 1982.
- Sexualmedizin. Volk und Gesundheit, Berlin 1983.
- Lexikon der Humansexuologie. Volk und Gesundheit, Berlin 1990.
- Knaurs Lexikon der Erotik (mit Kurt Starke), München 1996, Erftstadt 2005.
Adressen in Leipzig
- Philip-Rosenthal-Straße 57
- Güldengossaer Straße 25
- Gletschersteinstraße
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Professorenkatalog der Universität Leipzig/Catalogus Professorum Lipsiensium:
www.uni-leipzig.de/unigeschichte/.../ - Seit 08.11.2021 Gedenktafel, gestaltet von Caroline Kober, in der Phillip-Rosenthal-Straße 57.
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Thomas M. Goerlich, Prof. em. Dr. med. habil. Lykke Aresin zum 85. Geburtstag, in: Ärzteblatt Sachsen 3/2006.
- Thomas M. Goerlich, Prof. Lykke Aresin - Ein schaffensreiches Leben für die Sexualmedizin, in: Universitätsmedizin Leipzig Aktuell, Ausgabe 12/April 2011, Seite 3, "Starke Frauen", und Seite 10.
- Thomas M. Goerlich: International anerkannte Vorkämpferin der Sexualwissenschaft, in: Universität Leipzig, Alumni-Magazin, Ausgabe 2012, Seite 24, abrufbar unter: http://www.zv.uni-leipzig.de/studium/alumni/....html
Autor: Rolf Richter, 2014