Bothe, Margarete Charlotte (Dr. phil.) - Leipziger Frauenporträts
Magarete Bothe 1939 als Studentin © Wulf Bothe, Norderstedt Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Bildung/ Pädagogik
- Politik
geboren/ gestorben
22. Juli 1914 (Merseburg) - 12. April 1945 (Leipzig)
Zitat
"Verzweifeln tue ich nicht!"
(Brief vom 15. März 1945)
Kurzporträt
Die Volksschullehrerin und Historikerin Dr. phil. Margarete Bothe wurde wegen ihrer regimekritischen Haltung kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs als 30-Jährige ein Opfer des Nationalsozialismus.
Herkunftsfamilie
- Vater: Gustav Bothe (1870-1948), Jurist, Landrat, später Generaldirektor der Städtefeuersozietät der Provinz Sachsen
- Mutter: Lotte (Charlotte), geborene Bithorn (1887-1979), Tochter des Merseburger Dompredigers und Stiftssuperintendenten Prof. D. Wilhelm Bithorn
- drei Geschwister
Biografie
Margarete Bothe kam 1939 als Studentin nach Leipzig. Die 1914 Geborene war die Tochter des Merseburger Landrates Gustav Bothe und seiner Frau Lotte geborene Bithorn. Bis zur Mittleren Reife hatte sie das Merseburger Oberlyzeum besucht, absolvierte danach ein Frauenschuljahr in Halle und legte 1936 das Abitur an einem Oberlyzeum in Halle ab. Nach einem halben Jahr Arbeitsdienst machte sie in Braunschweig eine Ausbildung zur Volksschullehrerin. 1938 schrieb sie sich an der Universität Heidelberg ein, wechselte 1939 nach Leipzig und studierte hier Germanistik, Geschichte und Geographie.
An der Leipziger Universität hörte sie unter anderem Vorlesungen bei Prof. Dr. phil. Otto Vossler (1902-1987), 1939-1945 ordentlicher Professor für Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig, bei Prof. Hans-Georg Gadamer (1900-2002), seit 1939 ordentlicher Professor und Direktor des Philosophischen Instituts der Universität Leipzig, sowie bei Hermann August Korff (1882-1963), Professor für Germanistik. Zu ihrem Freundeskreis gehörten Studentinnen und Studenten, die wie sie dem nationalsozialistischen Regime kritisch gegenüber standen, so Marianne Goerdeler (1919-2011), Tochter des Leipziger Oberbürgermeisters Carl Friedrich Goerdeler (1884-1944), Käte Lekebusch (1921-2008), später die zweite Frau von Prof. Gadamer, die 1944 vom Volksgerichtshof wegen Wehrkraftzersetzung angeklagt wurde und knapp dem Tod entkam, Renate Drucker (1917-2009), ab 1950 Leiterin des Universitätsarchivs Leipzig und 1992 Mitbegründerin der Ephraim-Carlebach-Stiftung in Leipzig, dazu Karl-Erich Born (1922-2000), später Professor in Tübingen, Rosemarie Herrmann und Elisabeth Grosch. 1944 promovierte Margarete Bothe bei Professor Vossler zum Thema "Das Verhältnis von Moral und Politik bei Kant, Fichte, Herder und Hegel". Ihr Biograf Wulf Bothe, ein entfernter Verwandter, hebt die "erstaunlich unheroischen, unzeitgemäßen, dem Geist des Regimes geradezu widersprechenden Zitate Kants und Herders zum Thema Krieg" in ihrer Dissertation hervor. Im gleichen Jahr beendete Margarete Bothe ihr Studium mit dem Staatsexamen für das höhere Lehramt und plante ihren Umzug nach Hannover, wo ihre Eltern lebten.
Am 1. Dezember 1944 wurde Margarete Bothe inhaftiert. Man beschuldigte sie, im Wohnzimmer ihrer ehemaligen Vermieter, Dr. Alfred Menzel und seiner Frau Margarethe, die als Regimegegner bekannt waren, ausländische Rundfunksender gehört, das Ehepaar Menzel aber nicht angezeigt zu haben. Der sehr konkrete Vorwurf der NS-Behörden ging wahrscheinlich auf die Denunzierung Margarete Bothes durch eine Hitler-treue Kommilitonin zurück. Der Prozess gegen Margarete Bothe endete im Februar 1945 mit einem Freispruch, den die Gestapo aber nicht anerkannte und sie aus der Untersuchungshaft in die Gestapohaft Gefängnis Wächterstraße überführte. Außer "Rundfunkverbrechen" wurde Margarete Bothe auch der freundschaftliche Umgang mit der Familie Goerdeler und Käte Lekebusch angelastet. Die Freundin Elisabeth Grosch hielt während der Haft den Kontakt zu Margarete Bothe und zu deren Eltern in Hannover. Mit der zeitweisen Zellengefährtin Hertha Goldmann, Frau des Verlegers Wilhelm Goldmann, freundete sich Margarete Bothe an. Beide Frauen gaben einander Kraft.
Am 12. April 1945 stellte die Gestapo eine Namensliste von 130 Häftlingen zusammen, die zur Exekution vorgesehen waren. Die Liste wurde reduziert, da das Erschießungskommando nicht genügend Einsatzkräfte hatte. 52 Gefangene aus den Gefängnissen Wächterstraße und Riebeckstraße, deren Namen auf der Liste verblieben waren, wurden mit einem Bus zum Exerzierplatz Lindenthal gefahren und dort erschossen, unter ihnen Menschen, die wie Margarete Bothe wegen des Abhörens ausländischer Sender und Weiterverbreitens der Nachrichten in Haft gekommen waren, sowie die Leipziger Widerstandskämpfer Paul Küstner und Alfred Kästner. Nach der Entdeckung des Massengrabs in einem Bombentrichter am 2. Mai 1945 wurden die Toten auf dem Lindenthaler Friedhof beigesetzt. Elisabeth Grosch sorgte für die Einäscherung der Leiche ihrer Freundin Margarete Bothe und die Überführung der Urne auf den Stadtfriedhof in Merseburg.
Werke
- "Das Verhältnis von Moral und Politik bei Kant, Fichte, Herder und Hegel", Dissertation, 1944.
Adressen in Leipzig
- Autorin: Brandvorwerk 78
- 01.10.1942 - 20.03.1944: Nordstraße 69, 2. Etage, bei Menzel
- 14.06.1944 - 01.12.1944: Beaumontstraße 27 (heute Heinrich-Budde-Straße) bei Läritz
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Stolperstein Heinrich-Budde-Straße 27 (seit 2011, 04157 Leipzig)
- Gedenkstätte für 53 Ermordete, 04158 Leipzig-Lindenthal, Straße der 53/Ecke am Tannenwald, von 1954/1960, mit Nennung der bekannten Namen der Opfer [Zur Anzahl der Ermordeten und am 2. Mai 1945 aufgefundenen Toten, 52 oder 53, gibt es unterschiedliche Forschungsergebnisse]
- Bothestraße (seit 1947, 04155 Leipzig)
- Eintrag in das Ehrenbuch der Universität Leipzig
- Eintrag auf der Gedenktafel der Universitätsbibliothek Leipzig
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Wulf Bothe, Bothe, Margarete Charlotte, in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V., bearbeitet von Martina Schattkowsky, Online-Ausgabe: http://www.isgv.de/saebi/ (30.10.2013).
- Wulf Bothe, "Verzweifeln tue ich nicht!". Vor 60 Jahren erschoss die Gestapo die Leipziger Absolventin Margarete Bothe, in: Uni-Journal, Heft 2/2005, Seite 42 und folgende.
- Sächsische Lebensbilder, Band 6/1, Stuttgart 2009, Seiten 45-95 (P).
- http://www.stolpersteine-leipzig.de/index.php?id=237.
- Markus Cottin und andere: Leipziger Denkmale, Band 2, Beucha 2009.
Autorin: Gerlinde Kämmerer, 2013