Mothes-Günther, Paula Charlotte (Dr. jur.) - Leipziger Frauenporträts
Paula Mothes-Günther © SächsStA Leipzig, Landgericht Leipzig, Nr. 1586. Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Recht
geboren/ gestorben
11. August 1898 (Leipzig) - 4. Dezember 1971 (Dresden)
Zitat
"Ich entstamme einer Hugenottenfamilie und gehöre dem reformierten Bekenntnis an."
Kurzporträt
Paula Mothes-Günther war die erste Rechtsanwältin in Leipzig. Die Biografie der Ehefrau, Mutter von drei Kindern und beruflich engagierten Juristin war geprägt von drei ganz unterschiedlichen politischen Systemen: Weimarer Republik, NS-Diktatur, SED-Staat.
Herkunftsfamilie
- Vater: Dr. phil. Otto Günther, Oberbibliothekar (1861-1922)
- Mutter: Charlotte geborene Dürr (1872-?)
- Geschwister: Charlotte (1896-?)
Biografie
Leipzigs erste Rechtsanwältin Paula Mothes-Günther wurde am 11. August 1898 in Leipzig geboren. Sie kam aus einer bildungsbürgerlichen Familie; der Vater war Oberbibliothekar an der Leipziger Universitätsbibliothek. Die Mutter war Hausfrau. Paula Günther hatte eine zwei Jahre ältere Schwester und wuchs in einem evangelisch-reformierten Elternhaus auf. Nach dem Abitur hatte sich Paula Günther im Jahre 1917 an der Juristenfakultät der Universität Leipzig immatrikuliert.
Als sie ihr Jurastudium begann, bot dieses Studienfach Frauen sehr eingeschränkte berufliche Perspektiven. Jurastudentinnen waren im Königreich Sachsen vom Ersten Staatsexamen und somit zwangsläufig von der Referendarausbildung ausgeschlossen.
Der Zusammenbruch des deutschen Kaiserreichs und die Verkündung einer neuen Reichsverfassung mit den Artikeln zur Gleichstellung von Mann und Frau gaben den Weg für das weibliche Geschlecht in die Juristenberufe frei. Im März 1919 beteiligte sich Paula Günther an einer Petition an die sächsische Volkskammer, um die Zulassung zu den Juristischen Staatsprüfungen zu erwirken. Im Sommersemester 1920 konnten an der Universität Leipzig erstmals Jurastudentinnen die Erste Juristische Staatsprüfung ablegen. Paula Günther meldete sich an und schloss im Dezember 1920 die Erste Staatsprüfung mit Auszeichnung ab - hatte sie doch schon als Studentin mit "weit überdurchschnittliche[n] Kenntnisse[n]" auf sich aufmerksam gemacht. Am 1. Januar 1921 begann Paula Günther den mehrjährigen juristischen Vorbereitungsdienst und im Juli des Jahres heiratete sie. Ihr Ehemann war der 23 Jahre ältere, mit ihr verwandte Rechtsanwalt und Notar Rudolf Mothes. Zwei Jahre später wurde Paula Mothes-Günther an der Juristenfakultät mit magna cum laude promoviert. Ihre Dissertationsschrift trägt den Titel "Das Recht der Tarifschiedsgerichte". Das Tarifrecht war ein neuer Arbeitsschwerpunkt ihres Ehemanns. Zwei Tage nach der Promotion, am 7. Juli 1923, gebar sie ihr erstes Kind. Das Referendariat musste unterbrochen werden. Im Dezember 1924 wurde das zweite und im Dezember 1927 das dritte Kind geboren.
Nach fast sechsjähriger Unterbrechung beendete sie im Juli 1929 ihre Referendarausbildung und bestand mit gutem Erfolg die Zweite Staatsprüfung. Im Oktober 1929 erhielt Paula Mothes-Günther als erste Juristin in Leipzig die Zulassung als Rechtsanwältin beim Amtsgericht und beim Landgericht Leipzig und arbeitete in der Anwaltskanzlei ihres Ehemanns mit.
Nach 1933 richtete sich das Ehepaar Mothes im NS-Staat ein. Paula Mothes-Günther trat in die NS-Volkswohlfahrt und die NS-Frauenschaft ein. Am 1. Januar 1940 wurden sie und ihr Ehemann Mitglieder der NSDAP.
Die politische Neuordnung nach dem Zweiten Weltkrieg unter sowjetischer Militärbesatzung betraf auch die Justiz. Als ehemaliges NSDAP-Mitglied erhielt Paula Mothes-Günther Berufsverbot. Spätere Versuche, die Wiederzulassung als Rechtsanwältin zu erlangen, blieben erfolglos. So arbeitete sie als Grundstücksverwalterin und in der Anwaltskanzlei eines befreundeten Rechtsanwalts.
Seit der Zerstörung ihrer Wohn- und Büroräume in der Von-der-Pfordten-Straße 2 (heute: Simsonstraße) im Musikviertel beim Luftangriff am 6. April 1945 wohnte das Ehepaar Mothes in ihrem Sommerhaus mit Obstgarten in Cröbern bei Markkleeberg. Jeden Tag fuhren sie nach Leipzig in ihr neues Büro. Rudolf Mothes starb am 8. März 1968. Als Cröbern dem Braunkohlenabbau zum Opfer fiel, zog Paula Mothes-Günther nach Markkleeberg. Sie starb am 4. Dezember 1971 während eines Aufenthalts in Dresden. Ihre Urne wurde in der Grabstelle ihres Ehemanns auf dem Südfriedhof in Leipzig bestattet.
Werke
- Das Recht der Tarifschiedsgerichte, Universität Leipzig, Jur. Diss., Ms., 1923.
Adressen in Leipzig
- 1909 bis 6. April 1945: Simsonstraße 2 (1935-1945: Von-der-Pfordten-Straße)
- 1945 bis 1952: Harkortstraße 7 (Büro)
- 1953 bis 1964: Markt 9 (Büro)
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Steffen Held, Jurastudentinnen und Juristinnen in Leipzig in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Beispiel der ersten Rechtsanwältin, in: Ilse Nagelschmidt (Herausgeberin), 100 Jahre Frauenstudium an der Alma mater Lipsiensis, Leipzig 2007, Seiten 175-193.
- Steffen Held, Vor 75 Jahren - Leipzig hat erstmals eine "Frau Anwalt", in: Kammer aktuell. Informationen der Rechtsanwaltskammer Sachsen, 02/2005.
- Rudolf Mothes, Lebenserinnerungen, herausgegeben von Klaus Schmiedel, unter: http://www.quelle-optimal.de/rudolf_mothes.html
Autor: Steffen Held, 2014