Pondelik, Friederike - Leipziger Frauenporträts
Friederike Pondelik, um 1999 © privat Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Kunst
geboren/ gestorben
19. Mai 1943 (Leipzig) – 18. Dezember 2001 (Leipzig)
Zitat
"Sind es nicht gerade auch solche zu überwindenden Schwierigkeiten, die die Arbeit am Buch interessant machen?" (Friederike Pondelik 1977, in "Bestandsaufnahme", S. 3, LV).
Kurzporträt
Die Grafikerin Friederike Pondelik prägte von 1973 bis 1992 als künstlerische Leiterin das Gesicht des Leipziger Reclam-Verlages. Sie hatte bedeutenden Anteil an dessen Profilierung zu einer ersten bibliophilen Adresse in der DDR.
Herkunftsfamilie
- Mutter: Johanna Luise Würgau, 26.09.1910 in Grimma - 02.12.2013 in Sassnitz.
- Vater: Alfred Herbert Pondelik, 30.12.1911 in Leipzig - 24.08.1962 in Leipzig, Zahnarzt.
Biografie
Nach dem Abitur 1961 absolvierte Friederike Pondelik ein praktisches Jahr in einem grafischen Großbetrieb in Leipzig. Von 1962 bis 1967 studierte sie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Zu ihren Lehrer/-innen zählte Irmgard Horlbeck-Kappler (1925-2016). Nach dem Grundstudium entschied sie sich für die Fachklasse für Buchgestaltung von Egon Pruggmayer (1905-1983). Ihr Diplom erwarb sie bei dem berühmten Buchkünstler Walter Schiller (1920-2008), dessen Einflüsse in ihrem Werk sichtbar sind.
In ihrer Diplomarbeit 1967 gestaltete Friederike Pondelik den Text "Die Geburt des Friedens" René Descartes' von 1649 mit Farbholzschnitten von Rainer Herold. Dem Studium folgten einige Jahre freiberuflicher Tätigkeit auf Messen, Ausstellungen und für Verlage. 1973 engagierte der Verleger Hans Marquardt (1920-2004) die Dreißigjährige als künstlerische Leiterin des 1826 gegründeten Verlages Philipp Reclam jun. Leipzig. Sie blieb für lange Zeit die einzige Frau, die sich in diesem Metier behauptete. In den übrigen Verlagen der DDR waren fast ausschließlich Männer in einer solchen Funktion tätig. Vor ihr hatte Irmgard Horlbeck-Kappler in freiberuflicher Tätigkeit seit 1962 die Umschläge der Sonderreihe von „Reclams Universalbibliothek“ mit neuartigen kalligrafischen Schriftlösungen gestaltet. Friederike Pondelik bereicherte die Einbände der Taschenbücher nun durch Fotografien und Werke der bildenden Kunst. Sie verlieh den berühmten Reclam-Bändchen damit abermals ein neues und unverwechselbares Erscheinungsbild.
Die Vielzahl der unter ihrer Ägide von Reclam beauftragten, teils sehr bekannten Künstler war einzigartig. Enge Kontakte pflegte sie auch zu Literaten sowie zu Kennern und Vermittlern moderner Kunst, etwa zu Rudolf Mayer in Dresden, Klaus Werner in Leipzig und Lothar Lang auf Schloß Burgk. Als künstlerische Leiterin förderte sie junge Nachwuchskünstler wie Wolfgang Henne, und ließ sie Bände von „Reclams Universalbibliothek“ illustrieren, so dass diese Gelegenheit bekamen, sich einen Namen zu machen.
Seit Pondeliks Eintritt in den Verlag wurde der bibliophile Bereich des Programms erweitert. Mit ihrer Unterstützung konnte Verlagsleiter Hans Marquardt seine Pläne verwirklichen, Grafik-Mappen, schöne illustrierte Bücher sowie die Drucke der „Dürer-Presse“ mit Werken von zeitgenössischen Künstlern herauszubringen. Lothar Lang, ein bedeutender Kenner der DDR-Kunst, spendete ihrer Arbeit höchstes Lob: „Ihre Mappenwerke sind typographisch stets sehr gelungen. Auch dafür bedanke ich mich.“
Zu den Sensationen der „Dürer-Presse“ gehörten die Bände „Wund-Denkmale“ (1984/85) von Gerhard Altenbourg sowie das Malerbuch „unaulutu“ (1986) von Frieder Heinze und Olaf Wegewitz, an deren Entstehung sie maßgeblich beteiligt war. Insgesamt gestaltete sie für den Reclam-Verlag 350 Umschläge von „Reclams Universalbibliothek“, 21 Buchausgaben und 34 Mappen mit Originalgraphik. Selbst der Hauszeitschrift „Das Reclam-Buch“ verlieh sie ein ansprechendes typographisches Gewand.
Zeitweilig war Friederike Pondelik Jurymitglied beim jährlichen Wettbewerb des Ministeriums für Kultur der DDR um die „Schönsten Bücher der DDR“.
Nach 1990 veränderten sich die Bedingungen für den Verlag und den Absatz seiner Bücher.
Auf der Suche nach Möglichkeiten, die in Westdeutschland unter anderen Verlagsnamen erschienenen Werke dem Publikum bekannter zu machen, veranstalteten die Reclam-Mitarbeiter 1991 eine Ausstellung in Kiel. Im Vorwort des Katalogs schrieb der Veranstalter anerkennend: „So erleben wir nun ein Beispiel hoher Buchkultur in der ehemaligen DDR trotz der Schwierigkeiten einer ökonomischen Mangelgesellschaft und einer zentralistischen Kulturpolitik.“ (Vgl. Kunst-Buch Buch-Kunst, s. LV). Friederike Pondelik, die Katalog und Ausstellung gestaltete, hatte an dieser Entwicklung im Reclam-Verlag entscheidenden Anteil gehabt. Das Vorhaben der Mitarbeiter, nach der Wende den Leipziger Verlag in eine Stiftung umzuwandeln, um das bisherige Profil zu erhalten, scheiterte.
In der DDR hatte das Leipziger Stammhaus unter Treuhandverwaltung gestanden, ab 1955 musste es staatliche Beteiligung akzeptieren. Die Familie Reclam, die 1947 einen Parallel-Verlag in Stuttgart gründete, wurde in Leipzig als sogenannte Minderheitsgesellschafter praktisch enteignet. 1992 wurde das Leipziger Stammhaus des Verlags von der Treuhandanstalt an die frühere Eigentümerfamilie in Stuttgart-Ditzingen rückübertragen. Das Programm wurde nun von der neuen Geschäftsleitung bestimmt und eingeschränkt, die Gestaltung der Bücher in andere Hände gelegt. Die langjährige künstlerische Leiterin verließ den Verlag und war seit 1993 wieder freiberuflich tätig, unter anderem für den Leipziger Bibliophilen-Abend, für die Sisyphos-Presse bei Faber & Faber, den Kinderbuch-Verlag Edition Moses in Kempen sowie die Galerie Pikanta in Leipzig. Nebenher betrieb sie die nach ihrem Wohnsitz, der Naunhofer Straße in Stötteritz, benannte „Naunhof Press“. Im ersten Band, „Bestandsaufnahme“ (1999), berichtete sie über ihre zwanzig Jahre bei Reclam und die folgende Zeit.
Im Dezember 2001 erlag Friederike Pondelik im Alter von nur 58 Jahren einem Krebsleiden und wurde auf dem Leipziger Südfriedhof begraben. Am 15.02.2002 fand im Mendelssohn-Haus Leipzig ein Gedenkkonzert für die von Künstlern und Kollegen Hochgeschätzte statt. Auch die Galerie Pikanta erinnerte 2002 in einer Hommage an die Künstlerin.
Werke
Eigene Schriften:
- Reclambücher. In: Form und Zweck 31 (1986) 4, S. 34-37.
- Bestandsaufnahme: 20 Jahre für Reclam und ein bißchen mehr. Leipzig, Naunhof Press 1999.
Buchgestaltungen (Auswahl):
- Descartes 1649. Die Geburt des Friedens. Aragon 1946. Mit 11 Original Farbholzschnitten von Rainer Herold. Leipzig 1967. Diplomarbeit an der Hochschule für Grafik- und Buchkunst.
Für den Reclam-Verlag: 350 Umschläge von Reclams Universalbibliothek, 21 Buchausgaben und 34 Mappen mit Originalgraphik, u.a.
- Hymnus auf die Druckkunst von Victor Hugo. Mit Grafiken von Gerhard Altenbourg, Carlfriedrich Claus, Harald Metzkes, Rolf Münzner, Wilhelm Rudolph und Horst Zickelbein. Leipzig 1978 (Grafik-Edition, 4).
- Für Lothar Lang zum 60. [sechzigsten] Geburtstag am 20. März 1988 / Grafiken von Carlfriedrich Claus ... Mit Ausz. aus Künstlerbriefen an Lothar Lang u. seinem Text "Über Kunstkritik". Leipzig 1988. (Grafik-Edition, 28).
- Franz Kafka: Betrachtung. Mit 18 Steinzeichnungen von Hermann Naumann. Leipzig 1986.
- Robert Schneider: Schlafes Bruder. Leipzig 1992 (Umschlaggestaltung: Friederike Pondelik).
- HAP Grieshaber: Botschaften, Zeitzeugen. Bildbriefe, Holzschnitte, Texte. Leipzig Reclam 1983.
Für die Dürer-Presse im Reclam-Verlag:
- Gerhard Altenbourg: Wund-Denkmale. Leipzig 1984/85. [Zusammenstellung der Grafiken mit Christa Grimm]. Dürer-Presse, 1.
- Wigman, Mary Wigman: Tanz – leise, zärtlich, heftig, wild. Leipzig 1984. Dürer-Presse, 3.
- Hannah Höch: Bilderbuch 1945. Leipzig 1985. Dürer-Presse, 5.
- unaulutu. Steinchen im Sand. Malerbuch von Frieder Heinze und Olaf Wegewitz. 1986. Dürer-Presse, 6.
- Otto Pankok: Stern und Blume. Leipzig 1990. Dürer-Presse. 8.
- Hat nicht in den Wind geredet ...: Einzeichnungen, Malbriefe, Gedichte; für H(ans) M(arquardt) zum 12. August 2000.
Für Faber & Faber bzw. die Sisyphos-Presse, u.a.
- Hannah Höch: … fange die blauen Bälle meines Daseins. Berlin 1994. Druck der Sisyphos-Presse. 8.
Für den Leipziger Bibliophilen-Abend, letzte Werke:
- Friederike Kempner: Poesie ist Leben. Acht Bündelchen Gedichtetes von Friederike Kempner und zierlich Gestochenes von Egbert Herfurth. Hrsg. v. Herbert Kästner. 11. Leipziger Druck. Leipzig 2001.
- Karl Mickel: Das Marmorbild. Mit Farblithographien von Thomas Ranft. Leipzig: Leipziger Bibliophilen-Abend 2000 (Serie 24 x 34, Blätter zu Literatur und Graphik).
Für den Moses-Verlag in Kempen:
- ABC, beißen mich die Flöh. Zusammengestellt und typografisch angeordnet. Kempen: Moses 1995.
- Dazu zahlreiche Spielbücher.
Adressen in Leipzig
- 1943-1955 Wasserturmstraße 52.
- 1955-2001 Naunhofer Straße 67
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Wilhelm-Bracke-Medaille in Silber 1981 (Die 1967 vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler in Leipzig gestiftete Medaille wurde von 1968 bis 1989 in der DDR für "vorbildliche Leistungen im Dienste des Buches" verliehen.)
- Gedenkkonzert im Mendelssohnhaus in Leipzig am 15.02.2002.
- Hommage Friederike Pondelik. Graphikerin. Buchgestalterin. Künstlerin. Pikanta e.V. Kunstverein Leipzig Frühjahr 2002.
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Kästner, Herbert: Das schöne Buch im Reclam Verlag Leipzig von 1946 bis 1990. In: Sonntag, Ingrid: An den Grenzen des Möglichen. Berlin 2016, Seite 354-371.
- Kästner, Herbert: [Nachruf auf Friederike Pondelik]. In: Marginalien. Zeitschrift für Bibliophilie und Buchkunst. Band 166 (2002), Heft 2, Seite 105.
- Klitzke, Gert und Horst Bumke: Buchgestaltung in Leipzig seit der Jahrhundertwende. 1979, Seite 40.
- Klitzke, Gert: Die Drucke der Sisyphos-Presse. In: Illustration 63, Jahrgang 31, Heft 1, April 1994, Seite 16-19.
- Kunst-Buch Buch-Kunst. Eine Ausstellung des Reclam-Verlages. Redaktion: Friederike Pondelik. Leipzig 1991.
- Lang, Lothar: Reclam und Leipzig. In: Die Weltbühne. Vom 10. September 1985, Seite 1167-1169.
- Seyde, Jörg: Literatur und Kunst im Dialog. Eine Ausstellung des Verlages Philipp Reclam jun. Leipzig. Katalog des Museums der bildenden Künste. Leipzig 1985.
Autorin: Sabine Knopf (2021)