Röthig, Karoline Klara (geborene Helbig) - Leipziger Frauenporträts
Foto von Adolf Sander 1898 in: "Aus einer sächsischen Kantorei. Erinnerungen aus des Lebens Mittag von Bruno und Kläre Röthig." Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Musik
- Literatur
geboren/ gestorben
19. März 1867 (Freiberg/ Sachsen) - 18. April 1935 (Ebersbach/ Sachsen)
Zitat
"Viel Kraft hat mir Gott dazu schenken müssen, mein stilles Hausfrauenleben und Mutterglück der Reichsgottesarbeit meines Mannes zum Opfer zu bringen." (1932)
Kurzporträt
Klara Röthig erlangte als Sopranistin im Leipziger Soloquartett für Evangelische Kirchenmusik über Jahrzehnte national und international große künstlerische Anerkennung und war im Leipziger Schriftstellerinnen-Verein aktiv.
Herkunftsfamilie
- Vater: Johann Wilhelm Helbig, Domorganist, Oberlehrer an der Mädchenschule, Armenpfleger und Liedermeister in Freiberg/Sachsen sowie Dirigent des Elbgausängerbundes
- Mutter: Tochter der beliebten Leipziger Gastwirtin "Mutter Grimpe" (Christiane Caroline Schrey; Inhaberin des "Thüringer Hofes"), Schwester von Georg Grimpe (1853-1927)
- Schwester: jüngere Schwester Marie (? - nach 1935)
- Bruder: Ein Bruder fiel im ersten Weltkrieg.
Biografie
Karoline Klara (auch Clara, Cläre) Helbig wurde am 19. März 1867 in einer musikalischen evangelisch-lutherischen Familie in Freiberg geboren. Ihr Vater spielte als Domorganist die berühmte Silbermannorgel im Freiberger Dom, wirkte aber vor allem als Oberlehrer an der örtlichen Mädchenschule und zugleich als Armenpfleger. Der Wirkungskreis der Mutter war durch eine Lähmung der Hände sehr eingeschränkt, so dass Klara sehr früh den Haushalt der Familie bewältigen musste. Die Eltern sorgten für eine gute schulische und musikalische Bildung. Als Klara am 15. April 1887 den Lehrer, Kantor, Tenor, späteren Professor und Königlichen Musikdirektor Bruno Röthig im Elternhaus kennenlernte, war die 19-Jährige bereits erprobte Sängerin im Chor des Freiberger Musikvereins und im Chor der Liedertafel ihres Vaters. Bruno Röthig und Klara Helbig fanden sehr schnell zueinander, die öffentliche Verlobung war am 21. Mai 1887 - und schon am 21. Mai 1888 wurde im Freiberger Dom geheiratet.
Gustav Bruno Röthig (*1859) stammte aus Ebersbach/Sachsen und war nach verschiedenen Dorfschullehrerstationen Mitte der 1880er Jahre Lehrer an der Leipziger 6. Bürgerschule, ab 1885 Gründer und Leiter des Soloquartetts für Evangelischen Kirchengesang in Leipzig und ab 1889 Kantor sowie Chorleiter des Kirchenchores von St. Johannis.
Bei einem Besuch in Leipzig noch während der Verlobungszeit 1887 "überrumpelte" er praktisch seine Braut und drängte sie, für die nicht erschienene Sopranistin in seinem musikalischen Lutherspiel in der Leipziger Alberthalle einzuspringen. Offensichtlich gelang ihr Debüt so gut, dass Bruno Röthig ihre weitere Gesangsausbildung bei seinem Gesangslehrer Gottfried Weiß in Berlin beförderte und sie als Sopranistin dauerhaft in sein Soloquartett für Evangelischen Kirchengesang integrierte.
Dem Leipziger Soloquartett wurde im Laufe seiner Entwicklung eine einzigartige Stellung innerhalb der deutschen Quartettgesangsvereinigungen testiert, "das absolut frei von allen modernen Aspirationen" war und zielbewusst "für die Reformation des evangelischen Kirchengesangs" wirkte.
Während es im Quartett zu personellen Veränderungen kam, blieb das Ehepaar Röthig die Konstante. Dabei gelang es ihnen - auch mit Hilfe der Haushälterin Selma - eine bis dato selten praktizierte Vereinbarkeit von Familie, Mutterschaft und qualitativ hoher künstlerischer Betätigung zu praktizieren. Zum Haushalt gehörten drei eigene Kinder (Johannes Hermann, Gottlieb Walther und Elisabeth) sowie der Pflegesohn Johannes Zietzschmann, ein Kind der Schwester von Bruno Röthig, die bei Madras in Indien als Missionarin lebte: "Viel Kraft hat mir Gott dazu schenken müssen, mein stilles Hausfrauenleben und Mutterglück der Reichsgottesarbeit meines Mannes zum Opfer zu bringen."
Klara war für ihren Mann eine Partnerin, die ihn auch während seines regulären Schuldienstes, seinen Verpflichtungen als Kantor incl. Chorproben und -auftritten sowie der zunehmenden Konzert- und Reisetätigkeit des Soloquartetts bis zur Erschöpfung aktiv unterstützte und zunehmend Verantwortung übernahm. 1895 begann für das Soloquartett die Phase der nationalen und internationalen Tourneetätigkeit. Norddeutschland und die skandinavischen Länder waren der Anfang, die Konzerte wurden akribisch vorbereitet, alle Programme selbst konzipiert wie "Die christlichen Festzeiten", "Meistersinger deutsch-evangelischer Kirchenmusik vom 16. bis 19. Jahrhundert", "Das geistliche Volkslied vom 12. bis 18. Jahrhundert", "Das Schatzkästlein deutsch-evangelischer Kirchenmusik [...]".
Die Reisen führten neben hunderten von deutschen Städten auch ins katholische Italien (Turin, Rom). Sie gastierten in der Schweiz, den Niederlanden, Paris, London, allein zehnmal in Russland (unter anderem St. Petersburg), im Orient (Ägypten) und als Höhepunkt Ende 1900 drei Monate lang in 50 Städten der USA. Sogar der amerikanische Präsident empfing sie. Die Kinder blieben während dieser Reise in Leipzig - für den "Fall des Falles", dass man nicht heimkehrte, waren verschlossene Briefe von Klara Röthig an die Kinder hinterlassen worden. Nach glücklicher Rückkehr wurden diese am Silvesterabend 1900 verlesen.
Die sehr erfolgreichen Tourneen wurden in den Medien aufmerksam reflektiert, der Bekanntheitsgrad nahm ständig zu. Die Auftritte dienten generell nicht als Erwerbsquelle. Es ging um die fast missionarische Verbreitung des protestantischen Kirchenliedgutes - vor allem die Unterstützung der einladenden Kirchgemeinden. Nach Abzug von Spesen und Reisekosten spendeten die Quartettmitglieder den Reinerlös jeweils für wohltätige Zwecke vor Ort.
Für Klara Röthig boten die ausgedehnten Reisen zudem Gelegenheit, das Erlebte literarisch in Form von Reisebeschreibungen und Vortragstätigkeit zu verarbeiten. So kam sie mit dem Verein Leipziger Schriftstellerinnen und Mathilde Clasen-Schmid in Kontakt und wirkte viele Jahre als Vorstandsmitglied, unter anderem als Kassiererin. Mit Spannung wurden ihre Vorträge in den Veranstaltungen erwartet und reflektiert.
Im ersten Weltkrieg, dem ihr ältester Sohn als Kommandant eines Torpedobootes 1916 und einer ihrer Brüder zum Opfer fiel, fungierte das Quartett als Teil der Truppenbetreuung in 760 Aufführungen in Lazaretten mit ihrem als Trostspende gedachten Programm: "Deutsches Lied für deutsches Leid". Das Röthig'sche Quartett wurde deshalb mit der Rote-Kreuz-Medaille ausgezeichnet.
In den zwanziger Jahren schrieb sie mit an den Erinnerungen und Reiseberichten, war mit ihrem Mann in der Johanniskirchgemeinde und der Leipziger Kirchenmusikszene aktiv. Klara Röthig starb bei einem Besuch im Vaterhause ihres Mannes in Ebersbach am 18. April 1935. Bestattet wurde sie in der Grabstelle ihres bereits am 24. März 1931 verstorbenen Mannes auf dem Leipziger Südfriedhof.
Werke
- Als Mitautorin: Aus einer sächsischen Kantorei. Erinnerungen aus des Lebens Mittag von Bruno und Kläre Röthig. Berlin ohne Jahr [1932].
Adressen in Leipzig
- 1888-1891: Moltkestraße 40, 1. Etage
- 1891-1893: Moltkestraße 50, 2. Etage
- 1893-1904: Sophienstraße. 12, 3. Etage
- 1904-1917: Südstraße 9 (heute: Karl-Liebknecht-Straße), 2. Etage
- 1917-1932: Kaiser-Wilhelm-Straße 19 (heute: August-Bebel-Straße), 1. Etage
- 1932-1935: Tieckstraße 6
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Bruno Röthig: Von Kontinent zu Kontinent. Ein "Soli Deo Gloria". Denkschrift über die Konzertreise des Leipziger Solo-Quartetts für Ev. Kirchengesang nach Russland, Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika im Spätherbst 1900, St. Petersburg und Leipzig ohne Jahresangabe [1901].
- derselbe: Aus der Jugendzeit klingt ein Lied : Jugenderinnerungen, Berlin ohne Jahresangabe [1931].
- C. Droste: Leipziger Soloquartett für Kirchengesang, in: Illustrirte Zeitung, Nummer 2954 vom 08.02.1900, Seite 195.
- Dichtung und Prosa von Leipziger Frauen, herausgegeben vom Verein Leipziger Schriftstellerinnen, Leipzig 1914, Seite 143.
- [ungez. Beitrag] Bruno Röthig (1859-1931), in: Johanniskirchturm Rundblick, herausgegeben vom Johanniskirchturm e. V., 5. Jahrgang 2010, Nummer 2, Seite 8.
- Die literarische Praxis, Jahrgang 1901-1910 (mit monatlichen Berichten über den Leipziger Schriftstellerinnenverein, dabei wird die Vortragstätigkeit von Klara Röthig reflektiert).
Autor: Dr. Manfred Leyh, 2017