Steche, Lidy (geborene Angermann) - Leipziger Frauenporträts
Lidy Steche mit ihrem Sohn Maximilian, 1831 Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Salonkultur
- Musik
geboren/ gestorben
25. November 1805 (Weimar) - 1878 (Leipzig)
Zitat
"Frau Steche hat sich damit das Verdienst erworben, einen großen Theil des musikalischen Publikums mit dem Wagner'schen Kunstwerke [Lohengrin] ... vertraut gemacht zu haben..."
(Neue Zeitschrift für Musik, Band 29, 1853, Seite 281)
Kurzporträt
Die Sängerin Lidy Steche, geborene Angermann, unterhielt nach ihrer Heirat einen musikalischen Salon, in dem berühmte Persönlichkeiten aus der Welt der Musik verkehrten. Mit ihrem 1840 gegründeten Gesangsverein studierte sie Werke von Wagner, Liszt und anderen Komponisten ein, für deren öffentliche Aufführungen sie viel Lob erntete.
Herkunftsfamilie
- Vater: Christian Friedrich Angermann (1763-1822) aus Borna, Churfürstlich Sächsischer Hofchirurg und sächsisch-weimarischer Hofzahnarzt zu Leipzig, Bürgereid in Leipzig: 15.6.1792
- Mutter: Christiana Maria Beer aus Ronneburg;
- eschwister:
- Ernst (gestorben 1799, 8 Jahre)
- Wilhelmina (gestorben 1818, 25 Jahre)
Biografie
Lydia (Lidy) Angermann wurde 1805 in Weimar als Tochter eines Leipziger Zahnarztes geboren, dem aufgrund seiner Geschicklichkeit und seiner Französischkenntnisse vom Weimarer Hof ein Titel verliehen wurde. Nach dem Tod des Vaters, der einen Teil seines Vermögens verloren hatte, war die Familie darauf angewiesen, sich ihren Unterhalt selbst zu verdienen. Die verwitwete Mutter betrieb, wohl mit fremder Hilfe, die Zahnarzt-Praxis ihres Mannes und ein Magazin mit Zahnmedikamenten weiter.
Die musikbegabte Tochter Lidy machte sich dagegen Hoffnungen auf eine Sängerinnenkarriere. Während der Konzertsaison 1823/24 und 1824/25 war sie zweite Solosängerin am Gewandhaus und erhielt dafür ein Honorar von jeweils 100 Talern. Zusätzlich bekam sie Gesangsunterricht bei der Sängerin Marianna Czegka, die 1823 bis 1825 am Stadttheater Leipzig tätig war und zuvor schon Henriette Sonntag ausgebildet hatte.
Die Heirat mit dem Juristen Franz Albert Steche (1798-1865) am 6. August 1827 bedeutete für sie eine gesicherte Zukunft, aber auch das Ende ihrer früheren Pläne. Sie gebar sechs Kinder: Maximilian (1830-1867), Komponist; Otto (1834-1908), Mitbegründer von Heine & Co. zur Herstellung ätherischer Öle (später Aromawerke), Viktor Leo (1835-?), Richard (1837-1893), Architekt (Eilenburger Bahnhof in Leipzig) und Kunsthistoriker (Begründer der sächsischen Denkmalpflege), Maria Elisabeth (1838-?) und Lidy Hedwig (1840-?).
Wohl spätestens nach der Geburt der jüngsten Tochter 1840 nahm sie ihre musikalische Tätigkeit wieder auf, aber unter veränderten Vorzeichen: Sie gründete einen Gesangsverein und veranstaltete in ihrer Wohnung jeden Sonntag musikalische Matineen. An diesen Veranstaltungen nahmen nicht nur Mitglieder des Theaters und des Gewandhauses teil, sondern auch sogenannte Dilettanten. Bei Lidy Steche verkehrten bekannte Komponisten wie Mendelssohn, Berlioz, Brahms, Wagner, Smetana, die Schumanns, Heinrich Marschner, und Interpreten/-innen wie Henriette Sontag, Joseph Joachim und Wilhelmine Schröder-Devrient. Die Namen ihrer Gäste zeugen von dem hohen Rang der musikalischen Matineen; offenbar war Lidy auch eine anziehende Persönlichkeit.
Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig bewahrt ein Album mit Eintragungen ihrer zum Teil sehr berühmten Besucher. Sie führte in privatem Kreise Werke von Wagner, Liszt, Mozart und Spohr sowie Motetten von Palestrina und Lotti auf; manche der Veranstaltungen waren auch öffentlich.
Als besonders spektakulär galt die Aufführung von Wagners "Lohengrin" am 18. Dezember 1853 unter ihrer musikalischen Leitung am Klavier. Diese Veranstaltung, die im Saal der Leipziger Loge Minerva stattfand, wurde in der Fachpresse als mustergültig bezeichnet.
Die "Neue Zeitschrift für Musik" schrieb dazu: "Es war dies die erste Aufführung des gesamten Werkes in Leipzig, und Frau Steche hat sich damit das Verdienst erworben, einen großen Theil des musikalischen Publikums mit dem Wagner'schen Kunstwerke so vertraut gemacht zu haben, daß die demnächst bevorstehende Aufführung im Theater den bei diesen Proben Betheiligten um so mehr Genuß gewähren wird. Die Aufführung im Ganzen war eine gelungene, was um so mehr Anerkennung verdient, da die Soli sowohl wie die Chöre größtentheils von Dilettanten ausgeführt wurden."
Wagner widmete ihr zum Dank ein Albumblatt mit einer Komposition ("Leb wohl! Du wilde Wasserfluth...") aus seiner Oper "Lohengrin", die er wegen der "Notwendigkeit dramatischer Haushaltung" wieder aus dem Werk entfernt hatte. Sie wurde erst 1893 veröffentlicht. Die eigentliche Erstaufführung des "Lohengrin" am 7. Januar 1854 am Leipziger Theater galt dagegen als die schlechteste überhaupt, Wagner betrachtete sie als ein "Attentat" gegen sich.
1855 trat Lidy Steches Gesangsverein mit Franz Liszts "Ave Maria" für gemischten Chor und Orgel in der Katholischen Kirche in Leipzig auf. Liszt kam nach Leipzig, um der Veranstaltung beizuwohnen und übernahm auf Wunsch der Mitwirkenden sogar die musikalische Leitung. Am Nachmittag sang der Gesangsverein noch in privatem Kreis die Lisztschen Chöre zum Epilog von Goethes "Faust", die der Komponist 1849 zum 100. Geburtstag Goethes geschrieben hatte.
Lidy Steche unternahm auch musikalische Reisen und wirkte an Aufführungen außerhalb Leipzigs mit, etwa beim Musikfest in Ballenstedt 1852. In Weimar war sie regelmäßig bei Franz Liszt in der Altenburg zu Gast. Sie nahm auch am Goethe-Schiller-Fest in Weimar im September 1853 teil, bei welchem Anlass sie zufällig neben Hans Christian Andersen saß. Sowohl über die Matineen in ihrem Haus als auch über ihre musikalischen Reisen führte sie Tagebuch.
Nach dem Tod ihres Ehemanns im Jahre 1865 zog sie sich in das Sommerhaus der Familie nach Plagwitz zurück, das auch von ihrem Sohn Otto, dem Kompagnon von Karl Heine (bei Heine & Co.) bewohnt wurde. Lidy Steche starb 1873.
Werke
- Tagebücher (unveröffentlicht)
Adressen in Leipzig
- 1805: Peterstraße 68
- 1823: Am Ranstädter Thor, Eckhaus am Brühl (Wohnung Dr. Angermann)
- 1825: Brühl 317, Eckhaus am Ranstädter Thor
- 1827: Franz Albert Steche, Brühl 317
- 1830: Barfußgäßchen 175
- 1840: Barfußgäßchen 13, Wohnung: An der Pleiße 7
- 1845-49: Barfußgäßchen 13
- 1853: Hainstraße 28 (Grauer Wolf)
- 1867: Plagwitz: Leipziger Straße 41 c (die spätere Karl-Heine-Straße 4)
- 1873: Plagwitz: Leipziger Straße 1/ 54 (die spätere Karl-Heine-Straße 4, abgerissen)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Album von Lidy Steche im Stadtgeschichtlichen Museum
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
Literatur
- Christian Friedrich Angermann. In: Neuer Nekrolog der Deutschen. Jahrgang 1, Heft 2. Ilmenau 1824, Seite 886-888.
- Dörffel, Alfred: Geschichte der Gewandhausconcerte in Leipzig vom 25.November 1781 bis 25.November 1881. Leipzig 1884.
- La Mara [Marie Lipsius]: Franz Liszt's Briefe. Band 1. Leipzig 1893.
- Lier, Hermann Arthur: Richard Steche. Ein Nekrolog. In: Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde. Band 14 (1893), Seite 125-137 [über Lidy Steche Seite 127].
- Meixner, Christoph: "Das Concert, wo ich die Ueberraschung hatte, Andersen ganz dicht neben mir sitzen zu haben...". In: Stölzl, Christoph: Réminiscences à Liszt. Weimar 2011, Seite 169-174.
- Meixner, Christoph: Die Tagebücher einer kunstsinnigen Dilettantin. In: Liszt-Nachrichten. Nummer 16 & 17. 2012, Seite 61-62.
- Mundus, Doris: Ein Autograph Richard Wagners aus dem Stammbuch Lidy Steches vom 23. August 1853. In: Gewandhaus-Magazin Nummer 57, Winter 2007/2008, Seite 40-43.
- Naubert, A.: Ein bisher ungedrucktes Stück Lohengrin. In: Allgemeine Musik-Zeitung. 20. Jahrgang (1893), Seite 72-73.
- Neue Zeitschrift für Musik. Band 37, 1852, Seite 6. [Musikfest in Ballenstedt mit Lidy Steche]. - Band 40, 1854, Seite 27-29. [über die Aufführung des Lohengrin von R. Wagner]. - Band 42, 1855, Seite 242. [über die Aufführungen von Franz Liszts "Ave Maria" und die Lisztschen Chöre zum Epilog von Goethes Faust].
- Wagner, Richard: Sämtliche Briefe. Band 5. September 1852 - Januar 1854. Leipzig 1967.
Quellen
- Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf: Briefe von Clara Schumann an Lidy Steche.
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig. Album von Lidy Steche. Inventar-Nummer A/2174/2010/37. digitale Version auf der Website des Museums.
(Beiträger unter anderem Mendelssohn, Robert und Clara Schumann, Richard Wagner, Franz Liszt, Hector Berlioz, Niels Gade, Louis Spohr, Heinrich Marschner, Henriette Sontag, Henriette Grabau, Johanna Wagner, Joseph Joachim, Ignaz Moscheles, Anton Rubinstein). - Hochschule für Musik Franz Liszt, Weimar (Hochschularchiv):
Lidy Steche, Tagebuch (HSA|ThLMA, 100/A5).
Lidy Steche, Tagebuch der musikalischen Reisen (HSA|ThLMA, 100/A4).
Autorin: Sabine Knopf 2018