Laut Statut wird der Preis an eine Persönlichkeit aus Kultur, Kunst, Wissenschaft, Religion, Politik und Publizistik verliehen, die sich im Geiste Robert Blums sowie im Einklang mit den Werten der Friedlichen Revolution vom Herbst 1989 für Demokratie, Parlamentarismus, Meinungsfreiheit, Aufklärung, gewaltfreien Wandel sowie für innerdeutsche und/oder europäische und weltweite Verständigung einsetzt. Ein besonderer Aspekt liegt dabei auf öffentlichen Ausdrucksformen, wie beispielsweise wegweisenden Reden.
Frau Sandu ist seit dem 24. Dezember 2020 Präsidentin der Republik Moldau, einem Land mit der Regierungsform einer parlamentarischen Republik, das mit seinen aktuell 2,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern (2023) zu den kleinsten und wirtschaftlich schwächsten Ländern Europas zählt.
Geboren am 24. Mai 1972 im Dorf Risipeni im Landkreis Fălești der damaligen Moldauischen Sowjetrepublik, studierte Frau Sandu von 1989 bis 1994 an der Wirtschaftsakademie von Chișinău und wechselte dann an die Akademie für Verwaltungswissenschaften, die sie 1998 mit dem Mastertitel für Internationale Beziehungen verließ. Sie arbeitete zunächst bis 2005 für die Niederlassung der Weltbank in Chișinău und bis 2009 in Leitungsfunktionen im Wirtschaftsministerium der Republik Moldau. 2010 schloss sie ein Studium an der John F. Kennedy School of Government der Harvard-Universität mit dem Mastertitel für öffentliche Verwaltung ab und war daraufhin als Beraterin des Exekutivdirektors der Weltbank in Washington tätig. Neben ihrer Muttersprache Rumänisch spricht sie Englisch, Russisch und Spanisch.
Vielfältige politische Funktionen, Wahl zur Staatspräsidentin 2020
Im Juni 2012 wurde sie zur Ministerin für Bildung und Kultur ihres Landes berufen, was sie bis zum Scheitern der damaligen Regierung im Juli 2015 blieb. Im Mai 2016 gründete sie zusammen mit Gleichgesinnten die Partei Aktion und Solidarität (PAS), deren Vorsitz sie, nach einer kurzen Amtszeit als Ministerpräsidentin, bis zu ihrer Wahl als Präsidentin der Republik am 15. November 2020 innehatte.
In ihren vielfältigen politischen Funktionen konnte Frau Sandu beobachten, wie persönliche Interessen, Verantwortungslosigkeit und Korruption die Fortschritte ihres Landes behinderten. So sah sie es als eine vordringliche Aufgabe an, gut ausgebildete und selbstlos handelnde Menschen in führende Positionen zu bringen. Den Schlüssel dafür sah sie in der Bildung, weshalb sie das Angebot annahm, zunächst das Ministerium für Bildung und Kultur zu übernehmen. Gegen zahlreiche Widerstände im eigenen Beamtenapparat und in der Politik trieb sie mit großer Energie eine Reform des Bildungswesens voran, die nicht zuletzt auch eine strenge Kontrolle der Schulabschlüsse beinhaltete. Wie nötig dies war, erwies sich, als sie bei einer der Überprüfungen den Ministerpräsidenten Chiril Gaburici selbst der Urkundenfälschung in Bezug auf sein Abitur überführen konnte, der daraufhin sein Amt niederlegen musste. Ihre Vision war es, der Jugend mit der Zurückdrängung der Korruption Bedingungen bereitzustellen, unten denen sich ehrliche Leistungen lohnten.
Dieselbe Kompromisslosigkeit erwies sie, als sie nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten von der Parteien-Allianz für die Europäische Union für das Amt der Ministerpräsidentin vorgeschlagen wurde. Das Amt übernehmen wollte sie aber nur unter der Voraussetzung, dass alle Amtsträger abgelöst würden, die die Aufarbeitung von Korruptionsfällen und Unterschlagung behindert hatten. Da zwei der in der Allianz vertretenen Parteien ihr dies versagten, beschloss sie die Gründung einer eigenen Wahlplattform, aus der sich im Januar 2016 die Partei Aktion und Solidarität (PAS) entwickeln sollte, die sie mit den Worten auf den Weg schickte, sie wünsche „eine politische Klasse, die das Volk mehr liebt als ihre eigene Tasche“. Dieses Prinzip war es, das ihr letztendlich den Sieg bei der Wahl zur Staatspräsidentin sicherte. In einer leidenschaftlichen Rede hatte sie zuvor – am 27. Oktober 2020 – erklärt, es sei „Zeit, in der Politik der Republik Moldau aufzuräumen". Als Präsidentin wolle sie erreichen, dass „die Menschen wieder an ihr Land glauben“, unabhängig von ihrer jeweiligen politischen Orientierung.
Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge, EU-Beitrittsverhandlungen
Große Umsicht und Hilfsbereitschaft legte Frau Sandu an den Tag, als nach der russischen Invasion in die Ukraine Hunderttausende in die Nachbarländer flohen, darunter in die Republik Moldau. Das kleine Land sah sich einer Welle von ukrainischen Geflüchteten gegenüber, die zeitweise bis auf 250 000 anwuchs und von denen heute immer noch ca. 80 000 geblieben sind. Die Unterbringung und Versorgung der Ukrainerinnen und Ukrainer war angesichts der knappen wirtschaftlichen Ressourcen des Landes eine riesige Herausforderung, der sich die Regierung mit maßgeblicher Unterstützung von Präsidentin Sandu erfolgreich gestellt hat.
Besondere Erfolge konnte Frau Sandu bei der Verwirklichung eines ihrer vorrangigsten politischen Projekte, dem Beitritt der Republik Moldau zur Europäischen Union, verbuchen, zu deren Zielen sie sich bekennt. Dass das Land seit Juni 2022 als EU-Beitrittskandidat geführt wird, ist zu einem großen Teil ihrem unermüdlichen Wirken zu verdanken, das der Republik Moldau eine sichere wirtschaftliche und politische Zukunft verspricht. Dafür will sie die gesamte Bevölkerung des Landes, unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, gewinnen. Dies stellte sie in ihrer begeistert aufgenommenen Rede am 21. Mai 2023 anlässlich der Großveranstaltung "Europäische Moldau" unter Beweis. In dieser sprach sie die Versammelten nicht nur in der Staatssprache Rumänisch an, sondern auch auf Ukrainisch, Russisch, Gagausisch und Bulgarisch, den Sprachen der Minderheiten.
Die unter ihrer Präsidentschaft durch ihr internationales Auftreten in bedeutendem Maße vertieften Beziehungen zur EU und ihren Mitgliedsstaaten haben dem Land bereits jetzt bisher kaum denkbare Entwicklungsmöglichkeiten und Ressourcen verschafft. In diesem Zusammenhang sind auch die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Moldau auf eine neue Stufe gestellt worden, was sich nicht zuletzt in einer neuen Quantität und Qualität der Projekte für wirtschaftliche, politische und wissenschaftliche Zusammenarbeit ausdrückt. Das Nachbarland Rumänien, mit dem die Republik Moldau in Sprache und Kultur historisch eng verbunden ist, hilft dieser verstärkt, sich der Herausforderung der Energieversorgung zu stellen. Ebenso ist das Verhältnis zwischen der Republik Moldau und der Ukraine heute so eng wie nie zuvor.
Mit der Verleihung des Leipziger Robert-Blum-Preises für Demokratie an Frau Sandu ehrt die Stadt Leipzig eine Persönlichkeit, die sich in vorbildlicher Weise ganz im Geiste Robert Blums unbeirrbar für Demokratie und europäische Verständigung einsetzt. Unter äußerst schwierigen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen beweist sie Mut, Durchsetzungskraft und Unbestechlichkeit bei der Verfolgung ihrer politischen Ziele. Sie kämpft für Demokratisierung und die Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien sowie die Integration in die Europäische Union. Mit ihrem ebenso klaren und unmissverständlichen wie leidenschaftlichen politischen Stil hat sie sich hohe nationale und internationale Anerkennung erworben.
Kuratorium Leipziger Robert-Blum-Preises für Demokratie
- Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig (Vorsitz)
- Dr. Skadi Jennicke, Kulturbürgermeisterin der Stadt Leipzig (Vertretung)
- Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Michael Kretschmer
- Maria Bering, Abteilungsleiterin bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)
- Dr. Ina Hartwig, Dezernentin Kultur und Wissenschaft, Frankfurt/Main
- Professorin Dr. iur. habil. Dr. rer. pol. habil. Sabine Freifrau von Schorlemer, Lehrstuhl für Völkerrecht, Recht der EU und Internationale Beziehungen an der TU Dresden
- Franziska Deutschmann, Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V. Leipzig
- Sir Christopher Clark, Regius Professor of History, St Catharine's College, Cambridge
- Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung
- Karsten Albrecht, Vorsitzender des Fachausschusses Jugend / Schule und Demokratie des Leipziger Stadtrates,
- Bert Sander, Vorsitzender FA Kultur, Leipziger Stadtrat