Thomanerchor, Thomasschule und die Thomaskirche feiern 2012 eine 800-jährige Verbindung, die das städtische Leben noch immer stark prägt und bereichert. Trotz aller Brüche werden diese drei Institutionen bis heute ihren ursprünglichen Aufgaben gerecht: Glauben zu leben, Musik und Kultur zu gestalten, Menschen zu bilden. Hier gibt es die wichtigsten Informationen über ein bedeutendes Jubiläum mit vielen Höhepunkten und einer Ausstrahlung weit über die Stadtgrenzen hinaus.
Veranstaltungshöhepunkte im Festjahr:
Zeitgenössische Festmusiken bilden Rahmen für 2012
Im Jubiläumsjahr wird neben vielen anderen Höhepunkten ein Zyklus von Festmotetten in der Thomaskirche das Festjahr einfassen. Das Bach-Archiv Leipzig als Partner der Thomana 2012 beauftragte fünf zeitgenössische Festmusiken, die zu den höchsten Kirchenfesten 2012/2013 in Folge uraufgeführt werden. Sie stammen von namhafte Künstler unterschiedlicher Herkunft, Konfession und kompositorischer Auffassung: Hans Werner Henze (Deutschland/Italien), Heinz Holliger (Schweiz), Brett Dean (Australien/Deutschland) und Krzysztof Penderecki (Polen).
Erste Festmusik: Epiphanias 2012
Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium , 6. Kantate, Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben, BWV 248
7.1.,15 Uhr, Motette, Thomaskirche
Zweite Festmusik: Ostern
Georg Christoph Biller
8.4., 9.30 Uhr, Festgottesdienst
21.4., 15 Uhr, Motette
14.6., 20 Uhr, Bachfest
Dritte Festmusik: Pfingsten
Hans Werner Henze
26.5.,15 Uhr, Motette
27.5., 9.30 Uhr, Festgottesdienst
14.6., 20 Uhr, Bachfest
Vierte Festmusik: Reformationsfest
Heinz Holliger
31.10., 9.30 Uhr, Festgottesdienst
3.11., 15 Uhr, Motette
Fünfte Festmusik: Weihnachten
Brett Dean
22.12., 15 Uhr, Motette
25.12., 9.30 Uhr, Festgottesdienst
Sechste Festmusik: Epiphanias 2013
Krzysztof Penderecki
6.1., 9.30 Uhr, Festgottesdienst
11.1., 18 Uhr, Motette
12.1.,15 Uhr, Motette
Die Festwochen
19. bis 25.3.: Festwoche des Thomanerchores
Gleich nach der Rückkehr der Thomaner von ihrer Jubiläumstournee nach Korea, Japan und Großbritannien beginnt am 19. März in Leipzig die Festwoche des Chores. Mit der Eröffnung der Sonderausstellung am 19. März im Stadtgeschichtlichen Museum, dem Festakt am 20. März in der Thomaskirche, einem Bürgerfest am 21. März im Neuen Rathaus und mit dem Fest der Knabenchöre (Dresdner Kreuzchor, die Regensburger Domspatzen und der Chor des King?s College aus Cambridge) am 24. März ebenfalls in der Thomaskirche sind nur die wichtigsten Höhepunkte benannt.
17. bis 23.9.: Festwoche der Thomasschule
Im September steht die Thomasschule im Zentrum. Mit einem Festakt am 17. September in der Thomaskirche gemeinsam mit dem Thomanerchor, dem Thomas-Schulchor und Amarcord wird das Jubiläum musikalisch eingeleitet. Eine Bildungskonferenz unter dem Titel Klassische Bildung in der Spaßgesellschaft am 18. September im Museum der bildenden Künste, ein Theaterfestival am 19. September, die Festmotette am 22. September und der Jubiläumsball im Gewandhaus gehören u. a. zu den Veranstaltungen, mit denen die Schule eindrucksvoll feiert.
31.10. bis 4.11.: Festtage der Thomaskirche
Mit dem Festgottesdienst zum Reformationsfest am 31. Oktober und der Uraufführung der vierten Festmusik von Heinz Holliger beginnt die Festwoche der Kirche. Sie ist ein Höhepunkt der Lutherdekade, die 2012 den Schwerpunkt Reformation und Musik hat. Gemeinsam mit der Theologischen Fakultät der Uni Leipzig veranstaltet die Kirche den zweitägigen Kongress (1./2. November) Kirche in der Gesellschaft. Die Woche beinhaltet auch Veranstaltungen wie das Thomaskonzert mit Jaromír Hnilicka als Jazz-Messe. Über das gesamte Festjahr finden Vortragsabende im Rahmen der Veranstaltungsreihe Gott und die Welt statt.
Zur Geschichte der Thomana:
Der Thomanerchor jugendlicher Botschafter in alle Welt
Leipzigs berühmter Knabenchor genießt heute weltweit großes Ansehen. 1920 führte ihn die erste Auslandstournee nach Dänemark und Norwegen. Seitdem wird er neben vielen Konzerten in Deutschland fast jährlich zu ausgedehnten Gastspielen ins Ausland eingeladen. Doch der Beginn der langen und einzigartigen Chortradition liegt beeindruckende acht Jahrhunderte zurück.
Im Jahr 1212 wurde der Thomaskirche eine Schule angegliedert, in der Knaben vor allem dafür ausgebildet wurden, den musikalischen Dienst anstelle der Chorherren zu übernehmen. Der Chor überlebte in seiner Historie nicht nur gesellschaftliche Veränderungen, sondern war auch als hoch geschätzter Klangkörper bei wichtigen historischen Ereignissen präsent. So zum Beispiel bei der Gründung der Leipziger Universität 1409 im Thomaskloster.
Herausragende Thomaskantoren prägten mit Einführung der Reformation in Leipzig den Thomanerchor. Darunter sind berühmte Namen wie Sethus Calvisius, Johann Hermann Schein, Tobias Michael, Sebastian Knüpfer, Johann Schelle und Johann Kuhnau zu finden. Zweifelsohne hat jedoch Johann Sebastian Bach die stärksten Spuren hinterlassen: Er formte in seinem 27-jährigen Thomaskantorat (1723 1750) den Chor maßgeblich und außerordentlich. Diese Zeit wirkt bis heute wunderbar nach.
Das Programm des Thomanerchores konzentriert sich auf die musica sacra (Kirchenmusik) und reicht von der Gregorianik bis zur Moderne. Die Werke des berühmtesten Thomaskantors, Johann Sebastian Bach, bilden hierbei einen zentralen Schwerpunkt. Der Thomanerchor ist neben dem Gewandhausorchester das musikalische Aushängeschild und ein erfolgreicher Kulturbotschafter der Stadt Leipzig. Der Tradition folgend, nach der die Chorknaben ursprünglich für ihren Schulunterricht, Unterkunft und Verpflegung in den Gottesdiensten und zu anderen musikalischen Diensten herangezogen wurden, gestalten die Thomaner auch heute noch die Motetten in der Thomaskirche. Die knapp 100 Thomaner leben heute gemeinsam im Thomasalumnat und besuchen die Thomasschule in unmittelbarer Nachbarschaft im Bachviertel.
Der heutige Thomaskantor Prof. Georg Christoph Biller ist der 16. nach Johann Sebastian Bach. Er führt die kirchenmusikalische Tradition seiner Vorgänger fort. Dabei legt Biller großen Wert auf einen liturgischen Aufbau der Motetten und Konzerte. Im Jahr 1992 begann er in den Samstagsmotetten den gesamten erhaltenen Bach-Kantatenzyklus in chronologischer Reihenfolge aufzuführen.
Die Thomaskirche
Die Thomaskirche ist eine der beiden Hauptkirchen der Stadt Leipzig und als Wirkungsstätte Johann Sebastian Bachs und der Thomaner weltweit bekannt. Als Marktkirche im 12. Jahrhundert errichtet wurde sie 1213 vom Markgrafen von Meißen (1162-1221) dem Augustinerkloster St. Thomas als Stiftskirche übergeben. Ihren Namen führt sie nach dem Jünger Thomas. Als Klosterkirche eines Chorherrenstifts erhielt die Kirche nun in Richtung Osten einen Anbau: Errichtet wurde der Chor im frühgotischen Stil. 1409 wurde die Universität Leipzig im Refektorium des Thomasklosters gegründet.
Zur Einführung der Reformation in Leipzig predigte am 25. Mai 1539 (Pfingstsonntag) Martin Luther (1483- 1546) in der Thomaskirche. Danach wurde sie als Predigerkirche umgestaltet. Auch in der Folgezeit kam es zu architektonischen Veränderungen an dem Sakralbau. Von 1884 bis 1889 wurde die Thomaskirche neugotisch umgestaltet.
Nach umfangreichen Restaurierungs- und Sanierungsarbeiten in den Jahren 1991 bis 2000 erstrahlt sie heute im neuen alten Glanz. Der Flügelaltar aus dem 15. Jahrhundert stand ursprünglich in der 1968 gesprengten Universitätskirche St. Pauli. Seit 1950 ist die Thomaskirche auch die letzte Ruhestätte Thomaskantors Johann Sebastian Bach. Die für ihre lange Orgel-Tradition bekannte Kirche verfügt über die große Sauer-Orgel (1889) und die im Jahr 2000 von Gerald Woehl gebaute Orgel. Die Thomaskirche ist heute nicht nur das Herzstück der 4.300 Mitglieder zählenden Ev.-Lutherischen Kirchgemeinde St. Thomas. Sie ist einer der zentralen Orte des Protestantismus in Deutschland. Zusätzlich zu den sonntäglichen Gottesdiensten finden freitags und samstags die Motetten statt.
Die Thomasschule
Die Thomasschule hat sich in den letzten Jahren nicht nur zu einer der leistungsstärksten und erfolgreichsten Bildungseinrichtungen in Mitteldeutschland entwickelt, sie ist mit ihrem Ganztagsangebot längst auch eine der vielfältigsten. Ihre Gründung erfolgte zeitgleich mit der des Chores und der Kirche im Jahr 1212. 1254 wurde die Thomasschule erstmalig als Schola exterior, als eine Schule, die auch Kindern Leipziger Bürger offen steht, erwähnt. Im Zuge der Einführung der Reformation ging die Thomasschule in städtische Trägerschaft über, blieb aber eine der führenden Lateinschulen Sachsens. Der Schulneubau erfolgte in der Schreberstraße in der Westvorstadt Leipzig und wurde mit dem Umzug 1877 vollendet. Das Alumnat kam 1881 hinzu. Seit dem Wiedereinzug der Thomasschule in das sanierte Gebäude in der Hillerstraße im September 2000 haben die Thomasschüler beste Lernbedingungen.
Das Wirken der Thomaner strahlt seit Jahrhunderten auf das musische Wirken innerhalb der Schule aus. Die kontinuierliche Ausprägung von Fähigkeiten im Musizieren sowie in Theorie und Geschichte der Musik stehen im Mittelpunkt der musischen Ausbildung. Neben der Musik sowie der bildenden und darstellenden Kunst gehören die Naturwissenschaften und Sprachen zum festen Bestandteil des Lehrplans. Angeboten werden Latein und Englisch, weiterhin Altgriechisch und Französisch. Möglich sind auch Abschlüsse wie Latinum und Graecum. Heute stehen den Schülern der Thomasschule zwei Chöre, ein Orchester, Theatergruppen und zahlreiche Kurse für weitere Fremdsprachen zur Verfügung.
Weitere Informationen:
thomana2012.de
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Leipzig feiert 800 Jahre Thomana
Datum: