Hierbei geht es aber nicht um die bloße Anschaffung irgendeiner Fachsoftware, sondern um die kulturelle Veränderung der Verwaltungsarbeit. Schlanke, vernetzte, IT-gestützte Prozesse und klare Verantwortlichkeiten schaffen den Spielraum, um zunehmend komplexeren Anforderungen entsprechen zu können. Hinzu kommen neue Arbeitsweisen und -methoden, die eine prozessorientierte und vernetzte Zusammenarbeit ermöglichen.
Im Ergebnis entstehen weit mehr als bloß elektronische Anträge und Akten. Die Stadtverwaltung arbeitet auch an Konzepten wie eCulture, OpenData, eRatsarbeit oder digitalen Beteiligungsformaten, um die Potenziale und Stärken der Digitalisierung auch in diesen Bereichen zu erschließen. Neue, digitale Angebote versprechen den Bürgerinnen und Bürgern ein digital erlebbares Leipzig. Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning spricht über die Fortschritte und Herausforderungen im Interview.
Interview mit Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning
Herr Hörning, welche Rolle spielen digitale Medien im Alltag für Sie?
Digitale Medien sind, ob man will oder nicht, überall präsent. Fast alle Menschen haben ein Smartphone. Die meisten, auch ich, kommunizieren digital, organisieren Reisen online, bilden sich via App, bezahlen mit dem Handy oder authentifizieren sich mit dem neuen Personalausweis. Steigender Komfort erleichtert die tägliche Nutzung. Dabei ist es mir wichtig, dass Funktionalität und Datenschutz in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Wenn eine App vermeintlich kostenlos ist, schaue ich schon zweimal hin, ob Sie es tatsächlich ist oder ob ich zum Preis des Datenschutzes die App „gekauft“ habe.
Auch Rettungsdienst und Feuerwehr sind Verwaltung
Welche Rolle spielt Verwaltung in Ihrem Leben?
Die Verwaltung ist der Maschinenraum des Gemeinwohls. Es geht um Vertrauen. Verwaltung verleiht Identität, sie unterbreitet Angebote in der Bildung, Kultur und Jugend. Sie gestaltet einen lebenswerten öffentlichen Raum und setzt die Regeln durch, die für dessen Erhalt nötig sind. Verwaltung begleitet die Menschen in fast jeder schwierigen oder herausfordernden Lebenslage. Auch der Rettungsdienst und die Feuerwehr sind Aufgaben der Stadt. Die Stadtverwaltung ist einfach nah an den Bürgerinnen und Bürgern dran. Mir ist aber auch bewusst, dass ein Spruch lautet: „Von der Wiege bis zur Bahre ... Formulare, Formulare.“ Und auch das ist Verwaltung. Für mich ist sie aber mehr als verstaubte Bürokratie. Sie gestaltet, das steht für mich im Vordergrund.
Wie passen digitale Medien und Verwaltung zusammen?
Zunächst schließen sie sich nicht aus und Corona hat einiges beschleunigt. Ich bin aber weiterhin der festen Überzeugung, dass beides sogar zueinander gehört, vielleicht sogar gehören muss. Verwaltung soll gestalten und begleiten und dafür muss sie sich auch der Realität anpassen.
"Können nicht jede Innovation als Erster haben"
Was haben Sie bislang erreicht in Sachen Digitalisierung?
Ehrlich gesagt, musste ich für mich feststellen, dass die Veränderungen, die angeschoben werden mussten, vielschichtiger sind, als es der erste Blick vermuten lässt. In der Stadtverwaltung gibt es eine Maxime, die heißt Vertrauen. Wir können in der Verwaltung nicht jede Innovation als Erster haben. Als Zweiter oder Dritter aber schon. Dennoch konnten wir in den vergangenen Jahren einige Projekte anschieben und umsetzen. Ich denke dabei an die digitalen Dienste der Bibliothek oder der Volkshochschule, an die elektronische Rechnung und Vergabe, an die Gründung des Referats Digitale Stadt, an die Ausstattung städtischer Liegenschaften mit W-LAN, an das neue leipzig.de, an die Online-Terminvergabe oder ganz aktuell das Soloselbstständigenprogramm auf amt24.sachsen.de. Wir haben auch Rückschläge gehabt, aber daraus lernen wir. Dazu kommen auch viele Projekte, die Bürgerinnen und Bürger nicht sehen können, aber die notwendig sind, um mehr digital anbieten zu können. wie zum Beispiel die e-Akte in den Ämtern. Ich bin optimistisch, dass wir in den kommenden Jahren das Haus der digital arbeitenden Verwaltung vollenden können.
Bedeutet Digitalisierung, dass künftig alle Leistungen nur noch online abgewickelt werden können und gibt es dann überhaupt noch Bürgerämter?
Ein ganz klares Nein zur reinen Online-Abwicklung. Wir wollen auch weiterhin die Leistungen vor Ort erbringen. Die digitalen Angebote sollen die analogen oder menschlichen Kontakte ergänzen.
Digital so selbstverständlich wie analog
Wie soll das konkret aussehen?
Digitale Angebote sollen genauso selbstverständlich sein wie die derzeitigen analogen Angebote. Am Ende entscheidet die Bürgerschaft, wie sie ihre Verwaltung in Anspruch nimmt. Unabhängig von diesen Zielgedanken müssen bis Ende 2022 die meisten Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital angeboten werden, so fordert es das Bundesgesetz. Ob wir dies schaffen? Ich weiß es nicht, arbeite aber mit vollem Ehrgeiz daran. Die Verwaltungsspitze hat kürzlich beschlossen, sich der Herausforderung zu stellen und 75 Leistungen elektronisch anzubieten. Auch hier liegt der Teufel im Detail. Wir stellen uns aber der Herausforderung und versuchen als Nächstes, die Bewerbung um einen Marktstand sowie ausgewählte Aspekte der Sondernutzung über Amt24 anzubieten.
Nachmachen und Abschreiben erlaubt
Stemmt die Stadt Leipzig dies alles allein oder bekommt sie Hilfe von anderen Stellen?
Die Stadt Leipzig arbeitet sehr eng mit anderen Kommunen oder auch mit dem Freistaat Sachsen zusammen. Dabei gilt, dass Nachmachen und Abschreiben, wenn es gut ist, ausdrücklich erlaubt sind. Wir wollen eben nicht jeden Prozess extra neu erfinden, wenn es doch gute Beispiele in Sachsen oder auch bundesweit gibt. Im Übrigen haben wir erst im letzten Jahr genau für diesen Zweck die Komm24 GmbH gegründet. Sie hilft, diesen Austausch zu organisieren.