Lips, Eva Elisabeth (geborene Wiegandt) - Leipziger Frauenporträts
Prof. Dr. phil. habil. Eva Lips © Universitätsarchiv Leipzig Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Wissenschaft
- Literatur
geboren/ gestorben
6. Februar 1906 (Leipzig) - 24. Juni 1988 (Leipzig)
Zitat
"Aber der Weg zur Welt, jener Weg, der zu den Menschen führt, kann sehr sicher auch vom Buche aus beschritten werden. Ein gutes Buch, mit Klugheit gelesen, kann zuweilen weiter führen als eine schlecht unternommene Reise."
(Völkerkunde im Dienst der Völkerfreundschaft, 12)
Kurzporträt
Die Ethnologin und Autorin Eva Lips war nach Edith Braemer die zweite Frau mit einer ordentlichen Professur an der Leipziger Universität. Mit ihren Veröffentlichungen, in denen sie unter anderem für Maßnahmen zum Erhalt des Weltkulturerbes plädierte oder gegen den Eurozentrismus intervenierte, wurde sie international bekannt.
Herkunftsfamilie
- Vater: Dr. h. c. Ernst Wiegandt (1870 in Eisenberg - 1936 in Leipzig), Verlagsbuchhändler, Ehrendoktorwürde der Universität Innsbruck)
- Mutter: Elisabeth Wiegandt (? - 1944 bei Bombenangriff in Leipzig)
- Bruder: Arndt Wiegandt (1902-1945) war nach dem Tod des Vaters Inhaber der Verlagsbuchhandlung Alfred Lorentz, ist in Russland gefallen
Biografie
Eva Lips wuchs in einem bildungsbürgerlichen Elternhaus auf, erlernte Fremdsprachen, Klavierspielen, Gedichteschreiben und im Selbststudium das Korrekturlesen von Buchmanuskripten ihres Vaters, schloss 1923 die Obersekundarreife an der Ersten Höheren Mädchenschule und Studienanstalt in Leipzig ab und heiratete achtzehnjährig den promovierten Ethnologen und Juristen Julius Lips (1895-1950). Beide zogen zunächst nach Frankfurt am Main, 1925 nach Köln, wo Lips an der Universität und im Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde (seit 2010 Haus der Kulturen) wissenschaftliche Karriere machte.
Es folgten erste gemeinsame Reisen auf die Kanarischen Inseln, nach Madeira und Algier. Eva Lips' anfängliches Interesse an der Erforschung der Tier- und Pflanzenwelt (sie wollte in Leipzig Biologie studieren) wich unter dem Einfluss ihres Mannes dem Interesse an Menschen. Sie studierte von 1928 bis 1932 Völkerkunde an den Universitäten Köln, Bonn, Paris, von 1934 bis 1936 in New York und konzentrierte sich auf die Erforschung der Ureinwohner Nordamerikas. In dieser Zeit verfasste sie, wie ihr Mann, kritische und feuilletonistische Artikel zur Völkerkunde und Literatur und bearbeitete in Absprache seine handgeschriebenen Manuskripte.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten zwang das Paar über Paris nach New York in die Emigration; es folgte die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft und Enteignung. Eva Lips konnte infolge von Untersuchungshaft ihrem Mann erst später nach Paris folgen, wo dieser Arbeit an der Sorbonne und am Musée de l'Homme gefunden hatte. Mit Hilfe von Heinrich Mann, mit dem das Ehepaar seit 1930 befreundet war, und aufgrund der Unterstützung durch den Ethnologen Franz Boas gelang im Mai 1934 die Ausreise in die USA.
Als erste und engste Mitarbeiterin ihres Mannes fasste Eva Lips schnell Fuß in Amerika. Bereits 1933 waren beide gemeinsam am Rautenstrauch-Joest-Museum Köln tätig, von 1934 bis 1936 war sie seine Assistentin an der Columbia University New York, von 1937 bis 1939 an der Howard University Washington, von 1939 bis 1948 an der Columbia University und an der New School for Social Research in New York, wo sie sogar Vorlesungen hielt. Zwischen 1935 und 1948 unternahmen beide ausgedehnte Feldforschungsaufenthalte bei den nordamerikanischen Ureinwohnern und eine Weltreise.
Während ihrer Vortragstätigkeit dokumentierte Eva Lips ihre Erfahrungen unter anderem in Tagebuchform, fotografisch und in Zeichnungen. Im Oktober 1948 kehrte das Paar mithilfe Heinrich Manns über Kopenhagen nach Deutschland zurück und entschied sich, in die Sowjetische Besatzungszone zu gehen, um unmittelbar am Aufbau einer neuen Gesellschaft beteiligt zu sein.
Der frühe Tod ihres Mannes 1950, seit 1949 Rektor der Leipziger Universität, konfrontierte Eva Lips mit schwerwiegenden Problemen. Die direkte Weiterführung des nun in "Julius-Lips-Institut für Völkerkunde" benannten Universitätsinstituts (bis 1993 Lehr- und Forschungsbereich für Ethnographie "Julius Lips") in seinem Sinne war ihr durch die fehlende akademische Qualifikation nicht möglich. Diese holte sie allerdings schnell nach. 1951 wurde sie in Leipzig im Gebiet Ethnologie promoviert, bereits 1954 habilitierte sie sich für Ethnologie und Vergleichende Rechtssoziologie an der damaligen Karl-Marx-Universität Leipzig.
Eva Lips hat zahlreiche wissenschaftliche Publikationen und Bücher für ein allgemeineres Publikum verfasst, hinzu kommen Übersetzungen und Fertigstellungen von Büchern ihres Mannes. Die neue Generation von Studierenden, oft Mitglieder der SED, diskreditierte ihren bürgerlichen Wissensansatz, warf ihr sogar mangelnde Fachkenntnis vor. Gleichermaßen bestand ein staatliches Interesse am Universitätsinstitut, das schon vom Fachgebiet her international ausgerichtet sein musste. Die Akten der Staatssicherheit der DDR dokumentieren im Zusammenhang mit ihrer Anwerbung zum Geheimen Informator seit 1953 Lips' gesellschaftliche und politische Unangepasstheit. Im Oktober 1958 kam es zur direkten Kontaktaufnahme, die im März 1963 seitens des Ministeriums für Staatssicherheit wieder beendet wurde.
Es war ein reicher Lebensabschnitt, in dem Lips eine Generation von Ethnolog/-innen ausbildete, eigenes Forschungsinteresse im Bereich der Ethnobotanik entwickelte und das zeitgenössische unrealistische, romantisierend-heroisierende Indianerbild dekonstruierte. Damit hatte sie es geschafft, sich von der Ethnographin und Assistentin des Mannes zu einer eigenständigen, international anerkannten Ethnologin und Autorin weiter zu entwickeln und zu etablieren.
1966 erhielt sie den Lehrstuhl für Ethnologie und Vergleichende Rechtssoziologie an der Philosophischen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig und wurde im gleichen Jahr emeritiert. Sie war überdies Vorsitzende in der Hochschulgruppe des Kulturbundes (1957-1967), Leiterin der Gesellschaft der Freunde des Gewandhauses (1967-1969) und engagierte sich als Stadtverordnete. Bis zu ihrem Tod blieb sie der Wissenschaft treu und sah ihre Aufgabe vor allem als Nachlassverwalterin ihres Mannes.
Werke
- Savage Symphony. A Personal Record of the Third Reich. With an Introduction by Dorothy Thompson. 8. Auflage, New York 1938.
- Rebirth in Liberty. New York 1942.
- Vorwort. In: Julius E. Lips, Vom Ursprung der Dinge. Eine Kulturgeschichte des Menschen. Übersetzt und illustriert von Eva Lips. Leipzig 1951, Seiten 7-15. (The Origin of Things. New York 1947).
- Das Rad von Monte Carlo. Roman. Mit Illustrationen von Eva Lips. Frankfurt, Wien 1948.
- Wanderungen und Wirtschaftsformen der Ojibwa-Indianer. Leipzig 1951. (Dissertation)
- Die Reisernte der Ojibwa-Indianer. Wirtschaft und Recht eines Erntevolkes. Leipzig 1954. (Habilitation).
- Das Indianerbuch. Leipzig 1956.
- Weisheit zwischen Eis und Urwald. Vom Humor der Naturvölker. Leipzig, Zweite Auflage 1984.
- Zwischen Lehrstuhl und Indianerzelt. Aus dem Leben und Werk von Julius Lips mit unveröffentlichten Briefen von Heinrich Mann und Martin Andersen-Nexö. Zweite Auflage Berlin: Rütten & Loening 1986.
Adressen in Leipzig
- 1906-1924(?): Kurprinzstraße 10 (heute Grünewaldstraße/ Ecke Leplaystraße), Geburtshaus und einstige Verlagsbuchhandlung im Besitz des Großvaters Alfred Lorentz, zerstört durch Bombardierung am 04.12.1943
- 1948(?)-1988(?): Kickerlingsberg 19, Leipzig-Gohlis (im Haus des Bruders)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Haustafel am ehemaligen Wohnhaus von Eva Lips, Einfriedungsmauer der Villa Kickerlingsberg 19. In diesem Haus lebte sie bis zu ihrem Tod 1988.
- Herbert Schmidl: Ein Leben für die Indianer. Eva Lips (6.2.1906 - 24.6.1988. In: Ametas Nr. 4 (Sebnitz/ Sachsen) 1992, Seiten 2-28.
- Grabstein von Eva und Julius Lips auf dem Südfriedhof
- Eine Texttafel zu Eva Lips in der Ausstellung "Leipziger Frauenbilder.#3G Gattin Gasthörerin Gleichstellung" des Gleichstellungsbüros der Universität und des Universitätsarchivs Leipzig 2015
- Freundeskreis Eva Lips
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Ethnologie im Nationalsozialismus. Julius Lips und die Geschichte der "Völkerkunde". Herausgegeben von Ingrid Kreide-Damani. Reichert Verlag Wiesbaden 2010.
- Gudrun Meier: Eva Lips und das Ministerium für Staatssicherheit von 1957 bis 1961: Der misslungene Versuch der Instrumentalisierung des "GI Juliane Mann", in: Ethnologie im Nationalsozialismus. Julius Lips und die Geschichte der "Völkerkunde". Herausgegeben von Ingrid Kreide-Damani. Reichert Verlag Wiesbaden 2010, Seiten 423-427.
- Eva Lips. In: Bettina Beer: Frauen in der deutschsprachigen Ethnologie. Ein Handbuch. Böhlau Verlag, Köln, Wien, Wien 2007, Seiten 132-146.
- Herbert Schmidl: Ein Leben für die Indianer. Eva Lips (6.2.1906 - 24.6.1988. In: Ametas Nummer 4 (Sebnitz/Sachsen) 1992, Seiten 2-28.
- Christel Foerster: "Verlange keinen Frühlingshut, wenn du einen Steinwayflügel brauchst!" (Eva Lips). In: Ich muß mich ganz hingeben können. Frauen in Leipzig. Herausgegeben von Friderun Bodeit. Verlag für die Frau, Leipzig 1990, Seiten 217-229.
- Eva Lips, Völkerkunde im Dienst der Völkerfreundschaft. Festansprache anläßlich des einhundertfünfzigjährigen Jubiläums des Verlages VEB F. A. Brockhaus, Leipzig, am 18. November 1955. Leipzig 1955, Seite 12.
- Eva Elisabeth Lips, in: Professorenkatalog der Universität Leipzig. Catalogus Professorum
- Lipsiensium, Herausgegeben vom Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, Historisches Seminar der Universität Leipzig. Link: https://www.uni-leipzig.de/; Zugriff am 04.11.2015.
- Undine Jung: Eva Lips. In: Frauenpersönlichkeiten in Leipzig. Link: https://research.uni-leipzig.de/; Zugriff am 04.11.2015.
- http://www.leipzigerfrauenbilder.de/professorin-und-weltreisende-eva-lips/; Zugriff am 11.11.2015.
- http://ethno.gko.uni-leipzig.de/index.php/institut/geschichte/98-personalgeschichte; Zugriff am 13.11.2015.
- http://ethno.gko.uni-leipzig.de/index.php/institut/geschichte/183-institutsgeschichte; Zugriff am 13.11.2015.
- http://ethno.gko.uni-leipzig.de/index.php/institut/geschichte/98-personalgeschichte; Zugriff am 13.11.2015.
Autorin: Dr. Sandra Berndt, 2015