Voigt, Henriette geborene Kuntze - Leipziger Frauenporträts
Henriette Voigt. Miniatur von Friedrich August Junge. © Stadtgeschichtliches Museum Leipzig Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Musik
- Salonkultur
geboren/ gestorben
24. November 1808 in Leipzig - 15. Oktober 1839 in Leipzig
Zitat
"Mad. Voigt hat mir über die Maßen wohlgefallen mit und ohne Clavierspiel; aber eben auch dieses ganz für sich gefällt mir außerordentlich gut, voller Empfindung und ohne alle Sentimentalität."
Alfred Schöne (Herausgeber): Briefe von Moritz Hauptmann an Franz Hauser. Leipzig 1871, Seite 166.
Kurzporträt
Die begnadete Pianistin mit großem Repertoire, Klavierlehrerin, Förderin und Salonière ging als Freundin und Vertraute Robert Schumanns in die Musikgeschichte ein. Nach der Heirat mit dem Textilhändler Carl Voigt versammelte sie in ihrem Haus zahlreiche Künstler, Komponisten und Musikliebhaber zu musikalischen Gesellschaften.
Clara Wieck widmete ihr „Soirées Musicales“ op. 6; Schumann seine „Klaviersonate“ g-Moll op. 22; Mendelssohn sein "Lied ohne Worte" (Gondolierlied) in fis-Moll, op. 30 Nr. 6; weiterhin widmeten ihr auch Ludwig Schuncke, Wilhelm Taubert und Ludwig Berger Kompositionen.
Herkunftsfamilie
Vater: Carl Wilhelm Kuntze, Französisch- und Italienischlehrer an der Thomasschule und -übersetzer in Leipzig.
Biografie
Henriette Voigt, geborene Kuntze, war die Tochter eines Französisch- und Italienischlehrers und -übersetzers in Leipzig. Ein wohlhabender Taufpate ermöglichte ihr den Musikunterricht in Berlin bei Ludwig Berger. Dort lernte sie auch den jungen Felix Mendelssohn Bartholdy kennen, der ebenfalls Unterricht bei Berger hatte; die beiden jungen Leute freundeten sich an und musizierten gemeinsam.
1828 kehrte sie als Pianistin und Klavierlehrerin nach Leipzig zurück. Seit 1830 war sie verheiratet mit dem Leipziger Kaufmann und Kunstmäzen Carl Voigt. Der begeisterte Musikliebhaber Voigt war Teilhaber der Garn- und Seidengroßhandlung Berger & Voigt. Er spielte selbst Geige und förderte das Leipziger Musikleben großzügig. Ihr Haus in der Petersstraße war Treffpunkt der Musikfreunde und Ort des Musizierens.
Zum Freundeskreis der Voigts gehörten Clara und Robert Schumann, Cėcile und Felix Mendelssohn Bartholdy sowie der Musikschriftsteller Friedrich Rochlitz. Alle drei Männer waren Taufpaten der Kinder des Ehepaares Voigt. Dessen Haus wurde mehr und mehr zum Zentrum des Leipziger Musiklebens. Schumann widmete Henriette seine dritte Klaviersonate g-Moll, op. 22. Mendelssohns „Venezianisches Gondellied“, veröffentlicht 1836 im zweiten Heft seiner „Lieder ohne Worte“ op. 30,6, findet sich als „Gondolierlied“ schon 1835 im Stammbuch von Henriette Voigt mit den Zeilen von Mendelssohn: „Gestern habe ich ein kleines Stück aus fis-Moll auf dem Klavier gespielt, das will ich drauf schreiben. Düsseldorf 15. März 1835.“ Die beiden musikalischen Alben Henriettes mit Einträgen aller Größen des europäischen Musiklebens, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Leipzig besuchten oder in Leipzig heimisch waren, sind Kostbarkeiten. „Nicht für Juwelen“ hätte sie diese hergegeben, „es war ihr Theuerstes“, schrieb Schumann 1839 in seinem Nachruf „Erinnerungen an eine Freundin“. Henriette war als „Eleonore“ Mitglied der Davidsbündler, des von Schumann begründeten romantischen „Kampfbundes“ gegen den Goliath der Mittelmäßigkeit. Sie war nicht die einzige Frau; auch Clara Schumann gehörte als „Zilia“ dem Stammtisch im Coffe Baum an. Große Freude herrschte, als Mendelssohn 1835 die Direktion der Leipziger Gewandhauskonzerte übernahm. Schon 1834 hatte Henriette mit ihm gemeinsam bei einer Gesellschaft des Musikverlegers Raimund Härtel die „Hebriden“-Ouvertüre in einer vierhändigen Klavierfassung gespielt und großen Erfolg und „unaussprechliche Freude“ gehabt. Bei der Leipziger Erstaufführung von Mendelssohns Oratorium „Paulus“ in der Paulinerkirche sang Henriette im Chor mit. Das bekannte Mendelssohn-Porträt von Hildebrandt, heute im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, soll Henriette 1834 in Auftrag gegeben haben.
Henriettes erster Klavierlehrer in Leipzig war Carl Gottlieb Reißiger gewesen, als dieser noch Thomasschüler war. Daraus resultierte eine lebenslange Freundschaft. Reißiger widmete ihr sein 7. Klaviertrio. Am Silvesterabend des Jahres 1836 gehörte Reißiger, wie auch der englische Komponist und Pianist William Sterndale Bennett, zu den Gästen in Hause Voigt. Henriette hielt in ihrem Tagebuch fest: „Wir spielten, Reißiger sang Lieder und komponierte mir einen Kanon – Bennett eine Barcarole in mein Stammbuch. Whist gespielt bis nach 11 Uhr ... ¾ auf 12 legte sich Reißiger zu Bette, wir blieben bis 12 Uhr auf – ich las noch im Jean Paul, um das neue Jahr mit einer Herzstärkung zu beginnen.“
Im Frühjahr 1839 war ihr zweites Kind geboren worden. Am 15. Oktober 1839 erlag sie der heimtückischen Krankheit Schwindsucht (heute: Lungentuberkulose), an der auch ihr langjähriger Freund Louis Schunke gestorben war. Den begabten jungen Pianisten und Komponisten hatte sie aufopferungsvoll gepflegt, und der Verdacht der Ansteckung liegt nahe. Zur Kur in Salzbrunn, die sie heilen sollte, hatte Mendelssohn ihr geschrieben, er werde ihr „allerhand Neues“ vorspielen, was er nun in Leipzig komponiert habe. Doch dazu kam es nicht mehr. In ihrem letzten Brief an die Schumanns schrieb sie: „Ihr Glücklichen genießt die heitere Gegenwart ... Ihr seid ja doch dem Ziel näher, und vereint lässt sich alles ertragen. Lebe wohl, meine teure Freundin und denke mein...“
Werke
Lieder mit Texten von Henriette Voigt von Wilhelm Taubert und Carl Loewe. Um welche Gedichte es sich dabei handelt, ist bisher nicht bekannt. Gesichert ist, dass zu Ludwig Schunkes Begräbnis ein Männerchor von F. Böhme "Hört ihr nicht die düstren Klänge" aufgeführt wurde, dessen Text von Henriette Voigt stammt.
Adressen in Leipzig
Brühl 452, ab 1830 Petersstraße 120 (nahe dem Peterstor)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
Sammlung Henriette Voigt im Stadtgeschichtlichen Museum
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Julius Gensel: Robert Schumanns Briefwechsel mit Henriette Voigt. In: Die Grenzboten, Band 2 (1892), Seite 269-277, 324-337, 368-375.
- Julius Gensel: Henriette Voigt. Erinnerungen aus dem Leipziger Musikleben zu Mendelssohns Zeit. In: Die Grenzboten, Band 1 (1909), Seite 393-400.
- Rudolf Weinmeister: Henriette Voigt. Zum 100. Todestag der Eleonore Robert Schumanns. In: Leipziger Jahrbuch 1939, Seite 138-140.
- Mirjam Gerber: Henriette Voigt. In: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung. Lexikon und multimediale Präsentationen, herausgegeben von Beatrix Borchard. Hamburg, 2003ff.
Autorin: Doris Mundus, 2015