Clasen-Schmid, Mathilde (geborene Schmidt, Pseudonym: Curt von Wildenfels) - Leipziger Frauenporträts
Mathilde Clasen-Schmid, o. J. Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Literatur
- Frauenbewegung
- Wirtschaft
geboren/ gestorben
4. August 1834 (Wildenfels, Sachsen) - 5. Dezember 1911 (Leipzig)
Zitat
"Daß ihr Schweres könnt' ertragen, baut auf Eure eig'ne Kraft!"
(aus dem Gedicht "Im Kleinen", 1904)
Kurzporträt
Mathilde Clasen-Schmid schrieb Lyrik und Belletristik, erwarb sich Anerkennung mit Handbüchern zu Näharbeiten und der Redaktion von Modejournalen, war 1890 Begründerin und dann langjährige Vorsitzende des Leipziger Schriftstellerinnen-Vereins.
Herkunftsfamilie
- Vater: Johann Wilhelm Schmidt (gestorben 1868) aus Pegau
- Mutter: Wilhelmine Louise Schmidt, geborene Wenzel, aus Groitzsch
- Geschwister: Wilhelm und Luise
Biografie
Mathilde Clasen-Schmid wurde in der Kleinstadt Wildenfels/ Sachsen als jüngstes Kind der Familie des Gutsverwalters und späteren Landvermessers Johann Wilhelm Schmidt und seiner Frau Wilhelmine Louise geboren. Sie wuchs auf eigenen Wunsch bei ihren Großeltern mütterlicherseits auf dem Lande in Eschefeld bei Altenburg auf, bis sie 1847 zu den mittlerweile in Leipzig lebenden Eltern zurückkehrte. Sie besuchte die I. Bürgerschule in Leipzig, bekam auch weiterführenden Privatunterricht in französischer und italienischer Sprache, aber vor allem wurden ihr Weißnähen, Schneidern, Putzmachen, Handarbeiten und hauswirtschaftliche Tätigkeit nahegebracht - die typische Ehevorbereitung für Mädchen. Aus dieser vorgezeichneten Bahn scherte sie 23-jährig aus, indem sie 1857 bis 1861 als Erzieherin, Gesellschafterin und Lehrerin bei begüterten deutschen, polnischen und russischen Familien in Kalisch, Lierz und Warschau sowie der Wendlerschen privaten Mädchenschule in Lublin im Gebiet des damaligen Russisch-Polens wirkte. 1858 legte sie in Warschau ihr Sprachlehrerinnenexamen für Französisch und Deutsch ab.
Die antizaristischen Unruhen 1861 als Vorboten des polnischen Aufstandes von 1863 bewegten sie zur Rückkehr nach Leipzig, bald aber auch zur Weiterreise nach Paris. Dort wurde sie 1862 die Ehefrau des aus Leipzig stammenden Speditionskaufmanns Gustav Adolph Quasdorf, der jedoch Anfang 1863 an Typhus starb. Auf Drängen ihrer Eltern kam sie schließlich 1865 nach Leipzig zurück und arbeitete hier als Privatlehrerin.
1870 lernte sie den Historienmaler Lorenz Clasen (1812-1899) kennen, den sie 1873 im Wurzener Dom heiratete. Als nunmehrige "Frau Professor Clasen" unterrichtete sie nicht mehr, musste aber mit der Zeit doch zum Haushaltseinkommen beitragen, als ihr Mann als freier Künstler weniger Aufträge bekam.
Aufbauend auf ihren hervorragenden Französischkenntnissen und Trends der Zeit aufgreifend wirkte sie zunächst als Übersetzerin. Bereits 1879 hatte sie die drei Modezeitschriften "La Couturière Parisienne", "La Modiste de Paris" und "Revue des Modes Parisiennes" im Leipziger Verlag Hofmann & Ohnstein redaktionell zu verantworten. Den Schritt zur Autorin ging Mathilde Clasen-Schmid Anfang der 1880er-Jahre, zunächst mit Artikeln und Büchern über Mode und alle Varianten des Schneiderns. Unter dem Pseudonym Curt von Wildenfels schrieb sie später belletristische und lyrische Stücke in den von ihr verantworteten Zeitschriften. Der aufbauend auf ihren persönlichen Erlebnissen in Russisch-Polen zunächst als Fortsetzungsgeschichte geschaffene Roman "Aus russischen Kreisen" zeitigte 1887 als Buchausgabe eine beindruckende Resonanz. Ermutigt durch die Folgeauflage und ein weiteres beachtetes Buch (Genrebilder und Skizzen 1890) erschienen die weiteren Werke ab den 1890er-Jahren nun unter ihrem Namen Clasen-Schmid, der so in die Literaturkreise und die Öffentlichkeit einging.
Im Oktober 1890 gründete sich in der Clasenschen Wohnung der Leipziger Schriftstellerinnen-Verein, der Frauen umfasste, so Mathilde Clasen-Schmid, "die teils als Schriftstellerinnen tätig waren, teils ein lebhaftes Interesse für Literatur und Frauenbestrebungen besaßen". Louise Otto-Peters (1819-1895) schloss sich dem Verein kurz nach der Konstituierung als prominentestes Mitglied an und wurde 1892 Ehrenmitglied. Auguste Schmidt (1833-1902) wurde diese Ehre im Jahre 1900 zu Teil. 21 Jahre lang leitete Mathilde Clasen-Schmid den Leipziger Schriftstellerinnen-Verein. Die von Hugo Rösch (Biograf von Louise Otto-Peters) herausgegebene Fachzeitung "Die litterarische Praxis" durfte als Vereinsorgan genutzt werden, welches monatlich die Vielfalt der Aktivitäten widerspiegelte. 1901 schrieb Hugo Rösch anerkennend dazu: "Es ist dies ein Kreis feinsinniger Damen [...] Kolleginnen und Nichtberufsmäßige. Hier wird noch Literatur getrieben und das Schöne gepflegt, hier findet man noch Anregung im vollsten Maße."
Zunächst in der Clasenschen Wohnung und ab circa 1901 im Vereinslokal "Hotel Hochstein" in der Carolinenstraße 5 tagend, hatten die Versammlungen meist folgender Struktur: Mitteilungen aus Briefen und Manuskripten auswärtiger Mitglieder, ein oder mehrere "den Geist bildende und veredelnde Vorträge", gehalten meist durch Mathilde Clasen-Schmid, mit anschließender Diskussion, Aufnahme neuer und Ehrung verstorbener Mitglieder.
Weiterhin engagierte sich Mathilde Clasen-Schmid besonders gegen die Benachteiligung von Frauen im Literaturbetrieb und für Frauenemanzipation. Von 1894 bis 1906 war sie deshalb im Vorstand der Ortsgruppe Leipzig des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) aktives und geachtetes Mitglied. Neben zahlreichen Vorträgen in Leipziger Frauenorganisationen wie Frauenbildungsverein und Frauengewerbeverein ragte dabei deutschlandweit besonders ihr 1896 im Auftrag des Vorstands der Ortsgruppe Leipzig des ADF gehaltenes Referat "Frauen im Buchhandel" heraus, welches vom Börsenblatt des Deutschen Buchhandels (Nr. 110/1896) respektvoll referiert wurde. Im Leipziger Schriftstellerinnen-Verein wiederum legte Mathilde Clasen-Schmid besonders Wert darauf, die Erinnerungskultur an das Ehrenmitglied Louise Otto-Peters kontinuierlich jährlich im März mit einer eigenen Veranstaltung zu pflegen.
Durch die Aufgabe ihrer Tätigkeit als Redakteurin, durch rückläufige Einnahmen aus Publikationen und mit zunehmenden Krankheiten geriet sie immer mehr in Geldnöte. Deshalb musste sie im Alter von über 70 Jahren wieder Sprachunterricht erteilen und zudem Zimmer untervermieten. In Anerkennung der Verdienste Mathilde Clasen-Schmids setzten sich die Vorstände der Ortsgruppe des ADF, des Leipziger Schriftstellerinnen-Vereins und des Frauengewerbevereins Leipzig 1910 mit einer Bittschrift an die Schillerstiftung für eine kleine Pension zugunsten Mathilde Clasen-Schmids ein, die auch ehrenvoll gewährt wurde.
Am 5. Dezember 1911 verstarb Mathilde Clasen-Schmid und wurde in der Grabstätte ihres Mannes auf dem Neuen Johannisfriedhof Leipzig bestattet. Der Grabstein steht heute im Lapidarium des Alten Johannisfriedhofes.
Werke
- Handbuch für Frauenarbeiten, Leipzig 1881 (und weitere Auflagen).
- Aus russischen Kreisen (Roman), Leipzig, 1887 (und 4 weitere Auflagen bis 1909).
- Das Frauenkostüm, Leipzig 1888.
- Genrebilder und Skizzen (Erzählungen), Leipzig 1890.
- Lehrbuch für Maßnehmen, Zuschneiden und Anfertigung von Damenkleidern, Leipzig 1894.
- Der Buchhandel, ein den Frauen zugänglicher Erwerbszweig, in: Neue Bahnen. Organ des ADF, 1896, Heft 9, Seiten 79-81.
- Schicksalswege (Roman), Leipzig 1903 (3. Auflage 1921).
- Jean Collin (Roman), Leipzig 1904.
- Gedichte, Leipzig 1904 (2. Auflage 1905).
- Die Bürgerliche Küche. Gesammelt und herausgegeben aufgrund langjähriger Erfahrung von Mathilde Clasen-Schmid, Leipzig 1908.
- Kinderlieder, kindliche Wünsche, vermischte Gedichte, Rätsel, Leipzig 1909.
Adressen in Leipzig
- bis 1879: Weststraße 39 (heute: Friedrich-Ebert-Straße)
- ohne Jahr: Carolinenstraße 7 (heute: Paul-List-Straße)
- ab 1885: Carolinenstraße 13
- ab 1901: Windmühlenweg 3 (heute: Philipp-Rosenthal-Straße)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Grabstein im Lapidarium des Alten Johannisfriedhofes
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Badock, Monika: Die Schriftstellerin Mathilde Clasen-Schmidt [sic!], in: Erzgebirgische Heimatblätter, 33. Jahrgang, 2011, Heft 1, Seite 16 folgende.
- Das litterarische Leipzig: Illustriertes Handbuch der Schriftsteller- und Gelehrtenwelt, der Presse und des Verlagsbuchhandels in Leipzig, Leipzig 1897.
- Dichtergaben für Lorenz Clasen, herausgegeben von Bernhard Rost, Düsseldorf 1912.
- Dichtung und Prosa von Leipziger Frauen. Aus Anlass seines 25jährigen Bestehens herausgegeben vom Leipziger Schriftstellerinnen-Verein, Leipzig 1914.
- Die Litterarische Praxis. Fachzeitung und Offertenblatt für Journalisten, Schriftsteller, Zeichner und Verleger, Berlin-Friedenau (Jahrgänge 1901-1910).
- Leyh, Manfred/ Thurm, Heiner: Mathilde Clasen-Schmid (1834-1911) - Pseudonym Curt von Wildenfels. Eine biografische Skizze zur Mitbegründerin und langjährigen Vorsitzenden des Leipziger Schriftstellerinnen-Vereins. In: Louise Otto-Peters und ihre literarischen Netzwerke. Dokumentation des 22. LOP-Tages 2014. (LOUISEum 36). Sax Verlag 2015.
- Rost, Bernhard: Aus der Chronik eines Fünfzigjährigen, Chemnitz ohne Jahr (1921).
- Rost, Bernhard, Mathilde Clasen-Schmid. Lebensbild einer schaffenden Frau, Leipzig 1909.
- Goethe-Schiller-Archiv, Weimar. Deutsche Schillerstiftung. Vorort Weimar Akte betreffend: Unterstützungsgesuch Frau Mathilde Clasen-Schmid in Leipzig 1910, 134/10/3.
- Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, PP-V-2608, Acten des Polizeiamtes der Stadt Leipzig den Schriftstellerinnen-Verein zu Leipzig betr. Dr. Manfred Leyh, 2015.
Autor: Dr. phil. Manfred Leyh, 2015