Fechner, Clara Maria (geborene Volkmann) - Leipziger Frauenporträts
Clara Fechner, Altersbildnis nach einer Fotografie © Archiv Knopf Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Literatur
- Soziales
geboren/ gestorben
21. Juli 1809 (auf dem Familiengut Zschortau) - 21. Juni 1900 (Leipzig)
Zitat
"Sie [...] hat Gefallen an der Poesie und poetischer Auffassung des Lebens [...]"
(Gustav Theodor Fechner, Tagebücher, 1866)
Kurzporträt
Clara Maria Fechner wurde als Schriftstellerin durch ihr vielgelesenes Märchenbuch "Die schwarze Tante" (1848) bekannt, das im In- und Ausland zahlreiche Auflagen erlebte. Auf Anregung ihrer Freundin Hedwig von Holstein engagierte sie sich im Vorstand der dritten Leipziger Kinderbewahranstalt und war "Districts-Vorsitzende" des Vereins zur Unterstützung hilfsbedürftiger Wöchnerinnen.
Herkunftsfamilie
- Großvater: Johann Jacob Volkmann (1732-1803), Jurist, Kunstschriftsteller
- Großmutter: Eleonore geborene Welck (1746-1793), Tochter des Leipziger Oberpostamtsdirektors Wolfgang Georg Welck (1703-1780)
- Vater: Johann Wilhelm Volkmann (1772-1856), Jurist, Senator
- Mutter: Friederike Tugendreich geborene Zink (1774-1812)
- Geschwister:
- Alfred Wilhelm Volkmann (1801-1877), Professor der Anatomie und Physiologie in Halle
- Julius Volkmann (1804-1873), Jurist
- Adalbert Wilhelm Volkmann (1815-1890), Jurist
- Allwill Bernhard Volkmann (1823-1894), Pastor
- Oskar Constantin Volkmann (1826-1878), Pastor
(Die Geschwister Adalbert, Allwill und Oskar stammen aus der 2. Ehe des Vaters mit Antonie Hübel)
- Neffe: Richard von Volkmann Leander (1830-1889), Sohn von Alfred V., bedeutender Chirurg und Schriftsteller
Biografie
Clara Fechner war die Tochter des Leipziger Senators Johann Wilhelm Volkmann. 1833 heiratete sie den Naturwissenschaftler und Philosophen Gustav Theodor Fechner (1801-1887). Ihrem Mann, der durch seine "Psychophysik" (1860) berühmt werden sollte, war sie eine verständnisvolle, anregende Partnerin. Die Sorgen, die eine lange Krankheit Fechners ab 1839 mit sich brachten, ließen die lebhafte und fröhliche Clara Fechner schwermütig werden. Ihr Bruder Alfred Volkmann, zeitweilig Professor in Dorpat, half ihr in dieser schwierigen Situation. Er schrieb ihr, seine Kinder vermissten die geliebte Tante schmerzlich und bat sie, doch brieflich Märchen zu erzählen.
Die phantasievollen Erzählungen entstanden auf dem Grundstück des Verlegers Hermann Härtel im Umgang mit dessen Kindern. Hier wohnte das Ehepaar Fechner dreizehn Jahre in einem Nebengebäude hinter dem Römischen Haus. Angetan vom Erzähltalent seiner Schwester, regte Alfred Volkmann nach seiner Rückkehr 1842 die Herausgabe ihrer Texte in Form eines Märchenbuchs an. Unter dem Titel "Die schwarze Tante" erschienen sie 1848 anonym im Verlag von Georg Wigand in Leipzig. Clara Fechner wurde von den Volkmann-Kindern wegen ihrer dunklen Haare und schwarzen Kleider die "schwarze Tante" genannt. Als solche wird sie in der Eingangsgeschichte "Das Schreibzeug" vorgestellt, um den übrigen 16 Märchen und Erzählungen einen Rahmen zu geben.
Der Verleger beauftragte mit der Illustrierung des Buches den Dresdner Künstler Ludwig Richter, dessen reizvolle Bilder zur Beliebtheit der Märchen erheblich beitrugen. Zu "Nußknacker und Zuckerpüppchen" schuf Richter die schönsten Illustrationen. Clara Fechners Texte verraten Einflüsse französischer Feenmärchen und der deutschen Romantik, etwa von E. T. A. Hoffmann ("Nußknacker und Mausekönig"), Ludwig Tieck ("Hannchen und die Elfen"), Hans Christian Andersen ("Kaffeekanne und Teekanne"; "Mariechen"), aber auch von religiösen Legenden ("Das Christkind"). Das Stiefmutterthema war nicht ohne Grund ein wiederkehrendes Motiv in Clara Fechners Märchen. Auch ihre eigene frühverstorbene Mutter beschäftigte ihre Phantasie lebhaft ("Das Himmelsmütterlein"). Claras Ehemann war auf das Märchenbuchseiner Frau stolz (siehe Zitat oben), obwohl er in "Papier, Tinte und Feder" als zerstreuter Professor karikiert wurde.
Mit ihren Märchen beeinflusste Clara Fechner das erzählerische Werk ihres Neffen Richard von Volkmann-Leander (1830-1889), der später die berühmten "Träumereien an französischen Kaminen" (1870/71) verfassen sollte. Er setzte ihr ein literarisches Denkmal in den "Drei Schwestern mit den gläsernen Herzen".
Nachdem der Verlag Breitkopf & Härtel 1878 ihr Buch übernommen hatte, warb er für die beiden Märchenbücher von Clara Fechner und Richard von Volkmann-Leander: "Die den Leanderschen 'Träumereien' blutsverwandten Kinder-Märchen der schwarzen Tante verdienen eine noch weit größere Verbreitung als bisher, zumal in den Familien, welche den Kindern [...] die beste [...] Kost reichen wollen."
Clara Fechners Tätigkeit als Schriftstellerin war leider nur eine Episode in ihrem Leben, auch wenn ihr Märchenbuch viele Nachauflagen erlebte und in England, den USA und Schweden wiederholt erschien. Nach Fechners Genesung im Herbst 1843 hatten seine wissenschaftlichen Interessen im Alltag der beiden wieder Vorrang vor Claras literarischer Tätigkeit. Die meiste Zeit fiel ihr die Rolle der verständnisvollen Gattin, liebenswerten Tante und Freundin zu. Zeitlebens kümmerte sie sich liebevoll um Kinder aus dem Verwandtenkreis, da sie ohne Nachkommen blieb.
Ihre Liebe zu Kindern äußerte sich auch in ihrer jahrelangen Mitarbeit im Vorstand der dritten Kleinkinderbewahranstalt, die 1848 von ihrer Freundin Hedwig von Holstein gegründet worden war. Wilhelm Windelband, der 1873-76 in Leipzig lehrte, schrieb über sie: "Frau Clara [...] besaß eine stille, natürliche Liebenswürdigkeit und gab damit seinem [Fechners] Hause einen warmen, zarten Ton. Die Kinder der Verwandten, denen sie Märchen erzählte, hatten sie 'die schwarze Tante' genannt [...] unter diesem Namen verehrten sie die zahlreichen Freunde [...] " Wohlhabende Verwandte und Freunde, wie Alfred Volkmann und Hermann Härtel, luden die Fechners zu Reisen, Dinners und musikalischen Soireen mit bedeutenden Künstler/-innen wie Mendelssohn, den Schumanns, Livia Frege und Ferdinand David ein - dafür forderten sie von Clara aber auch oft monatelange Kinderbetreuung bei eigener Abwesenheit. Der Maler Wilhelm von Kügelgen schilderte 1860 seine durch Fechners vorzeitige Pensionierung verarmte Jugendfreundin "Clärchen" als "ein kleines altes Mütterchen mit eisgrauem Haar und einem Kleiderschnitt, wie er vor dreißig Jahren getragen ward".
Clara Fechner starb 1901 in Leipzig - hochbetagt, verehrt und geliebt von ihren Verwandten und Freunden.
Werke
- deutsch: Die schwarze Tante. Leipzig: Georg Wigand 1848, 2. Ausgabe 1853, 3. Ausgabe 1871, 4. Ausgabe 1878, 5. Ausgabe 1896, 6. Ausgabe 1905, 8. Ausgabe 1918, 9./10. Ausgabe 1922, weitere Ausgabe bei Georg Dietrich in München 1921, 1966 (Reprint mit Nachwort von Horst Kunze); inzwischen auch als e-book und als Print on Demand 2013.
- englisch: The Black Aunt. Stories and Legends for Children. Leipzig: G. Wigand 1848 und New York: Rudolph Garrigue 1848.
- Good Aunt Fanny's budget of stories and legends for children. New York: Henderson 1852.
- schwedisch: Svarta Mosters Sagor. Stockholm: Seligman 1876.
- Separatausgaben: Nußknacker und Zuckerpüppchen. Leipzig: Schlicke 1854.
- englisch: Nut-cracker and Sugar-dolly and other stories and legends for children. London: Joseph Cundall 1849 sowie Philadelphia: Henderson & Co. 1853.
- Annie and the elves and other stories. Boston: Crosby & Nichols 1852, später Crosby & Ainsworth 1868.
- schwedisch: Sagan om den lilla söta prinsessan Sockerdockas och den lilla nöthungriga prins Nötknäppares födelse och underbara öden. Stockholm: Gustaf Rahm 1855.
- Ein Manuskript mit dem Titel "Kindheit" (Beschreibung des Familienlebens im Hause Volkmann in Zschortau) befindet sich im Privatbesitz der Familie Volkmann.
Adressen in Leipzig
- 1809: Katharinenstraße 15 (alt: 369)
- 1820: Peterssteinweg 6 (alt: 813)
- 1830: Querstraße 9 (alt: 1211)
- 1833-1835: Burgstraße 22 (alt: 141)
- 1835-1836: Kleine Windmühlengasse 11 (alt: Kautz 868)
- 1836-1837: Neumarkt 33 (alt: 643)
- Ab Ostern 1837: Windmühlenstraße 14 (alt: Große Windmühlengasse 14, davor Windmühlengasse 884)
- Oktober 1850-1901: Dresdner Straße 15 (alt: Dresdner Straße 36)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Reprint der "Schwarzen Tante" (Reihe "Historische Kinderbücher", Band 2) im Verlag Edition Leipzig 1966, Nachwort von Horst Kunze.
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Arendt, Hans-Jürgen: Gustav Theodor Fechner. Ein deutscher Naturwissenschaftler und Philosoph im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main und andere 1999.
- Fechner, Gustav Theodor : Tagebücher. Herausgegeben von Anneros Meischner-Metge. Bearbeitet von Irene Altmann. 2 Bände Stuttgart 2004.
- Holstein, Hedwig von: Eine Glückliche. Leipzig 1901.
- Knopf, Sabine: Leipziger Kinderbuchverlage im 19. Jahrhundert. In: Börsenblatt. Frankfurt am Main, Beilage Aus dem Antiquariat.1991, 9, Seiten 347-355.
- Kügelgen, Wilhelm von: Jugenderinnerungen eines alten Mannes. Berlin 1870.
- Kuntze, Emil: Gustav Theodor Fechner (Dr. Mises). Leipzig 1892.
- Trieder, Simone: Richard von Volkmann-Leander. Chirurg und Literat. Halle 2006.
- Ueber illustrirte Kinderschriften. Teil II. In: Blätter für literarische Unterhaltung. 1849, Band 2 Juli-Dezember, Nummer 312, Seite 1248.
- Volkmann, Ludwig: Die Familie Volkmann. Bände 1-4. Leipzig 1895-1930.
- Volkmann, Ludwig: Die Jugendfreunde des alten Mannes. Leipzig 1925.
- Windelband, Wilhelm: Gustav Theodor Fechner. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Band 55. (1910), Seiten 756-763.
Autorin: Sabine Knopf, 2015